Diabetes mellitus Typ 1 ist eine Erkrankung, bei der die Bauchspeicheldrüse nicht mehr die erforderliche Menge Insulin herstellen kann. Um den Blutzuckerspiegel zu senken und den Stoffwechsel zu normalisieren, müssen Patienten von außen Insulin zuführen. Trotz der heutigen Behandlungsmöglichkeiten lässt sich in den dazu durchgeführten Studien eine verkürzte Lebenserwartung erkennen. Im Durchschnitt zeigt sich eine Verminderung der Lebenserwartung von über zehn Jahren gegenüber der Allgemeinbevölkerung.
Pauschal lässt sich die Lebensdauer bei Typ-1-Diabetes aber nicht vorhersagen. Dementsprechend gibt es viele Typ-1-Diabetiker, die sich auch im hohen Lebensalter abgesehen von der gut eingestellten Zuckerkrankheit bester Gesundheit erfreuen. Voraussetzung für ein langes Leben mit Diabetes Typ 1 ist, eine Therapie mit Insulin dauerhaft konsequent durchzuführen.
Ohne jegliche Behandlung mit Insulin liegt die Lebenserwartung bei Diabetes Typ 1, vom Zeitpunkt der Diagnosestellung an gemessen, bei unter drei Jahren. Durch die Therapie ändern sich die Aussichten drastisch. Was für die Allgemeinbevölkerung gilt, ist auch bei Patienten mit Diabetes Typ 1 der Fall: Die Lebenserwartung ist im Laufe der vergangenen Jahrzehnte immer weiter gestiegen. In Deutschland leben derzeit weit über 100.000 Typ-1-Diabetiker, die über 70 Jahre alt sind.
Der Einfluss der Zuckerkrankheit vom Typ 1 auf die Lebenszeit ist ein wiederholtes Thema von Studien. In einer Untersuchung der Universität Dundee (Schottland) zeigte sich eine verkürzte Lebenserwartung um rund 11 Jahre bei männlichen Betroffenen und um rund 13 Jahre bei weiblichen Patientinnen. Wie gut dies auf Deutschland übertragbar ist, ist unklar, da verschiedene Risikofaktoren und die Langzeit-Blutzucker-Einstellung (HbA1c-Wert) eine Rolle spielen.
Ein Diabetes mellitus Typ 1 entwickelt sich in den meisten Fällen im Kindesalter, bei Jugendlichen oder im jungen Erwachsenenalter. Das bedeutet, die Patienten haben bereits früh im Leben und entsprechend lange mit der Erkrankung zu tun. Kurzum, es handelt sich um einen langen Krankheitszeitraum, in dem sich Komplikationen und Schäden entwickeln können. Im Gegensatz dazu tritt Diabetes mellitus Typ 2 größtenteils im fortgeschrittenen Lebensalter auf.
Die meisten Menschen mit Diabetes Typ 1 versterben aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Vor allem ein erhöhtes Risiko für die koronare Herzkrankheit (Veränderungen der Herzkranzgefäße) spielt eine große Rolle. Die koronare Herzkrankheit kann zu einem Herzinfarkt führen.
Einen Einfluss auf die Sterblichkeit übt auch die Nierenfunktion aus. Bestehende Nierenfunktionsstörungen führen im Durchschnitt zu früheren Todesfällen der Typ-1-Diabetiker. Die Nierenfunktion lässt sich anhand des Wertes der glomerulären Filtrationsrate ablesen. Die Prognose ist zudem verschlechtert, wenn vermehrt Eiweiß im Urin auftritt (Albuminurie). Dennoch ist bei guten Nierenwerten die Lebensspanne immer noch um etwa acht Jahre verkürzt, wenn eine Zuckerkrankheit vom Typ 1 vorliegt.
