Circa ein Prozent der werdenden Mütter geht mit einem vorher bestehenden Diabetes mellitus in die Schwangerschaft. Davon entfallen etwa 80 Prozent auf Typ-1-Diabetikerinnen, etwa 20 Prozent auf Frauen mit Typ-2-Diabetes. Häufiger kommt es vor, dass ein Diabetes mellitus erst in der Schwangerschaft entsteht. Dieser Schwangerschaftsdiabetes oder Gestationsdiabetes tritt bei rund 4,5 Prozent aller Schwangerschaften auf. Der Schwangerschaftsdiabetes verschwindet nach der Geburt meist wieder.
Die Anzahl der von Diabetes betroffenen Schwangeren nimmt in Deutschland zu. Zum einen liegt es daran, dass das Durchschnittsalter der werdenden Mütter steigt. Zum anderen haben immer mehr Frauen bereits vor der Schwangerschaft Übergewicht – ein Risikofaktor für Diabetes Typ 2 und für Gestationsdiabetes.
Jede Schwangerschaft einer Diabetikerin ist als Risikoschwangerschaft kategorisiert. Sie erfordert häufige, genaue Kontrolluntersuchungen, um Gefahren frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegenwirken zu können. Eine gute Einstellung des Blutzuckers (Glucose im Blut) ist von großer Bedeutung, um die Schwangerschaft sicher und reibungslos austragen zu können.
Hinweis: In diesem Artikel geht es vorrangig um Schwangere, die einen bereits bestehenden Diabetes haben. Hier finden Sie weitere Informationen zur Schwangerschaftsdiabetes.
Wie hoch das Risiko für Folgen des Diabetes auf das Kind ist, hängt davon ab, wie gut bei der Mutter der Blutzuckerwert eingestellt ist. Ist der Blutzucker der werdenden Mutter hoch, dann ist das auch im Organismus des Kindes der Fall. Das führt zu einer vermehrten Bildung des Hormons Insulin durch die kindliche Bauchspeicheldrüse. Bereits vor der Geburt kommt es durch den hohen Blutzuckerspiegel und die erhöhte Menge an Insulin im Körper zur Gewichtszunahme. Diese kann starke Ausmaße annehmen, was als Makrosomie bezeichnet wird. Für die Entbindung bedeutet das hohe kindliche Gewicht ein Hindernis für den ohnehin schon engen Geburtsweg. Das Baby passt wegen seiner Größe nur schwierig hindurch.
Die Insulinproduktion durch die Bauchspeicheldrüse im Organismus des Ungeborenen ist von vornherein hoch. Das erschwert es dem Kind im späteren Leben, das Körpergewicht im normalen Rahmen zu halten. Das erhöhte Geburtsgewicht ist wie das spätere Übergewicht ein Faktor, der die eigene Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2 begünstigt.
Durch schlecht eingestellten Blutzucker kann es bei Diabetes in den frühen Wochen einer Schwangerschaft zu Organfehlbildungen beim Baby kommen. Häufig und mit schweren Auswirkungen verbunden sind Fehlentwicklungen von Herz, Lungen oder dem Nervensystem. Weitere mögliche Fehlbildungen können die Harnwege, das Gallengangsystem, die Milz oder das Skelett betreffen.
Die Lungen können bei Kindern von Diabetikerinnen zudem spät ausreifen, was nach der Geburt zu Atemschwierigkeiten führen kann.
Das Risiko für Frühgeburten ist erhöht, insbesondere weil häufiger als bei anderen Schwangeren Harnwegs- oder Geschlechtsinfektionen auftreten können. Fehlgeburten (Aborte) treten bei Diabetikerinnen ebenfalls häufiger auf als bei Frauen mit gesundem Stoffwechsel.
Akut kann es nach der Geburt zu einer schweren Unterzuckerung des Neugeborenen kommen. Das viele Insulin senkt den Blutzuckerspiegel stark ab, ohne dass neue Glucose aus dem Blut der Mutter nachkommt. Erst nach Verzögerung stellt die Bauchspeicheldrüse des Kindes weniger Insulin her.
Für die Mutter geht die Schwangerschaft bei Diabetes mellitus mit einem erhöhten Risiko für Folgeschäden einher. Diese können unter anderem Nerven (Polyneuropathie), Nieren (Nephropathie) und Augen (diabetische Retinopathie) betreffen. Ein Bluthochdruck in der Schwangerschaft kann ebenfalls entstehen. Tritt dieser zusammen mit einer erhöhten Eiweißausscheidung im Urin auf, spricht man von einer Präeklampsie, die eine Komplikation der Schwangerschaft darstellt. Ferner kann sich eine Schilddrüsenüberfunktion oder Schilddrüsenunterfunktion entwickeln.
