Die intensivierte Insulintherapie ist ein Behandlungsprinzip mit Insulin bei Diabetes mellitus. Sie wird auch intensivierte konventionelle Insulintherapie (abgekürzt aus dem Englischen: ICT) genannt. Anders als bei der konventionellen Insulintherapie spritzt sich der Diabetiker nicht nur ein Grundinsulin, sondern ergänzt dieses je nach Bedarf. Das ermöglicht einen flexibleren Umgang mit dem Tagesablauf, den Mahlzeiten und körperlichen Aktivitäten. Der Blutzucker nähert sich damit dem normalen Verlauf bei Nichtdiabetikern an. Voraussetzung ist allerdings, den Blutzuckerwert immer wieder zu bestimmen und den Bedarf an Zusatzinsulin jedes Mal zu errechnen. Eine intensivierte Insulintherapie ist auch mit einer Insulinpumpe möglich.
Die intensivierte Insulintherapie ist eine Standardmethode bei Diabetikern, die Insulin benötigen. Sie wird insbesondere von Personen mit Diabetes mellitus Typ 1 durchgeführt. Für einige Typ-2-Diabetiker, die Insulin benötigen, kommt sie ebenfalls in Frage. Die ICT ist eine gute Methode für Menschen, die ihr Leben aktiv und selbstbestimmt führen.
Die intensivierte Insulintherapie ist allerdings nicht für alle insulinpflichtigen Diabetiker die richtige Lösung. Gegen die ICT können folgende Punkte sprechen:
Im Einzelfall können erfahrene Diabetologen gemeinsam mit dem Patienten die richtige Behandlungsstrategie finden.
Wer die intensivierte Insulintherapie nutzen möchte, benötigt zudem eine eingehende Schulung. Sonst besteht die Gefahr, Fehler in der Anwendung der ICT zu machen und dadurch in gefährliche Stoffwechselsituationen zu kommen. Die Schulung kann in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis erfolgen. In der Schulung lernt der Patient unter anderem, das benötigte Insulin möglichst gut zu errechnen und drohende Stoffwechselentgleisungen (Unterzuckerung, Überzuckerung) frühzeitig zu bemerken.
Die ICT funktioniert nach dem sogenannten Basis-Bolus-Prinzip. Das bedeutet:
Das Basisinsulin (Basalinsulin) spritzt sich der Anwender zu regelmäßigen Zeitpunkten. Damit wird die stetige geringe Absonderung von Insulin in das Blut durch die Bauchspeicheldrüse nachgeahmt. Als Basalinsulin können lang oder mittellang wirksame Insulin-Präparate verwendet werden. Insulin-Analoga eignen sich ebenfalls, dies sind künstlich produzierte Mittel aus leicht abgewandeltem Insulin. Insgesamt macht das Basisinsulin circa die Hälfte der zugeführten Insulinmenge aus.
Zur Nahrungsaufnahme injiziert sich der Patient jeweils eine mehr oder weniger große Dosis eines Insulins von kurzer Wirkdauer. Mit der Nahrung kommt als Energieträger Glucose im Blut an. Um es zu verwerten, benötigt der Körper mehr Insulin als zu nüchternen Zeiten. Das Insulin wird bei Gesunden als Reaktion von der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet. Die zusätzliche Insulinspritze als Bolus bei der ICT bewirkt einen raschen Rückgang des Blutzuckerspiegels. Dementsprechend kommt ein Insulin-Präparat mit kurzer Wirksamkeit zum Einsatz. Geeignet ist beispielsweise Normalinsulin, dieses hat eine Wirkungsdauer von etwa fünf Stunden. Um die Menge des benötigten Insulins vor der Mahlzeit zu bestimmen, muss der Blutzucker gemessen und die bevorstehende Kohlenhydrataufnahme geschätzt werden.
