Die Bronchiektasie ist eine krankhafte Erweiterung der Bronchien, die typischerweise in einer Computertomographie sichtbar ist und sich durch Symptome wie Husten mit Auswurf, Atemnot und häufige Atemwegsinfektionen äußert. Häufige Ursachen sind COPD, Asthma und Rauchen. Die Behandlung umfasst die Erkennung und Behandlung der zugrunde liegenden Ursache, den Schutz vor weiteren Lungeninfektionen durch Impfungen, regelmäßige Inhalationen und Physiotherapie sowie gegebenenfalls entzündungshemmende und antibiotische Behandlungen.
Prof. Kolditz: Bronchiektasie bedeutet „Erweiterung der Bronchien“, somit ist die Bronchiektasie zunächst durch den Nachweis krankhaft erweiterter Atemwege in einer Bildgebung der Lunge, typischerweise einer CT-Untersuchung sichtbar. Zur Krankheit wird die Bronchiektasie aber erst, wenn zusätzlich auch assoziierte Symptome auftreten wie z.B. Husten, typischerweise mit Auswurf, Luftnot bei Belastung oder gehäufte Infektionen der unteren Atemwege, sogenannte „Exazerbationen“.
Diese Symptome sind jedoch nicht spezifisch für die Bronchiektasen-Erkrankung, sondern sie können prinzipiell auch bei anderen Lungen- oder Herzerkrankungen auftreten. Bei fortgeschrittener Bronchiektasen-Erkrankung klagen Patienten dann oft über reichlichen v.a. morgendlichen Auswurf, teils mit Blutauflagerungen, häufige, teils schwere Infektionen und Krankenhausaufenthalte sowie Luftnot auch schon bei leichten Tätigkeiten.
Prof. Kolditz: Da die Symptome einer Bronchiektasen-Erkrankung unspezifisch sind, wird für die Sicherung der Diagnose die Durchführung einer CT-Untersuchung notwendig. Dort lässt sich eine Bronchiektasie dann eindeutig nachweisen oder ausschließen. Schwieriger ist dann die Ursachensuche.
Prof. Kolditz: Wichtig ist es zunächst zu wissen, dass die Bronchiektasie eigentlich keine eigenständige Erkrankung ist, sondern eine Manifestation vieler möglicher Erkrankungen an den Atemwegen in der Lunge. Gemeinsame Endstrecke dieser Erkrankungen ist dann die krankhafte Erweiterung der Bronchien mit Funktionsverlust der Bronchialwand und nachfolgender chronischer Entzündungsreaktion mit Ausbildung von Schleim sowie reduzierter Reinigungsfähigkeit gegenüber Umweltstoffen und Bakterien.
Dies führt dann wiederum wie in einem Teufelskreislauf zu einer weiteren Zerstörung der Atemwege. Typische und häufige Ursachen von Bronchiektasen sind die Lungenerkrankungen COPD („Raucherlunge“) und (seltener) Asthma bronchiale, die bei schweren Verläufen oder fortgesetztem Rauchen oder ungenügender Therapie ein Fortschreiten der Atemwegsentzündung mit Ausbildung von Bronchiektasen bedingen können. Diese wiederum führen dann zu einem ungünstigeren Verlauf der Lungengrunderkrankung mit rascherem Lungenfunktionsverlust und gehäuften Infektionen.
Auch schwere Lungeninfektionen wie z.B. Lungenentzündungen oder eine Tuberkulose können bei unvollständiger Ausheilung später die Ausbildung von Bronchiektasen begünstigen. Wichtig ist aber auch die ausführliche ärztliche Suche nach seltenen Ursachen von Bronchiektasen, weil diese manchmal gezielt behandelt werden können. Zu nennen ist hier zum Beispiel die Erberkrankung Mukoviszidose, die sich selten auch erst im Erwachsenenalter mit Bronchiektasen erstmanifestieren kann und heute sehr gut behandelbar ist. Weitere, noch seltenere Erbkrankheiten, sind die Primäre ziliäre Dyskinesie (PCD) oder der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel.