Typ-1-Diabetikerinnen können insbesondere in der ersten Hälfte der Schwangerschaft oft unterzuckert sein. Diese Hypoglykämie tritt häufig nachts auf, wenn die Frau länger keine Nahrung zu sich genommen hat. Für das Ungeborene haben gelegentliche Unterzuckerungen anscheinend keine nennenswerten Folgen, wohl aber für die Mutter.
Eine Übersäuerung des Körpers (diabetische Ketoazidose) kann eintreten, wenn der Insulinspiegel zu niedrig ist. Dabei handelt es sich um einen Notfall.
Für Frauen mit Diabetes mellitus, die ein Kind wünschen, ist es zu empfehlen, die Schwangerschaft gut zu planen. Ist eine Frau unvorbereitet schwanger geworden, dann sollte sie sich zeitnah beim Gynäkologen und in der Praxis für Diabetologie vorstellen. Diese Fachärzte und Fachkräfte betreuen und beraten die Schwangere auch während der Zeit als werdende Mutter, ebenso wie eine Hebamme.
Zusammen mit den Diabetes-Fachleuten sollte, wenn möglich, bereits vor der Schwangerschaft der Diabetes gut eingestellt werden. Eine Reihe von Untersuchungen ist ebenfalls angebracht, um verschiedene Werte zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren:
Während der Schwangerschaft ist es wichtig, alle notwendigen Untersuchungen vornehmen zu lassen. Die Vorsorgeuntersuchungen werden gegebenenfalls häufiger vorgenommen als bei schwangeren Nicht-Diabetikerinnen. Neben der regelmäßigen Blutzuckerkontrolle, die meist von der Schwangeren selbst durchgeführt wird, sind diese Kontrollen wichtig:
Am besten ist es, die Geburt in einem Perinatalzentrum, einer Einrichtung für die Versorgung von Neugeborenen und Frühgeborenen und deren Mütter, zu planen.
Die richtige Blutzucker-Einstellung ist bei Schwangeren eine Herausforderung. Hormonelle Schwankungen führen zu Unregelmäßigkeiten. Am Anfang der Schwangerschaft (ungefähr bis zur 14. Woche) brauchen Frauen weniger Insulin als vorher. Ab etwa der Mitte der Schwangerschaft kommt es zu einem starken Anstieg des Bedarfs. Die Geburt führt wieder zur Verminderung des Insulinbedarfs.
In der Schwangerschaft sind, wenn ein Typ-1-Diabetes vorliegt, täglich sieben Blutzuckerbestimmungen erforderlich, um den Zuckerwert bestmöglich zu steuern. Folgende Messzeitpunkte für den Blutzucker sind empfehlenswert:
Diese Werte für den Blutzucker gelten als ideal:
Ein über den Tag verteilt mittlerer Blutzuckerwert von 85–105 mg/dl (4,7–5,8 mmol/l) sollte das Ziel sein.
Eine gute Ernährung in der Schwangerschaft mit Diabetes sieht nicht anders aus als die gesunde Ernährungsweise von Frauen ohne die Erkrankung. Das bedeutet eine ausgewogene Auswahl an Nahrungsmitteln mit viel pflanzlicher und weniger tierischer Kost. Bedacht werden sollte der ansteigende Nährstoff-, Vitamin- und Mineralienbedarf. Auf Zucker sollte weitgehend verzichtet werden.
Bei Kohlenhydrat-Lebensmitteln wie Brot oder Pasta ist es besser, die Vollkornvariante statt der „weißen“ Produkte zu verzehren. Nach der Mahlzeit steigt der Blutzucker damit nicht so stark an und die Sättigung hält länger. Außerdem liefern die Vollkornlebensmittel viele wichtige Nährstoffe.
Gerade während des ersten Drittels der Schwangerschaft ist die Neigung zu einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) erhöht. Sowohl Überzuckerungen als auch Unterzuckerungen sollten vermieden werden. Dies erfordert eine gute Einstellung des Diabetes. Allerdings ist nicht genau bekannt, ob das Kind durch Unterzuckerungen gefährdet wird. Um Unterzuckerungen während der Nacht zu verhindern, ist es sinnvoll, abends noch etwas Kleines zu essen. Optimal sind Mahlzeiten, die Kohlenhydrate und Proteine vereinen, beispielsweise Vollkornbrot und Quark oder Früchte und Joghurt.
Empfohlen wird auch eine Einnahme von Jod und Folsäure. Neben einer jodreichen Ernährung sollten die Frauen mindestens 200 μg (Mikrogramm) Jod täglich einnehmen. Folsäure wird in einer Menge von 0,4 bis 0,8 mg täglich für den Zeitraum vier Wochen vor der Empfängnis bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche empfohlen.
Dass werdende Mütter zum Schutz der Schwangerschaft und des Kindes nicht rauchen, sollte selbstverständlich sein.
