Endometriose ist eine Erkrankung, bei der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle wächst, zum Beispiel an den Eierstöcken, den Eileitern oder im Bauchraum. Eine häufige Ursache ist die retrograde Menstruation, bei der Schleimhaut in den Körper zurückwandert und sich dort festsetzt. Die Hauptsymptome sind starke Regelschmerzen und ungewollte Kinderlosigkeit, wobei die Ausprägung individuell unterschiedlich ist. Die Behandlung umfasst Schmerztherapie, eine Hormonbehandlung und in schweren Fällen auch chirurgische Eingriffe.
Prof. Krämer: Bei der Endometriose handelt es sich um Gewebe, das eigentlich in die Gebärmutterhöhle gehört, sich aber außerhalb befindet - so zeigen es histologische Untersuchungen. Es handelt sich um Gebärmutterschleimhaut (Endometrium), die sich an verschiedenen Stellen im Körper ansiedeln kann. Mögliche Lokalisationen sind das Bauchfell, die Eierstöcke, die Eileiter oder der Raum zwischen Scheide und Darm. In seltenen Fällen kann sich die Endometriose auch in der Lunge oder an Operationsstellen wie der Kaiserschnittnarbe oder der Einstichstelle einer Bauchspiegelung ansiedeln. Vereinfacht gesagt befindet sich also bei einer Endometriose Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle.
Prof. Krämer: Es gibt verschiedene Theorien über die Entstehung der Endometriose, aber warum sich Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle ansiedelt, ist noch nicht hundertprozentig geklärt. Eine wahrscheinliche Theorie ist die sogenannte retrograde Menstruation. Dabei wird Schleimhaut, die normalerweise mit der Regelblutung nach außen abgestoßen wird, rückwärts - also retrograd - in das Körperinnere transportiert. Diese Schleimhaut setzt sich dann an anderen Körperstellen fest. Für diese Theorie spricht auch die Tatsache, dass Endometriose z.B. nach operativen Eingriffen an der Gebärmutter, wie einem Kaiserschnitt oder der Entfernung von Myomen, entstehen kann. In diesen Fällen können Schleimhautzellen durch die Verletzung der Gebärmutterwand nach außen wandern und sich an anderen Stellen ansiedeln. Eine zweite Theorie besagt, dass Körperzellen, die ursprünglich für eine andere Funktion vorgesehen waren, im Laufe ihres Lebens zu Zellen der Gebärmutterschleimhaut umprogrammiert werden.
Prof. Krämer: Es gibt keine spezielle „Endometriose-Diät“ oder Verhaltensweisen, die eine Patientin sicher vor Endometriose schützen könnten. Wir wissen jedoch, dass genetische Komponenten eine Rolle spielen, was aus Zwillingsstudien hervorgeht. Endometriose gilt als hormonabhängige Erkrankung. So wie die Gebärmutterschleimhaut auf die Hormone der Frau reagiert, so reagieren auch die Endometrioseherde. Sie sind vor allem in der sogenannten reproduktiven Phase der Frau aktiv. Das bedeutet, dass die Endometriose von der ersten bis zur letzten Regelblutung auftreten bzw. aktiv sein kann. Manche Frauen fragen sich, ob die Einnahme der Pille dafür verantwortlich ist. Dies kann jedoch eindeutig verneint werden. Es sind die weiblichen Hormone, die in dieser Lebensphase im Körper der Frau zirkulieren und die Endometrioseherde „am Leben“ halten können.
Endometriose gilt als hormonabhängige Erkrankung.
Prof. Krämer: Bei der Endometriose gibt es zwei wesentliche Leitsymptome. Das erste Leitsymptom ist der Schmerz, das zweite Leitsymptom ist die ungewollte Kinderlosigkeit oder technisch ausgedrückt die Subfertilität.