Dies lässt sich anhand der Kohlenhydrateinheiten (KE) oder Broteinheiten (BE) umsetzen. In Deutschland gilt als eine Kohlenhydrateinheit 10 Gramm Kohlenhydrate, als eine Broteinheit 12 Gramm Kohlenhydrate. Eine Broteinheit steckt etwa in einer kleinen Scheibe von Weißbrot, in 100 Milliliter gewöhnlicher Limonade (keine Light- oder Zero-Limonade) oder in einem Apfel. Broteinheiten lassen sich nicht sehr genau angeben und sind Schätzwerte. Aus dem Wert der Blutzuckermessung, aus den bevorstehenden Brot- oder Kohlenhydrateinheiten und aus den kommenden körperlichen Betätigungen lässt sich der Insulinbedarf berechnen. Dazu fließt noch ein individueller Faktor mit ein, der bei jedem Diabetiker unterschiedlich ist (BE-Faktor), sowie ein Korrekturwert. Die ermittelte Dosis an Insulin spritzt sich der Patient circa 15 Minuten vor den Mahlzeiten.
Die Zufuhr des Insulins geschieht aktuell meist mit Insulin-Pens. Dabei handelt es sich um stiftartige Vorrichtungen, mit denen sich die Diabetiker das Hormon bequem und in der benötigten Dosis in das Unterhautfettgewebe injizieren können. Über herkömmliche Insulinspritzen lässt es sich ebenfalls zuführen.
Gegenüber der konventionellen Insulintherapie hat die intensivierte Therapie den Vorteil, sich an den tatsächlichen Bedarf an Insulin anzupassen. Die Menge an Insulin im Körper sowie in der Folge auch der Blutzuckerspiegel ähneln den natürlichen Werten im Tagesverlauf von Nicht-Diabetikern. Der Blutzuckerspiegel kann insgesamt besser eingestellt werden als bei der konventionellen Therapie. Sowohl Komplikationen wie Über- oder Unterzuckerungen als auch Folgeschäden an Gefäßen, Nerven, Augen, Nieren, dem Fuß oder anderen Organen können besser verhindert werden. Zudem können insulinpflichtige Diabetiker durch die ICT ihren Tag freier gestalten als mit der konventionellen Therapie. Sie passen die Therapie an das Essen und Trinken und an die körperliche Aktivität an und nicht umgekehrt.
Als Nachteil zu nennen ist der höhere Aufwand gegenüber der konventionellen Behandlung. Insulin muss häufiger gespritzt werden, die erforderliche Dosis muss bestimmt werden, der Blutzucker muss häufiger gemessen werden. Die Berechnung ist nicht immer einfach. Zum Aufwand gehört auch, dass der Patient genau zur Handhabung der Therapie geschult werden muss.
Die intensivierte Insulintherapie lässt sich auch mit einer Pumpe durchführen. Eine Insulinpumpe trägt der Diabetiker ständig mit sich am Körper, sie verfügt über einen Zugang zum Unterhautgewebe. Mit der Insulinpumpe wird das Insulin automatisch zugeführt. Sie lässt sich bedarfsgerecht programmieren. Dabei kommt meist ein Schema zum Einsatz, das der intensivierten Insulintherapie entspricht. Die Pumpe gibt das Basalinsulin im Gegensatz zur ICT jedoch kontinuierlich als kurz wirksames Normalinsulin ab. Der Patient führt sich durch Knopfbedienung das zusätzliche Insulin vor den Mahlzeiten zu.
Diabetes News – Die intensivierte-konventionelle-Insulintherapie (ICT): https://www.diabetes-news.de/wissen/therapie-typ-1/intensivierte-konventionelle-insulintherapie-ict (online, letzter Abruf: 10.08.2020)
Mayo Clinic – Intensive insulin therapy: Tight blood sugar control: https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/diabetes/in-depth/intensive-insulin-therapy/art-20043866 (online, letzter Abruf: 10.08.2020)
diabinfo, Prof. Dr. Andreas Fritsche; Andreas Vosseler M.A. – Insulintherapie: https://www.diabinfo.de/leben/behandlung/insulintherapie.html (online, letzter Abruf: 10.08.2020)
diabetesDE – Wie werden Broteinheiten (BE) berechnet: https://www.diabetesde.org/broteinheiten-berechnet (online, letzter Abruf: 10.08.2020)
aktualisiert am 10.08.2020