Auch andere Erkrankungen wie z.B. bestimmte rheumatologische Erkrankungen oder Immunmangelsyndrome können zu Bronchiektasen führen und gezielt behandelt werden. Manchmal können auch gastriointestinale Erkrankungen wie eine schwere Refluxerkrankung oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen zu Bronchiektasen führen. Schließlich ist auch der Ausschluss seltener Infektionen durch sogenannte Mykobakterien wichtig, die sich erst in Spezialkulturen mit langer Bebrütungszeit von mehreren Wochen nachweisen lassen.
Zur Koordinierung dieser Ursachensuche sollte daher jeder Patient mit einer nachgewiesenen Bronchiektasen-Erkrankung mindestens einmal beim Lungenarzt vorgestellt werden. Nur wenn in einer ausführlichen Ursachendiagnostik keine Grunderkrankung identifiziert werden konnte, darf man dann von sogenannten „idiopathischen“ Bronchiektasen sprechen, d.h. solchen ohne bekannte Ursache. Wahrscheinlich liegt aber auch dort eine zugrundeliegende Erkrankung vor, die wir nur noch nicht identifizieren und somit auch nicht behandeln können.
Gemeinsame Endstrecke dieser Erkrankungen ist dann die krankhafte Erweiterung der Bronchien mit Funktionsverlust der Bronchialwand und nachfolgender chronischer Entzündungsreaktion...
Prof. Kolditz: Das Vorliegen von Bronchiektasen lässt sich mittels Computertomografie des Thorax eindeutig nachweisen oder ausschließen. Die klinische Diagnose der Bronchiektasen-Erkrankung und die Diagnose der zugrundeliegenden Ursache muss dann der Facharzt stellen.
Prof. Kolditz: Hier muss man zwischen verschiedenen Säulen der Therapie unterscheiden: Ganz im Vordergrund steht die Suche nach möglichen Ursachen sowie bestenfalls deren Behandlung, zum Beispiel die gezielte Substitution einer Immunmangelerkrankung, die antibakterielle Therapie einer Mykobakterieninfektion, die gezielte Therapie einer Mukoviszidose oder die optimale Therapie einer zugrundeliegenden anderen Lungenerkrankung.
Genauso wichtig ist die Basistherapie der Bronchiektasen. Hier stehen verschiedene Modalitäten zur Verfügung: Eine weitere Schädigung der Lunge z.B. durch Rauchen sollte unbedingt vermieden werden. Ferner sollen zum Schutz vor vermeidbaren Atemwegsinfektionen, die bei Bronchiektasie zu schweren Verläufen führen können, alle empfohlenen Schutzimpfungen verabreicht werden. Insbesondere zu nennen sind hier die Impfungen gegen Pneumokokken (Lungenentzündung) und gegen die Atemwegsviren SARS-CoV-2, Influenza und RSV. Bei chronischer Schleimbildung sind Inhalationen wichtig, zum Beispiel mit Kochsalzlösungen, teils auch konzentrierten Kochsalzlösungen (3% oder 6%), da sie den Schleim flüssiger machen und somit die Atemwegsreinigung begünstigen können.
Hier ist begleitend auch eine physiotherapeutische Atemtherapie von großer Bedeutung, oft können Patienten die erlernten Techniken der Atemwegsreinigung dann auch selbstständig zu Hause anwenden. Bei chronischer Leistungsinsuffizienz oder Luftnot ist auch die Durchführung einer Rehabilitation hilfreich. Bei Luftnot durch Atemwegsenge können atemwegserweiternde Sprays helfen.
Weiterhin müssen akute Atemwegsinfektionen konsequent und oft auch mit Antibiotika behandelt werden. Hierfür ist die Entnahme von Auswurf für bakterielle Kulturen auch im stabilen Zustand der Erkrankung hilfreich, um die Antibiotika danach gezielter einsetzen zu können. Manchmal, insbesondere wenn besonders schädigende Bakterien wie Pseudomonas nachweisbar sind, müssen hierfür auch längere Antibiotikatherapien von bis zu 14 Tagen und je nach Resistenzlage ggf. auch über die Vene im Krankenhaus verabreicht werden.