Beginnen wir mal mit dem Leitsymptom Schmerz. Diese Schmerzen treten typischerweise während der Menstruation auf, also um die Menstruation herum. Dabei kann es sich um verstärkte Regelschmerzen oder Unterbauchschmerzen handeln, die diffus oder einseitig auftreten können, sowie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Schmerzen beim Wasserlassen oder beim Stuhlgang. Diese Schmerzen deuten darauf hin, dass sich Endometrioseherde im Unterbauch, zwischen Scheide und Darm oder im Bereich der Gebärmutter befinden, die während des Zyklus aktiviert werden. Auch unspezifische Beschwerden wie Rücken- oder Beinschmerzen können auftreten. Manchmal kommen weitere unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Erschöpfung hinzu. Diese Vielfalt an unspezifischen Symptomen ist einer der Gründe, warum Endometriose oft erst spät diagnostiziert wird.
Das zweite große Problem der Endometriose ist die ungewollte Kinderlosigkeit. Junge Frauen, die versuchen, schwanger zu werden, und deren Partner bereits untersucht wurden, leiden nicht selten an Endometriose. Obwohl es auch andere Ursachen für ungewollte Kinderlosigkeit gibt, ist die Endometriose ein sehr wichtiger Grund. Wichtig zu wissen ist, dass die beiden Leitsymptome - Schmerzen und Kinderlosigkeit - nicht immer gleichzeitig auftreten müssen. Es gibt Patientinnen, die völlig schmerzfrei sind, aber Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden. Ebenso gibt es Frauen mit starken Schmerzen, aber ohne Fruchtbarkeitsprobleme.
Prof. Krämer: Verschiedene Gründe können eine Schwangerschaft verhindern. Zum einen gibt es mechanische Ursachen durch Endometrioseherde, die zu lokalen Entzündungen, Verklebungen und Verwachsungen im Bereich der Eierstöcke und Eileiter führen. Dadurch kann der Transport von Spermien und Eizellen behindert werden. Auch in der Gebärmutter gibt es Endometrioseherde, die die Kontraktilität, also die für die Befruchtung notwendige Bewegung der Gebärmutter, stören. Die Gebärmutter ist ein Muskel und damit sich Spermien und Eizellen überhaupt treffen und sich später in der Gebärmutterhöhle einnisten können, sind feine Kontraktionen notwendig. Diese Bewegungen können durch die Endometriose beeinträchtigt werden.
Ein weiterer wichtiger Grund, warum Patientinnen mit Endometriose Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden, könnte darin liegen, dass die Endometriose die Qualität der Eizellen negativ beeinflusst - unabhängig davon, wo sich die Herde befinden. Es reicht also aus, wenn die Endometriose im kleinen Becken oder im Bauchraum lokalisiert ist, um die Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen. Man kann sich das ähnlich wie bei anderen „systemischen“ entzündlichen Erkrankungen vorstellen. Ähnlich verhält es sich bei der Endometriose: Auch wenn die Herde nicht direkt an den Eierstöcken oder Eileitern sitzen, können die durch die Entzündung freigesetzten Mediatoren (Botenstoffe) die Qualität der Eizellen verschlechtern.
Ein weiterer wichtiger Grund, warum Patientinnen mit Endometriose Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden, könnte darin liegen, dass die Endometriose die Qualität der Eizellen negativ beeinflusst...
Prof. Krämer: Die Behandlung der Endometriose basiert auf mehreren Säulen. Eine wichtige Säule ist zunächst die Schmerztherapie. Es ist wichtig zu wissen, dass nicht jede Endometriose behandelt werden muss. Die Endometriosetherapie muss außerdem immer individuell angepasst werden. Denn wie ich bereits erwähnt habe, müssen die beiden Hauptsymptome (Schmerzen und Unfruchtbarkeit) nicht immer gleichzeitig auftreten. Die Therapie richtet sich danach, was für die Patientin am dringendsten ist. Wenn die Patientin zum Beispiel hauptsächlich unter Schmerzen leidet, steht zunächst die Schmerztherapie im Vordergrund. Hier können gängige Schmerzmittel eingesetzt und bei Bedarf verstärkt werden. In besonders schweren Fällen wird ein Schmerztherapeut hinzugezogen. Die Schmerztherapie in all ihren Facetten bildet somit die erste Säule.