Typ-2-Diabetikerinnen, die schwanger werden möchten und übergewichtig sind, wird eine Gewichtsabnahme (nicht nur) zum Wohl des Kindes empfohlen. Im Verlauf einer Schwangerschaft sollten Frauen das Abnehmen aber sein lassen.
Hormone wie Progesteron, Östrogen, Cortisol oder Prolactin werden bei einer Schwangerschaft vermehrt ausgeschüttet. Das führt zu einer verminderten Wirkung des Insulins an den Körperzellen. Diabetikerinnen, die sich Insulin spritzen, müssen gegebenenfalls die Dosis erhöhen. Dies wird in einer Beratung durch den Diabetologen geklärt. Insulin überwindet die Grenze zwischen kindlichem und mütterlichem Blut (Plazentaschranke) nicht. Das ungeborene Kind stellt in seiner Bauchspeicheldrüse selbst bereits Insulin in ausreichender Menge her. Die Glucose aus dem Blut der Mutter tritt hingegen hindurch und dient der Energieversorgung des Babys.
Im Geburtszeitraum ist ein Blutzuckerwert von 90 bis 130 mg/dl (5,0 bis 7,2 mmol/l) anzustreben. Der Blutzucker wird im ein- bis zweistündigen Abstand gemessen, damit bei zu niedrigen oder hohen Werten rasch gegengesteuert werden kann. Ein zu niedriger Blutzuckerspiegel kann die Wehen beeinträchtigen.
Ist das Kind am errechneten Termin noch nicht geboren und tut sich noch nichts hinsichtlich einer bevorstehenden Geburt, dann erfolgt meist die Einleitung des Geburtsvorgangs. Wiegt das Kind vermutlich über 4500 Gramm, dann empfiehlt sich oft ein Kaiserschnitt.
Die frischgebackene Mutter und ihr Baby müssen nach der Entbindung eingehend betreut werden. Das geschieht am besten in einem Perinatalzentrum.
Weil der Organismus der Mutter nun weniger Insulin braucht, besteht in den nächsten Stunden eine erhöhte Gefahr der Unterzuckerung. Die verabreichte Insulinmenge muss gut darauf abgestimmt werden. Die benötigte Insulindosis ist oft vergleichbar mit derjenigen vor der Schwangerschaft. Im Abstand von vier bis sechs Stunden wird bei der Mutter jeweils der Blutzucker gemessen. Beim Neugeborenen erfolgen am ersten Tag Blutzuckerkontrollen im dreistündigen Abstand. Bei ihnen droht ebenfalls eine Unterzuckerung, der entgegengewirkt werden muss.
Das Baby sollte so früh wie möglich gestillt werden, am besten schon in der ersten halben Lebensstunde. Ist es noch nicht bereit, richtig zu saugen, dann kann ihm die erste Milch aus der mütterlichen Brust über eine Pipette verabreicht werden.
Mütter mit Diabetes sollten ihren Säugling mindestens für das erste halbe Jahr stillen. Die Gabe von Muttermilch senkt die Wahrscheinlichkeit eines späteren Übergewichts und eines späteren Diabetes mellitus beim Nachwuchs. Da Stillen besonders wichtig für das Baby einer Diabetikerin ist, ist es während der Schwangerschaft sinnvoll, bei einem Stillkurs mitzumachen.
Die Zeugungsfähigkeit der Frau wird normalerweise durch einen Diabetes mellitus nicht herabgesetzt. Ein unerfüllter Kinderwunsch bei einer Diabetikerin liegt häufig in anderen Krankheiten begründet wie dem PCOS (polyzystischen Ovarialsyndrom). Diese Erkrankung bringt den Hormonhaushalt aus dem Gleichgewicht und kann zu Zyklusstörungen führen. Diese können die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
Zyklusstörungen treten oft bei Typ-1-Diabetikerinnen auf, können jedoch meist durch eine intensivierte Insulintherapie gebessert werden. Bei Zyklusstörungen von Typ-2-Diabetikerinnen aufgrund von PCOS kann oft schon eine Gewichtsabnahme zur Besserung führen.
Bei Männern können Potenzstörungen aufgrund von Gefäß- und Nervenschäden im Rahmen eines Diabetes entstehen. Grund der Zeugungsunfähigkeit kann hier somit ein bisher nicht aufgefallener Diabetes Typ 2 sein. Häufig kann bereits die Besserung der Lebensführung mit gesunder Ernährung und mehr körperlicher Aktivität dem Diabetes entgegenwirken.
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familienplanung.de – Diabetes und Schwnagerschaft: https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/beschwerden-und-krankheiten/schwanger-mit-einer-chronischen-erkrankung/diabetes-und-schwangerschaft/ (online, letzter Abruf: 27.08.2020)
aktualisiert am 27.08.2020