Als Sigmadivertikel werden in der Medizin Ausbuchtungen (Divertikel) an einem bestimmten Darmabschnitt, dem Sigmadarm oder S-Darm, bezeichnet. Der Name dieser Divertikel leitet sich von der lateinischen Bezeichnung dieses Darmabschnitts ab: Colon sigmoideum. Kommt es beispielsweise durch Stuhlansammlungen in einem Sigmadivertikel zu einer Entzündung der Ausbuchtungen, sprechen die Ärzte von einer Sigmadivertikulitis.
Der S-Darm liegt beim Menschen linksseitig in der Bauchhöhle. Es handelt sich hierbei um ein S-förmiges Verbindungsstück zwischen dem „absteigenden Ast“ (Colon descendens) des Dickdarms und dem Mastdarm. Sigmadivertikel treten definitionsgemäß ausschließlich in diesem Bereich des Darms auf. Finden sich die Ausbuchtungen in einem anderen Abschnitt des Darms, greift die Bezeichnung „Sigmadivertikel“ nicht. Jedoch ist der Sigmadarm mit Abstand am häufigsten von Divertikeln betroffen.
Bestehen mehrere Divertikel, dann wird von einer Divertikulose gesprochen (oder in dem speziellen Fall von einer Sigmadivertikulose).
Sigmadivertikel treten vor allem bei Menschen ab dem 50. Lebensjahr auf. Diese Ausbuchtungen am Darm entwickeln sich in der westlichen Welt bei nahezu allen Personen. Der Befund der Divertikulitis ist jedoch nicht bei jedem Betroffenen gegeben. Nicht immer muss es zu einer Entzündung der Divertikel im S-Darm kommen. Häufig bemerken die Betroffenen die Sigmadivertikel oder Sigmadivertikulose nicht und Ärzte entdecken die Ausbuchtungen zumeist rein zufällig. Oftmals werden die Mediziner im Rahmen von Routineuntersuchungen im Darm auf die Sigmadivertikel aufmerksam.
Sigmadivertikel können durch Darmspiegelungen, Röntgenuntersuchungen des Darms mit Kontrastmitteln und auch durch Computertomografien aufgespürt werden. Vor allem, wenn der Verdacht auf eine Sigmadivertikulitis besteht, erweisen sich diese drei Untersuchungsarten als effektiv. Die Ausbuchtungen am S-Darm lassen sich sowohl auf den Bildern einer Röntgenuntersuchung und Computertomografie als auch durch eine Darmspiegelung optisch erkennen.
Die Auslöser für Sigmadivertikel beziehungsweise für eine Sigmadivertikulose sind bis heute nicht genau bekannt. Die Forschung macht in erster Linie eine ballaststoffarme und faserarme Ernährung und die allgemeine Lebensführung des Patienten für die Entstehung der Divertikel verantwortlich. Da das Risiko auf Divertikel im fortschreitenden Alter zunimmt, sehen die Mediziner auch ein schwaches Bindegewebe als Entstehungsfaktor an. Im asiatischen und afrikanischen Raum kommen Divertikel generell weitaus seltener vor als in den westlichen Industriestaaten. Dies ist wiederum auf die ballaststoffreiche und faserreiche Ernährung in diesen Ländern zurückzuführen. Vor allem in Deutschland wird weniger Gemüse, Obst und Vollkorn gegessen als in den asiatischen und afrikanischen Ländern. Die Divertikelbildung kann zudem durch den regelmäßigen Verzehr von rotem Fleisch, durch genetische Faktoren, durch Übergewicht und durch zu wenig körperliche Betätigung begünstigt werden.
80 Prozent der Patienten mit Sigmadivertikeln bemerken die Darmausbuchtungen überhaupt nicht. Diese Personen sind komplett beschwerdefrei. Zu Symptomen kommt es erst, wenn sich die Sigmadivertikel entzünden. Der Patient leidet in diesem Fall unter einer Sigmadivertikulitis. Mit einer Entzündung der Divertikel werden jedoch nur 20 Prozent der Betroffenen mit Sigmadivertikeln konfrontiert. Häufig klagen Patienten mit einer Sigmadivertikulitis über folgende Symptome:
Ein Patient kann jahrelang mit einem Sigmadivertikel oder einer Sigmadivertikulose leben, ohne dass sich die geringsten Symptome zeigen. Wenn sich ein oder mehrere Sigmadivertikel jedoch entzünden, hat der Patient Schmerzen und fühlt sich krank. Diese Entzündungen der Sigmadivertikel entstehen in erster Linie durch Bakterien im Darm. Sammelt sich beispielsweise Kot in einem Sigmadivertikel an und bildet einen Kotstein, kann dies eine vermehrte Bakterienbildung und die Sigmadivertikulitis mit den oben genannten Symptomen nach sich ziehen.