Die zweite Säule ist die Hormontherapie. Die Endometriose ist eine hormonabhängige Erkrankung, die sich in der Regel mit dem Eintritt in die Wechseljahre bessert, da die Hormonaktivität abnimmt. Solange sich die Patientin aber noch in der hormonell aktiven Phase befindet, versuchen wir mit verschiedenen Hormonpräparaten den Hormonzyklus zu beeinflussen. Am wirksamsten sind Gestagene, die in verschiedenen Formen - als Pille, Spirale oder in Kombination mit Östrogen - verabreicht werden können. Ziel der Gestagentherapie ist es, die Endometrioseherde "ruhig zu stellen", da das Wachstum dieser Herde durch Östrogene gefördert wird.
Die dritte Säule ist die chirurgische Therapie. Eine Operation ist notwendig, wenn Organe durch die Endometrioseherde geschädigt werden können, z.B. bei einer großen Eierstockzyste oder bei Endometrioseherden in Blase, Darm oder Harnleiter. Auch wenn eine Hormontherapie nicht den gewünschten Erfolg bringt, kann eine Operation notwendig sein. In den meisten Fällen erfolgt der Eingriff minimal-invasiv durch die sogenannte Schlüssellochchirurgie (Laparoskopie). Nur in seltenen Fällen, wenn Organe stark befallen sind, kann es notwendig sein, diese teilweise zu entfernen, zum Beispiel bei Befall des Darms oder der Harnleiter.
Wichtig ist: Nicht jede Endometriose muss operiert werden.
Es gibt keinen zwingenden Zusammenhang zwischen der Größe der Endometrioseherde und dem Ausmaß der Beschwerden. Manche Patientinnen haben starke Schmerzen bei kleinen Herden, während andere trotz großer Herde kaum Beschwerden haben. Ob eine Operation notwendig ist, wird auch hier wieder individuell entschieden. Eine absolute Operationsindikation besteht jedoch, wenn die Endometriose in den Harnleiter einwächst und den Urinabfluss behindert, unabhängig davon, ob die Patientin Schmerzen hat oder nicht.
Die vierte Säule umfasst komplementärmedizinische Ansätze. Diese können unterstützend wirken, zum Beispiel durch Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Osteopathie, Physiotherapie, Akupunktur oder bestimmte Ernährungsumstellungen. Diese Ansätze können helfen, den Entzündungsstress und die Schmerzen zu lindern, auch wenn sie die Endometriose nicht heilen.
Zusammengefasst kann man also sagen: Die vier Säulen der Endometriosetherapie sind Schmerztherapie, Hormontherapie, operative Therapie und komplementärmedizinische Maßnahmen. Jede Therapie muss individuell auf die Bedürfnisse der Patientin abgestimmt werden.
Prof. Krämer: Wir operieren heute in den meisten Fällen minimal-invasiv, was die Verweildauer im Krankenhaus deutlich verkürzt. Nehmen wir an, wir haben uns entschieden, eine Bauchspiegelung durchzuführen, um die Diagnose zu bestätigen. Bei diesem Eingriff, bei dem wir die Endometrioseherde mit Hilfe eines Laparoskops vergrößert sehen können, würden wir diese Herde möglichst direkt entfernen. Wenn es sich nur um wenige Herde handelt, kann dieser Eingriff sogar ambulant durchgeführt werden, sodass die Patientin noch am selben Tag wieder nach Hause gehen kann.
Ist die Endometriose jedoch weiter verbreitet, z.B. im Bereich der Gebärmutter, der Eierstöcke oder gar mit Befall von Darm oder Blase, so wird ggf. im Bereich dieser Organe – je nach Beschwerden - ebenfalls operiert werden. In diesen Fällen muss die Patientin mit einem Krankenhausaufenthalt von drei bis fünf Tagen rechnen. Das hängt vom Umfang der Operation ab. Da es sich um einen minimal-invasiven Eingriff handelt, ist sie nach der Operation jedoch sehr schnell wieder fit.
Nach einer Laparoskopie sollte die Patientin noch am selben Tag aufstehen und mobil sein. Sie darf laufen und wir versuchen, Katheter so schnell wie möglich zu entfernen, damit sie selbst zur Toilette gehen kann. Da die meisten jungen Frauen ansonsten gesund sind, ist es in den meisten Fällen möglich, schnell wieder mobil zu werden und in den normalen Alltag zurückzukehren. Wenn die Operation umfangreicher war, kann es eine Option sein, der Patientin eine Reha oder Anschlussheilbehandlung anzubieten. Manche Frauen empfinden das als hilfreich, weil es oft auch um Themen wie Ernährung oder Physiotherapie geht. Auch das ist sehr individuell.
