Eine Unterzuckerung liegt vor, wenn zu wenig Glucose im Blut vorhanden ist. Für die Unterzuckerung (Hypoglykämie) werden verschiedene Grenzwerte angegeben. Üblicherweise wird bei einem Wert von unter 70 mg/dl (Milligramm pro Deziliter) davon gesprochen, wenn es sich um einen Diabetiker handelt. Unterhalb welcher Werte es zu ausgeprägten Symptomen einer Unterzuckerung kommt, ist jedoch von Mensch zu Mensch verschieden. Bei Nichtdiabetikern wird oft der Wert 50 mg/dl angegeben, der bei einer Hypoglykämie unterschritten wird.
Diabetes mellitus steht mit Unterzuckerungen häufig im Zusammenhang. Die schwere Unterzuckerung ist die weitaus häufigste akute Komplikation der Zuckerkrankheit. Insbesondere das Spritzen von Insulin kann eine Hypoglykämie herbeiführen. Mit schnell für den Körper verfügbarem Zucker wie Traubenzuckertafeln oder Limonade kann eine Unterzuckerung häufig schon behoben werden.
Typische Hinweise auf einen zu niedrigen Blutzuckerspiegel sind:
Eine schwere Hypoglykämie kann zu folgenden Symptomen führen:
Im Allgemeinen entwickeln sich die Symptome der Unterzuckerung in einem kurzen Zeitraum.
Unterzuckerungen treten häufig während der Nacht auf. Die Steuerung der Blutzuckerwerte durch die Hormone ist während des Schlafs abgeschwächt. Zu niedrige Werte des Blutzuckers werden in der Nacht schlechter ausgeglichen als am Tag. Außerdem bemerken viele die nächtlichen Unterzuckerungen nicht. Der Schlaf wird jedoch dadurch beeinträchtigt. Am nächsten Tag fühlen sich viele Betroffene müde und schlapp, ohne zu wissen warum.
Das notfallmäßige Gegensteuern einer Unterzuckerung richtet sich nach dem Zustand des Betroffenen:
10 bis 15 Minuten später sollte bei jedem unterzuckerten Diabetiker der Blutzuckerwert gemessen werden. Sollte der Wert weiterhin bei weniger als 60 mg/dl liegen, dann ist die Aufnahme von weiterem Traubenzucker oder Süßgetränken angebracht. 30 Minuten nach dem Vorfall wird der Blutzucker noch einmal gemessen, jetzt ist der Richtwert mindestens 100 mg/dl. Im Anschluss sollte der Betroffene etwas essen, damit der Blutzuckerspiegel nicht wieder schnell absackt. Bei daraufhin zu hohen Blutzuckerwerten sollte erst einmal kein Insulin gespritzt werden. Zu beachten ist jedoch, nicht zu viel zu essen, um eine zu hohe Blutzuckerspitze zu vermeiden.
Ein Unterzucker kann entstehen, wenn mehr Glucose das Blut verlässt, als in das Blut hineingelangt. Eine Reaktion des gesunden Körpers auf einen niedrigen Blutzuckerspiegel ist, Glucose aus den körpereigenen Speichern in das Blut abzugeben. Das bedeutet, aus der Speicherform Glykogen wird die Glucose herausgelöst. Bei einigen Menschen funktioniert dies nicht richtig – oder andere Einflüsse führen dazu, dass zu viel Glucose verbraucht oder zu wenig Glucose bereitgestellt wird. In den allermeisten Fällen hat eine Unterzuckerung mit dem Hormon Insulin zu tun, welches den Blutzuckerspiegel senkt.
Diabetiker haben mit einer Unterzuckerung zu kämpfen, wenn sie sich zu viel Insulin zuführen. Das Problem kann ebenso auftreten, wenn sie Medikamente einnehmen, die den Insulinspiegel erhöhen. Besonders Sulfonylharnstoffe sind zu erwähnen, zu denen beispielsweise die Mittel Glibenclamid und Glimepirid gehören. Insulin sorgt unter anderem für die Aufnahme von Glucose in die Zellen und senkt daher den Blutzuckerspiegel. Manche Nicht-Diabetes-Medikamente wie beispielsweise Chinin können ebenso eine Unterzuckerung bedingen.
