Das Sehvermögen ist das Resultat komplexer Vorgänge, an denen zahlreiche Organe des menschlichen Körpers beteiligt sind. Neben dem Auge selbst ist die Muskulatur, das Nervensystem mit den unterschiedlichen Sehnerven und das Gehirn an der optischen Wahrnehmung unserer Umwelt beteiligt.
Um ein möglichst optimales Ergebnis beim Sehen zu erreichen, müssen alle diese Komponenten unversehrt sein und reibungslos zusammenarbeiten. Kommt es zur Beeinträchtigung eines der am Sehvorgang beteiligten Organe, ist die Übertragung der Bilder vom Auge über die Sehnerven bis hin zur Komposition des Gesamtbildes im Gehirn gefährdet. Bei der Verarbeitung visueller Reize sind etwa 30 verschiedene Areale im menschlichen Gehirn beteiligt. Etwa 60 Prozent der Großhirnrinde hat Anteil an der Bewältigung und Interpretation der optischen Eindrücke.
Müdigkeit, Stress oder Überanstrengung können dafür verantwortlich sein, das vielschichtige Zusammenspiel der am Sehvorgang beteiligten Komponenten empfindlich zu stören. In der Folge kann es, neben anderen Sehstörungen, zum Doppeltsehen kommen.
Als Ursachen für Doppelbilder kommen einerseits schwere Erkrankungen des Nervensystems oder auch des Gehirns infrage. Gefährliche Infektionserkrankungen zählen hierzu ebenso wie Tumorerkrankungen des Gehirns. Das Doppeltsehen ist in diesen Fällen lediglich eine Begleiterscheinung und tritt hinter die weitaus gravierenderen Primärerkrankungen zurück. Die visuelle Wahrnehmung ist jedoch auch gegenüber sehr viel harmloseren Störungen anfällig. Eine Übermüdung, Stress oder die physische oder psychische Überanstrengung sind häufig ausreichend, um die Wahrnehmung empfindlich zu stören. Wenn die äußeren Augenmuskeln nicht mehr in der Lage sind, synchron zu arbeiten, werden die Einzelbilder der beiden Augen nicht mehr vollständig überlagert und es kommt zum Auftreten von Doppelbildern.
Die Augenmuskulatur ist kein isoliertes Muskelsystem, das seine Funktion unabhängig wahrnehmen kann, es ist vielmehr in ein komplexes Geflecht aus einer Vielzahl unterschiedlicher Muskeln eingebunden. Hierzu zählt die restliche Gesichtsmuskulatur ebenso wie die Muskulatur am Schädel, im Nacken und sogar bis in den Rücken hinein. Wenn also Muskelverspannungen beispielsweise im Bereich des oberen Rückens auftreten, können sich diese bis in die Region der Augen fortpflanzen und im ungünstigen Fall zu Sehstörungen wie das Auftreten von Doppelbildern führen. Durch Stress oder Überarbeitung bedingte Rücken- oder Nackenschmerzen können mitverantwortlich für das zeitweise Auftreten von Doppelbildern sein. Die beiden Einzelbilder können nebeneinander, übereinander oder aber auch diagonal oder verkippt zueinander positioniert sein. Wird ein Auge abgedeckt, verschwindet das ermüdungsbedingte Doppelbild.
Wenn es in wiederkehrenden Situationen zum Auftreten von Doppelbildern kommt, kann durch geeignete Verhaltensmaßnahmen unter Umständen erfolgreich gegengesteuert werden. Insbesondere die Reduzierung von Stress und das Vermeiden von Überarbeitung versprechen Erfolg. Neben der körperlichen Auflockerung in Form von kurzen, jedoch regelmäßigen Entspannungsübungen können auch mentale Entspannungstechniken eingesetzt werden. Ein erfolgversprechender Ansatz ist das von dem Berliner Psychiater J. H. Schultz in den 1930er Jahren entwickelte autogene Training. Diese aus der Hypnose abgeleitete Entspannungstechnik setzt auf die von innen heraus motivierte Entspannung.
Die Ursachen des Doppeltsehens können sehr vielfältig sein. Wenn sich ein Mensch in einer stressigen Phase oder im Zustand starker Ermüdung befindet und Doppelbilder auftreten, kann der Gemütszustand zwar der ausschlaggebende Faktor sein, er muss es aber nicht. Da auch ein Schlaganfall oder andere lebensbedrohliche Erkrankungen als Ursache infrage kommen, sollte die Ursachenforschung keinesfalls in die eigenen Hände genommen oder bei anhaltenden Beschwerden einfach abgewartet werden. Insbesondere wenn weitere Symptome wie beispielsweise Übelkeit, Schwindel oder Erbrechen hinzu kommen, sollte unbedingt und unmittelbar ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden.
aktualisiert am 19.03.2018