Nach der Diagnose Endometriose und der Operation sollten wir der Patientin genau erklären, wie es weitergeht. Es gibt ja die zwei Hauptgründe für eine Behandlung: Schmerzen und unerfüllter Kinderwunsch. Je nachdem, was im Vordergrund steht, müssen wir die Patientin beraten:
Steht der Kinderwunsch im Vordergrund, können wir keine Hormontherapie durchführen, da wir den Zyklus erhalten müssen, um eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Nach der Operation kann die Patientin versuchen, spontan schwanger zu werden. Wenn das nicht klappt, können wir betroffene Frauen anschließend in einer Kinderwunschsprechstunde betreuen, dort werden mit dem Paar verschiedene Möglichkeiten besprochen und einigen Patientinnen können wir mit einer künstlichen Befruchtung helfen.
Wenn die Patientin jedoch sagt, dass ihr Hauptproblem die Schmerzen sind und eine Schwangerschaft nicht im Vordergrund steht, empfehlen wir nach der Operation eine Prophylaxe. Diese besteht in der Regel aus einer Hormontherapie, die über einen längeren Zeitraum eingenommen wird. Entscheidet sich die Frau später für eine Schwangerschaft, wird die Therapie abgesetzt. Häufig wird empfohlen, die Hormone im sogenannten Langzyklus einzunehmen. Das bedeutet, dass die Pille durchgehend ohne Pause eingenommen wird, um die Regelblutung zu verhindern. Das Ausbleiben der Regelblutung zeigt, dass die Hormontherapie richtig dosiert ist.
Es gibt ja die zwei Hauptgründe für eine Behandlung: Schmerzen und unerfüllter Kinderwunsch. Je nachdem, was im Vordergrund steht, müssen wir die Patientin beraten...
Prof. Krämer: Der Verlauf der Endometriose hängt stark vom individuellen Befund und der Lebensphase der Patientin ab. Wird eine ausgeprägte Endometriose nicht behandelt, kann sie fortschreiten und möglicherweise zu den genannten Organproblemen führen. Zum Beispiel kann die Endometriose den Harnleiter verengen, sodass die Niere den Urin nicht mehr richtig ableiten kann, was mit der Zeit die Niere schädigt. Ähnliches kann im Darm passieren, wenn Endometrioseherde in die Darmwand einwachsen und zu Darmverschluss oder verändertem Stuhlgang führen.
Bei kleinen Endometrioseherden ist gute Beratung geboten, um die Patientin nicht unnötig zu verängstigen: kleine Endometrioseherde müssen nämlich nicht immer sofort operativ entfernt werden. Größere Herde im Bereich der Blase, des Darms oder des Harnleiters sollten jedoch entweder operativ entfernt oder regelmäßig vom Gynäkologen kontrolliert werden. Manche Frauen entscheiden sich, größere Herde nur kontrollieren zu lassen, weil sie keine gravierenden Beschwerden haben - das ist völlig legitim. Aufgabe der Klinik oder des niedergelassenen Arztes ist es, einen Weg zu finden, diese Frauen regelmäßig zu überwachen.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass eine Endometriose unbehandelt Folgen haben kann, aber jede Patientin muss individuell beraten und betreut werden. Vor allem bei kleineren Herden reicht oft eine regelmäßige Kontrolle aus, während ausgeprägte Herde genau beobachtet oder operiert werden sollten, wenn auch entsprechend Symptome vorliegen.
Prof. Krämer: Es gibt keine spezielle Vorsorgeuntersuchung für Endometriose. Behandelt wird meist erst, wenn Symptome auftreten. Gynäkologenwerden eine Spiegel- und Tastuntersuchung und eine Ultraschalluntersuchung durchführen, um Herde zu erkennen. Kleine Herde, die sich im Bauchfell befinden, können jedoch im Ultraschall nicht sichtbar sein. Ein weiterer wichtiger Punkt: Auch wenn alle Herde entfernt wurden, kann nicht garantiert werden, dass die Endometriose nicht wieder auftritt, da es sich um eine chronisch wiederkehrende Erkrankung handelt. Nicht bei allen Frauen treten erneut Herde auf, und wenn, dann oft in geringerem Ausmaß. Es gibt auch Hinweise darauf, dass Frauen mit Endometriose ein erhöhtes Risiko für Eierstockkrebs haben könnten. Dies ist jedoch noch nicht vollständig geklärt und Gegenstand weiterer Forschung.