Da es sich bei einer Sigmadivertikulitis um eine Entzündung im Darm handelt, muss diese Krankheit ernst genommen werden. Entzündungen sind generell eine Belastung für den Körper und können unbehandelt gefährliche Komplikationen nach sich ziehen. Diese Komplikationen können sogar eine lebensbedrohliche Situation für den Betroffenen hervorrufen. Vor allem bei folgenden Komplikationen durch eine Sigmadivertikulitis ist dringender Handlungsbedarf durch den Arzt angezeigt:
Bleibt eine Sigmadivertikulitis unbehandelt oder tritt sie wiederholt auf, kann es zu einer Fistelbildung im Bauchraum kommen. Unter Fisteln verstehen die Mediziner Verbindungen zwischen dem entzündeten Sigmadivertikel und weiteren Organen. Die Gefahr hierbei ist, dass sich die Entzündung vom Sigmadivertikel auf die über die Fistel verbundenen Organe ausweiten kann. Derartige Organentzündungen können sich je nach Organ und Schwere als ernste Situation für den Patienten erweisen.
Bei einer besonders schweren Sigmadivertikulitis kann es zu einer Perforation des Darms kommen. Durch einen derartigen Darmdurchbruch gelangt der Darminhalt in den Bauchraum. In vielen Fällen führt dies zu einer lebensbedrohlichen Bauchfellentzündung. Liegt ein Darmdurchbruch vor, muss der Patient umgehend notoperiert werden. Im Rahmen der OP wird das perforierte Stück Darm entnommen und die beiden Enden des Darms im Anschluss miteinander vernäht.
Bildet sich durch eine Sigmadivertikulitis Eiter in einem umschlossenen Bereich, sprechen die Mediziner von einem Abszess in der Bauchhöhle. Dieser Eiter muss mithilfe einer Punktion entfernt werden. Hierfür legt der Arzt eine Kanüle, über welche der Eiter abfließen kann. Des Weiteren kann die Punktion auch im Rahmen einer Divertikel-OP erfolgen.
Berichtet der Patient über Blutabgang über den After, so muss genau beobachtet werden, ob die Blutungen durch den Sigmadivertikel anhalten. Ist dies der Fall, muss die Blutung mithilfe eines endoskopischen Eingriffs(Darmspiegelung) zum Stillstand gebracht werden. Die Blutungen an Sigmadivertikeln werden zumeist durch geplatzte Arterien verursacht.
Eine leichte Sigmadivertikulitis lässt sich sehr gut mit einer Antibiotikatherapie behandeln. Durch eine gezielte Kombination aus Antibiotika werden die Bakterien abgetötet, welche die Entzündung an den Sigmadivertikeln verursachen. In den meisten Fällen verspürt der Patient durch die Antibiotika binnen kurzer Zeit eine Besserung der Symptome. Die Antibiotikatherapie erfolgt zumeist über sieben bis zehn Tage und wird intravenös (über die Vene) und oral (durch Einnahme der Medikamente) durchgeführt. Je nach Schwere der Sigmadivertikulitis wird die Therapie stationär oder ambulant empfohlen. Wenn die Antibiotikagabe jedoch keine Wirkung zeigt, die Sigmadivertikulitis bereits weit fortgeschritten ist oder sich Komplikationen durch die Entzündung einstellen, muss sich der Patient einer OP unterziehen.
Die Ärzte raten bei einer schweren oder wiederholten Sigmadivertikulitis, bei Fistelbildung und bei Abszessbildung zu einer operativen Entfernung des Sigmadivertikels beziehungsweise des kompletten S-Darms. Liegen bereits ein Darmdurchbruch oder starke, anhaltende Blutungen vor, ist die OP unvermeidlich. Ein derartiger Eingriff wird heutzutage mithilfe der sogenannten Schlüsselloch-Methode durchgeführt und gilt als minimal-invasiv. In einigen Fällen kann dennoch eine OP mit einem Bauchschnitt notwendig sein. Bei einem minimal-invasiven Eingriff kommt es nur zu sehr kleinen Verletzungen und Narben. Für diese Methoden werden endoskopische Werkzeuge zur Bauchspiegelung (Laparoskopie) eingesetzt. Sobald der Chirurg den S-Darm oder die Darmausbuchtung entfernt hat, werden die beiden losen Darmenden wieder miteinander verbinden. Da es sich bei dem S-Darm nur um ein kurzes Stück Darm (20 bis 30 cm) handelt, haben diese OPs in der Regel keine weitreichenden Folgen für den Patienten. Meistens werden die Patienten bereits sieben Tage nach der OP wieder aus dem Krankenhaus entlassen.
Ein künstlicher Darmausgang muss nach einer Sigmadivertikel-OP nur dann gelegt werden, wenn eine Perforation des Darms vorlag. In den meisten Fällen ist daher ein künstlicher Darmausgang nicht nötig.
aktualisiert am 01.08.2022