Die vierte Säule ist bei Patienten, die trotz dieser Basismaßnahmen weiter symptomatisch bleiben oder über wiederholte tiefe Atemwegsinfektionen klagen, die medikamentöse Therapie der Entzündungsreaktion. Prinzipiell kommen hierfür inhalierte Antibiotika oder auch entzündungs-modulierende Medikamente infrage. Hier ist allerdings noch einiges im Fluss, da viele Studien laufen und bisher auch noch keine formal zugelassene Therapie für die Bronchiektasen-Erkrankung verfügbar ist.
In manchen ganz fortgeschrittenen Fällen mit starker Belastungseinschränkung trotz optimaler Therapie der Bronchiektasen-Erkrankung muss auch eine Lungentransplantation in Erwägung gezogen werden.
Prof. Kolditz: Inhalative Antibiotika verfolgen den theoretisch sinnvollen Ansatz, durch lokale Applikation über ein Inhalationsgerät direkt vor Ort in den Atemwegen eine Infektion mit Bakterien gezielt zu behandeln, was hohe Wirkstoffkonzentrationen in den Atemwegen ohne relevante systemische Nebenwirkungen ermöglicht. Leider sind die Therapieergebnisse für die breite Menge der Bronchiektasen-Patienten aber nicht so überzeugend, sodass es dieses Therapiekonzept bisher nicht zur Zulassung geschafft hat.
Der Hintergrund für die bisher nur eingeschränkten klinischen Erfolge der inhalativen Antibiotika ist wahrscheinlich, dass sehr gemischte Patientengruppen in den Studien untersucht wurden, und dass die Interaktion zwischen chronischer bakterieller Atemwegsinfektion und Entzündungsreaktion sehr variabel von Patient zu Patient ist. Richtig ist aber, dass inhalative Antibiotika bei einem kleinen Teil der Bronchiektasen-Patienten, die wiederholte Exazerbationen erleiden und eine chronische Infektion der Atemwege mit besonders aggressiven Bakterien, den sogenannten Pseudomonaden, aufweisen, zu einer Verringerung der Exazerbationsrate (von ca. 20% in Studien) führen können.
Bei diesen ausgewählten Patienten wird eine solche Therapie von der Leitlinie empfohlen, vor Verordnung ist aber die Kostenübernahme durch die Kassen zu klären und eine Aufklärung der Patienten notwendig, da die Anwendung außerhalb der Zulassung dieser Medikamente erfolgt (sogenannte Off-Label-Therapie). Aus meiner Sicht noch etwas wirkungsvoller bei Patienten mit rezidivierenden Exazerbationen ist eine orale Entzündungs-modulierende Therapie mit dem Medikament Azithromycin, welches eigentlich ein breit verfügbares Antibiotikum in Tablettenform ist, aber bei Bronchiektasen-Patienten mit wiederkehrenden Exazerbationen durch die Beeinflussung der lokalen Entzündungsreaktion zu einer merklichen Exazerbation-Reduktion führen kann.
Die Auswahl, ob eine solche Therapie begonnen und welche der beiden Konzepte sinnvoll ist, sollte dabei von einem mit Bronchiektasen erfahrenen Lungenfacharzt getroffen werden.
Prof. Kolditz: Wichtig ist zunächst, wie zuvor erwähnt, vor allem die Beachtung bestimmter Allgemeinmaßnahmen: Im Vordergrund stehen dabei die empfohlenen Schutzimpfungen gegen Atemwegserreger sowie eine gute Atemwegshygiene mittels Atemtherapie (Physiotherapie) und Inhalation von Kochsalzlösung. Während der SARS-CoV-2-Pandemie haben wir außerdem gelernt, dass auch die allgemeinen Hygienemaßnahmen (Abstand wahren sowie Tragen einer Mund-Nasen-Maske) in Gefährdungssituationen zu einer deutlichen Verminderung von Atemwegsinfektionen und konkret auch Exazerbationen bei Bronchiektasen führten.