Es gibt keine spezielle Vorsorgeuntersuchung für Endometriose.
Prof. Krämer: Eine positive Entwicklung, vor allem im deutschsprachigen Raum, ist, dass sich die Zeit zwischen den ersten Symptomen und der Diagnose etwas verkürzt hat. Früher dauerte es oft fast 10 Jahre bis zur Diagnose, heute sind es etwa 6 bis 8 Jahre. Das ist noch nicht ideal, aber es ist eine Verbesserung. Das liegt vor allem daran, dass man mehr Bewusstsein für die Erkrankung geschaffen hat und die Medien auf die Endometriose aufmerksam machen.
Endometriose ist eine häufige, lästige, aber gutartige Erkrankung, die viele Frauen betrifft. Es ist wichtig, dass sowohl Patientinnen als auch Ärzte - nicht nur Gynäkologen, sondern z.B. auch Allgemeinmediziner, Kinderärzte, Orthopäden, Gastroenterologen und Psychosomatiker usw. - darüber Bescheid wissen. Oft sind die Symptome unspezifisch, was dazu führt, dass z.B. eine junge Frau mit 15 oder 16 Jahren mit Bauchschmerzen zum Hausarzt geht und die Diagnose Reizdarm erhält oder zum Orthopäden geschickt wird, weil es am Rücken liegen könnte.
Es ist wichtig zu erkennen, dass starke Schmerzen während der Menstruation nicht normal sind. Mädchen sollten nicht glauben, dass sie sich „zusammenreißen“ müssen, nur weil es ihrer Mutter oder Großmutter ähnlich erging. Wenn junge Frauen wegen Menstruationsbeschwerden regelmäßig in der Schule oder bei der Arbeit fehlen, ist das ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. In den letzten Jahren haben wir daran gearbeitet, das Bewusstsein dafür zu schärfen. Es ist erfreulich, dass die Endometriose langsam aus der Nische der unbeachteten Krankheiten herauskommt.
Auch medizinisch haben wir Fortschritte gemacht. Durch spezialisierte Endometriosezentren und eine bessere Zusammenarbeit mit den Arztpraxen sowie durch Aufklärungskampagnen wird die Endometriose heute stärker wahrgenommen. Außerdem können wir Endometriose heute besser diagnostizieren, weil die Ultraschallgeräte immer besser geworden sind. Früher war viel Spekulation im Spiel, heute können wir dank verbesserter Technik bestimmte Anzeichen von Endometriose schon sehr früh erkennen. Auch in der Forschung hat man vieles weiterentwickelt. Wir haben heute mehr Medikamente, die in den hormonellen Regelkreis eingreifen und so eine Behandlung der Endometriose ermöglichen.
Auch das Verständnis der Schmerzen bei Endometriose hat sich verbessert. Wir verstehen heute besser, wie Endometrioseherde und unerfüllter Kinderwunsch zusammenhängen. Es gibt noch viel zu lernen, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Ein wichtiger Teil der aktuellen Forschung besteht darin, zu verstehen, wie sich die Zellen der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter ansiedeln und wie sie mit ihrer Umgebung interagieren. Warum siedeln sie sich an bestimmten Orten an? Was geschieht mit dem Immunsystem? Gibt es Stoffwechselvorgänge, die typisch für Endometriose-Patientinnen sind? Das sind Fragen, die uns in den nächsten Jahren beschäftigen werden.
Ziel ist es herauszufinden, wie der Endometrioseherd mit seiner Umgebung interagiert und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Das könnte helfen, die Krankheit gezielter zu behandeln. Vielleicht wird es eines Tages sogar eine Impfung oder Antikörpertherapien gegen Endometriose geben. Solche Entwicklungen werden nicht von heute auf morgen stattfinden, aber es ist erfreulich zu sehen, dass die Forschung in diese Richtung geht.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 04.10.2024.