Menschen, die weniger Nahrung als sonst zu sich nehmen, können in eine Unterzuckerung hineingeraten. Manchmal passiert es, dass Diabetiker sich Insulin für eine bevorstehende große Mahlzeit spritzen, dann aber doch nicht genug Nahrhaftes zu sich nehmen. Wenn sich zu viel Fett oder Protein in der Nahrung befinden, kann es lange dauern, bis der Kohlenhydratanteil aufgenommen werden kann – auch hier kann eine Unterzuckerung entstehen.
Der Zuckerverbrauch kann ebenfalls ausschlaggebend sein. Wer plötzlich ein hohes Sportpensum oder körperlich anstrengende Tätigkeiten ausübt, kann den hohen Bedarf an Glucose zu spüren bekommen.
Ein weiterer Faktor ist Alkohol. Dieser kann bei Diabetikern, die sich Insulin oder Diabetes-Medikamente zuführen, zur Unterzuckerung führen. Der Alkohol beansprucht eine hohe Kapazität der Leber, um diesen abzubauen. Einer Senkung des Blutzuckerspiegels kann die Leber damit nicht mehr gut entgegensteuern. Normalerweise gibt die Leber bei niedrigem Blutzucker Glucose in das Blut ab.
Die Erkrankung Diabetes mellitus Typ 2 führt im Anfangsstadium zu einer vermehrten Bildung von Insulin. Ziel des Körpers ist es, die schlechte Wirkung des Insulins auf die Zellen damit auszugleichen. Nach einer Mahlzeit kann die hohe Menge an Insulin jedoch bewirken, dass besonders viel Glucose, die ins Blut gelangt ist, in die Zellen aufgenommen wird. Zu wenig Glucose bleibt letztendlich im Blut und der Körper ist schnell unterzuckert (postprandiale Hypoglykämie).
Bei einem Baby kann es nach der Geburt zu einer Phase der Unterzuckerung kommen, wenn die Mutter an einem Diabetes leidet. In der Schwangerschaft bildet der Körper des Kindes vermehrt Insulin, um die Glucose zu verarbeiten, die es von der Mutter bezieht. Beim Neugeborenen liegt dann ein hoher Insulinspiegel vor, während der Blutzucker niedrig wird.
Ferner können verschiedene Erkrankungen eine Hypoglykämie verursachen. Dazu gehören Krankheiten, bei denen zu wenig Glucose über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen werden kann, Erkrankungen der Leber oder der Nieren, Morbus Addison (Funktionsstörung der Nebennierenrinde), Glykogen-Speicherkrankheiten (Glykogenosen) oder Tumorerkrankungen. Ein sehr seltener Tumor ist das Insulinom, das sich in der Bauchspeicheldrüse bilden kann und Insulin ausschüttet. In der Regel ist es gutartig, ruft aber häufige Unterzuckerungen hervor.
Manche Diabetiker spüren eine (drohende) Unterzuckerung nicht. Hier wird von einer Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung gesprochen. Gründe dafür können ein lange bestehender Diabetes mellitus oder ein häufiges Auftreten der Unterzuckerungen sein.
Die Hypoglykämie wirkt sich insbesondere auf das Gehirn aus. Eine zu schwere Unterzuckerung ist lebensbedrohlich. Gefährlich werden können Krampfanfälle und Bewusstseinsverluste. Dadurch, dass die Wahrnehmung, die Konzentration, das Bewusstsein und die Koordination bei einer starken Unterzuckerung verschlechtert sind, werden Unfälle begünstigt. Das kann nicht nur zur Gefahr für Betroffene werden, sondern auch für andere Personen.
Zudem können Langzeitfolgen auftreten. Häufige Unterzuckerungen erhöhen die Gefahr, eine Demenz (starkes Nachlassen der geistigen Leistung) zu entwickeln. Je häufiger ein Mensch an Unterzuckerungen leidet, umso schlechter nimmt er sie außerdem wahr und umso ineffektiver ist die Antwort des Körpers darauf. Dies kann sich als eine Art Teufelskreis weiter verstärken.
Auf das Herz-Kreislauf-System wirkt sich die Hypoglykämie ebenfalls aus. Unter anderem führen Hormone wie Adrenalin, die vermehrt ausgeschüttet werden, zu einem erhöhten Blutdruck und einem schnellen Puls. Die Unterzuckerungen begünstigen Herzrhythmusstörungen und Herzinfarkte.
