Prof. Weingärnter: Der Cholesterinstoffwechsel wird sehr stark genetisch reguliert. Cholesterin ist ein lebenswichtiges Molekül, daher stellen unsere Zellen Cholesterin selbst her. Wie viel wir herstellen, wird in unseren Genen reguliert und ist daher auch vererbbar. Ein deutlich kleinerer Anteil des Cholesterins im Blut wird über den Darm aufgenommen. Daher ist bei Menschen mit einer genetischen Veranlagung zu hohem Cholesterin eine cholesterinarme Diät ein wichtiger Bestandteil der Therapie, aber meistens nie ausreichend, so dass eine medikamentöse Senkung der körpereigenen Cholesterinproduktion nötig ist.
Prof. Weingärtner: Nichts - denn diese Art der Berichterstattung führt dazu, dass Patienten, die eine Therapie benötigen, dadurch verunsichert werden und unter Umständen dann ihre Medikamente absetzen oder gar nicht erst einnehmen. Es ist gut belegt, dass nach solchen Berichten in überregionalen Printmedien oder im Fernsehen die Rate der Herzinfarkte und Schlaganfälle sich erhöht. Diese unsachliche Art der Berichterstattung kostet Leben. Nur wenig ist wissenschaftlich so gut belegt wie das Verhältnis zwischen Senkung des Cholesterinspiegels und damit einhergehend die Senkung des Herzinfarkt- und Schlaganfallrisikos.
Prof. Weingärtner: Praktisch keine, denn die Senkung des Cholesterinspiegels ist sehr gering, und abhängig vom individuellen Cholesterinmetabolismus kann der Cholesterinspiegel bei einigen Menschen sogar ansteigen. Neuere große genetische Untersuchungen zeigen, dass dadurch das Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen, sogar eher ansteigt.
Prof. Weingärtner: Wir konnten beispielsweise an Mäusen zeigen, dass durch Phytosterine die Gefäße steifer werden, die Atherosklerose zunimmt und die Größe von Schlaganfällen zunimmt. Bei Patienten haben sich Phytosterine darüber hinaus in Herzklappen abgelagert. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät daher seit Jahren von diesen Produkten ab. Übrigens hat sich Unilever, der Erfinder der mit Phytosterinen supplementierten Margarine, nach Jahren wissenschaftlicher Streitigkeiten im Jahr 2017 von der gesamten Margarinesparte getrennt. Nicht ohne Grund, denke ich.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät daher seit Jahren von diesen Produkten ab.
Prof. Weingärtner: Da der Cholesterinspiegel genetisch reguliert wird, bleibt er vergleichsweise stabil. Wichtig wäre in einem Screening, wie beispielsweise aktuell in der Tschechischen Republik eingeführt, bereits bei Einschulung Kinder mit hohem Cholesterinspiegel frühzeitig zu identifizieren. Es geht darum, "Cholesterin-Lebensjahre" zu reduzieren, d.h. wenn nötig, bei sehr hohen Werten schon im Kindesalter mit der Behandlung zu beginnen. Ich empfehle meinen Patienten immer, zumindest mit 18 und mit 50 Jahren den Cholesterinspiegel bestimmen zu lassen. Darüber hinaus sollte jeder seinen Lp(a)-Spiegel kennen.
Wichtig wäre in einem Screening, wie beispielsweise aktuell in der Tschechischen Republik eingeführt, bereits bei Einschulung Kinder mit hohem Cholesterinspiegel frühzeitig zu identifizieren
Prof. Weingärtner: Gerade wird der Wert einer "frühen Kombinationstherapie" erkannt. D.h. insbesondere bei Patienten mit hohem Risiko wird empfohlen, nicht nur mit einem Statin die endogene (körpereigene) Cholesterinproduktion zu senken, sondern auch gleichzeitig die Cholesterinaufnahme aus dem Darm mit Ezetimib, einem Cholesterinresorptionshemmer, zu reduzieren. Das ist effektiver, denn durch die Therapie mit Statinen wird kompensatorisch die Cholesterinaufnahme im Darm erhöht.
Prof. Weingärtner: Er sollte sich von einem guten Arzt beraten lassen. Eine Therapie ist immer vom individuellen Gesamtrisiko abhängig zu machen.
Herzlichen Dank für das Interview!
aktualisiert am 31.08.2023