Das metabolische Syndrom birgt ein erhöhtes Risiko. Mit dem Begriff metabolisches Syndrom wird das gemeinsame Auftreten von Übergewicht, Bluthochdruck, schlechten Blutfettwerten und verminderter Wirkung von Insulin an den Körperzellen (Insulinresistenz) bezeichnet. Dies alles kann bei Personen mit Diabetes Typ 1 gleichermaßen wie bei anderen Menschen auftreten. Die Insulinresistenz ist ein Merkmal von Diabetes Typ 2 und kann beim Diabetes Typ 1 zusätzliche Schwierigkeiten bereiten. Bei den Blutfetten wirkt sich ein erhöhter Cholesterinspiegel ungünstig aus, ein hoher HDL-Cholesterin-Wert (das sogenannte gute Cholesterin) ist hingegen von Vorteil. Patienten ohne ein metabolisches Syndrom haben deutlich bessere Chancen auf ein längeres Leben.
Darüber hinaus spielen die Gene eine Rolle: Die Prognose verbessert sich, wenn die Vorfahren alt wurden, keinen Typ-2-Diabetes hatten, keinen Bluthochdruck hatten.
Bei unzureichender medizinischer Versorgung kann ein diabetisches Koma (ketoazidotisches Koma) zur Gefahr werden. Diese Komplikation des Typ-1-Diabetes hat dank der inzwischen möglichen Insulintherapie an Bedeutung verloren bei den Gründen, weshalb Patienten versterben. Dennoch ist sie die häufigste Todesursache bei Typ-1-Diabetikern unter 30 Jahren. Hingegen kommt es bei älteren Personen mit Typ-1-Diabetes nur selten zu Todesfällen aufgrund dieser Komplikation. Die Ketoazidose kann bei einem neu auftretenden Diabetes mellitus Typ 1 rasch eintreten, wenn nicht rechtzeitig eingegriffen wird. Bei Anzeichen eines Diabetes wie starkem Harndrang, enorm gesteigertem Durst oder rascher Gewichtsabnahme ist umgehend der Gang zum Arzt erforderlich.
Ein anderer Faktor ist das Lebensalter, in dem der Diabetes Typ 1 zum ersten Mal in Erscheinung getreten ist. In einer umfangreichen Studie der Universität Göteborg (Schweden) stellte sich heraus, dass eine Erstdiagnose in der Kindheit bis zum zehnten Lebensjahr die Lebenserwartung stärker beeinträchtigt als ein erstes Auftreten der Erkrankung im Alter zwischen 26 und 30 Jahren. Bei der ersten Gruppe, die bereits mit zehn Jahren offensichtlich an Diabetes Typ 1 erkrankt waren, war die Lebenserwartung um etwa 18 Jahre (bei Frauen) beziehungsweise um etwa 14 Jahre (bei Männern) herabgesetzt. Wurde der Diabetes erst zwischen 26 und 30 festgestellt, lebten die Betroffenen im Durchschnitt 10 Jahre kürzer.
Eine gute Einstellung der Blutzuckerwerte in einem engen Rahmen ist von zentraler Bedeutung für die Prognose der Erkrankung. Dies lässt sich mit einer intensivierten Insulintherapie(ICT) oder mit einer Insulinpumpe am besten erreichen. Eine Studie aus Pittsburgh (USA) zeigt eine verbesserte Überlebensrate und geringere Komplikationsraten der intensivierten Insulintherapie gegenüber der konventionellen Therapie. Das Sterberisiko konnte im Zeitraum der Untersuchung durch die intensivierte Therapie immerhin um zwei bis drei Prozent gesenkt werden. Bei der ICT muss allerdings besonders darauf geachtet werden, nicht in eine Unterzuckerung zu geraten, die ihrerseits eine Gefahr für die Patienten bedeutet.
Je besser der Blutzucker auf einem normalen Niveau gehalten wird, umso mehr steigen die Chancen auf ein langes Leben bei hoher Lebensqualität. Ein optimal eingestellter Blutzuckerspiegel vermindert das Risiko von schweren Komplikationen wie Herzinfarkten. Wie für alle Menschen ist es ratsam, eine gesunde und ausgewogene Ernährung einzuhalten und regelmäßig körperlichen Aktivitäten nachzugehen. Sport und gesunde Ernährung halten den Cholesterinspiegel und den Blutdruck niedrig und sorgen somit für intakte Blutgefäße.
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aktualisiert am 06.08.2020