Wer mehrmals pro Woche oder häufiger unterzuckert ist, sollte sich kurzfristig beim Arzt vorstellen. Menschen, die keinen bekannten Diabetes haben und den Verdacht haben, oft unterzuckert zu sein, sollten ebenfalls zum Arzt gehen. Anhand der Symptome, der Krankengeschichte und der Ernährungsgewohnheiten erhält der Arzt bereits Hinweise, was der Grund für die Beschwerden ist. Zur Abklärung ist es wichtig, den Blutzucker zu bestimmen. Besonders aufschlussreich ist der Blutzuckerwert, wenn gerade eine Unterzuckerung vorliegt. Das kann über einen Schnelltest geschehen. Wenn sich das Beschwerdebild durch Zufuhr von Kohlenhydraten leicht wieder beheben lässt, ist das ein deutlicher Hinweis auf die Hypoglykämie. Gegebenenfalls kann der Arzt einen Versuch durchführen, wie der Körper und der Blutzucker des Patienten auf einen bestimmten Zeitraum ohne Nahrungsaufnahme reagieren.
Um Hypoglykämien rechtzeitig erkennen zu können, ist das häufige Testen des Blutglucose-Wertes sinnvoll. Schwere Unterzuckerungen lassen sich damit oft vermeiden und der Blutzucker kann auf einem normalen Niveau gehalten werden. Der Diabetologe kann beratend zur Seite stehen, wann und wie oft der Blutzucker getestet werden soll. Vor dem Autofahren oder dem Bedienen von Maschinen ist ein Blutzuckertest ratsam, wenn Unterzuckerungen häufiger vorkommen. Gleiches gilt für Tätigkeiten mit erhöhtem Risiko von Unfällen.
Bevor man für einige Stunden das Haus verlässt, ist es angebracht, etwas zu essen. Wer für längere Zeit rausgeht, sollte sich etwas zu essen mitnehmen, das den Körper mit Kohlenhydraten versorgt. Beispiele für geeignete Snacks für unterwegs sind Obst oder Trockenobst, Müsliriegel, Gebäck oder auch Obstsäfte.
Vor Sport oder anderen körperlich anstrengenden Aktionen sollten Diabetiker, die anfällig für Hypoglykämien sind, auf einige Punkte achten. Ein bis zwei Stunden vorher sollten sie den Blutzucker messen und bei Bedarf eine Mahlzeit zu sich nehmen. Geht die Aktivität länger als circa eine Stunde, essen die Ausübenden am besten zwischendurch etwas. Hier eignen sich neben anderen Snacks Energieriegel oder auch energiereiche Sportgetränke. Nach dem Sport sollte erneut der Blutzucker gemessen werden sowie in der Folge alle zwei bis vier Stunden bis zur Nachtruhe. Sport zu kurz vor dem Schlafengehen sollte vermieden werden. Der Effekt der Blutzuckersenkung nach dem Sport kann sich bis zu 24 Stunden danach noch bemerkbar machen.
Wer nachts an zu niedrigem Blutzucker leidet, kann dem entgegenwirken, indem er abends noch etwas Kleines isst, was lange vorhält. Alkoholkonsum am Abend sollte unterbleiben.
Bei gestörter Wahrnehmung von Unterzuckerungen sind Schulungen sinnvoll, bei denen Betroffene trainieren, den Zustand besser zu bemerken. Kliniken oder Praxen mit diabetologischem Schwerpunkt bieten diese Schulungen an.
Gemeinsam mit dem Diabetologen können Patienten Ernährungspläne entwerfen, die die Tendenz zum Unterzucker berücksichtigen. Wichtig ist es, sich dann auch an diese Pläne zu halten und sie regelmäßig mit dem Diabetologen zu überprüfen und anzupassen.
Bei Diabetikern mit häufigen Unterzuckerungen oder einer beeinträchtigten Wahrnehmung von Unterzucker kommt ein sogenanntes CGM-System in Frage. Das ist ein kleines Gerät, das in kurzen Zeitabständen rund um die Uhr den Glucosewert des Patienten misst. Abweichungen von den Normalwerten fallen mit dem Gerät rasch auf. Einer Unterzuckerung kann kurzfristig entgegengewirkt werden.
Patienten sollten andere Menschen in ihrem Umfeld darauf hinweisen, dass sie eine Unterzuckerung bekommen könnten. So wissen Angehörige oder andere Beteiligte Bescheid. Sie können eventuelle Symptome bis hin zum Bewusstseinsverlust als Verdacht auf eine Hypoglykämie deuten und die richtigen Maßnahmen treffen.
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aktualisiert am 20.08.2020