Diese Maßnahmen sind daher lokal und situativ angepasst (z.B. bei Kontakt zu erkälteten Mitmenschen) immer zu erwägen. Leider lässt sich eine Infektion der lokal in ihrer Abwehrfunktion stark eingeschränkten Atemwege bei Bronchiektasen dennoch in vielen Fällen nicht ganz verhindern.
Im Vordergrund stehen dabei die empfohlenen Schutzimpfungen gegen Atemwegserreger sowie eine gute Atemwegshygiene mittels Atemtherapie (Physiotherapie) und Inhalation von Kochsalzlösung.
Prof. Kolditz: Im Vordergrund stehen unbedingter Rauchstopp, Maßnahmen zur Vermeidung von Atemwegsinfektionen, Physiotherapie mit Atemtherapie, Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme sowie Anwendung der erlernten Fähigkeiten (Bronchialtoilette, sinnvolle körperliche Aktivität) im Alltag. Auch die regelmäßige Einnahme der verordneten medikamentösen Therapien kann die Lebensqualität verbessern.
Prof. Kolditz: Die Prognose von Patienten mit Bronchiektasen hängt primär von der zugrundeliegenden Ursache und dem Schweregrad der Erkrankung (Ausmaß der Funktionseinschränkung, Anzahl der Exazerbationen) ab. Patienten mit zufälligem Nachweis von Bronchiektasen in der Bildgebung ohne assoziierte Symptome, also ohne Erkrankung, haben wahrscheinlich keine eingeschränkte Prognose.
Bei fortgeschrittenen Erkrankungsstadien können die Umbauvorgänge in den erkrankten Atemwegen dagegen nicht mehr rückgängig gemacht werden, sind also nicht heilbar (mit der sehr seltenen Ausnahme streng lokalisierter Bronchiektasen in nur einem kleinen Lungenabschnitt mit Möglichkeit der operativen Entfernung). Deshalb kommt der frühen Erkennung und somit Therapieeinleitung bereits zu einem Zeitpunkt ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen eine große Bedeutung zu. Daher ist es wichtig, dass Patienten mit entsprechenden Symptomen (Atemwegsinfekte mit viel Auswurf, persistierender Husten mit Auswurf) frühzeitig eine lungenfachärztliche Abklärung erfahren.
Prof. Kolditz: Auch dies hängt von der Grunderkrankung und dem Schweregrad der Erkrankung ab. Patienten mit einem radiologischen Zufallsbefund von Bronchiektasen ohne assoziierte Symptome, also ohne Bronchiektasen-„Erkrankung“, bedürfen keiner spezifischen Überwachung. Patienten mit nachgewiesener Bronchiektasen-Erkrankung sollten dagegen regelmäßig, je nach Stabilität und Schweregrad z.B. alle 3-12 Monate, vom Lungenfacharzt gesehen werden.
Prof. Kolditz: Ein ganz wesentlicher Fortschritt der letzten Jahre war, dass die Erkrankung zunehmende Aufmerksamkeit unter Patienten, Ärzten und in der medizinischen Forschung erfahren hat. So wurde im Jahr 2024 erstmalig eine deutschsprachige Leitlinie zum Management der Erkrankung veröffentlicht. Dies führt hoffentlich dazu, dass die allermeisten Patienten mit dieser Erkrankung auch eine fachärztliche Ursachenabklärung und optimale Therapieeinleitung erfahren.
Wesentliche Fortschritte konnten auch im Verständnis von Krankheitsentwicklung und -verlauf erzielt werden. So wurden einerseits zunehmend behandelbare Ursachen identifiziert, andererseits die Komplexität und Heterogenität der Erkrankung besser verstanden. Dies führt bereits dazu, dass Patienten je nach Ausmaß und Art der Ursache, der vorherrschenden Entzündungsreaktion und der bakteriellen Atemwegsinfektion individuelle Therapiekonzepte erfahren können.
So wurde im Jahr 2024 erstmalig eine deutschsprachige Leitlinie zum Management der Erkrankung veröffentlicht.
Prof. Kolditz: Erfreulich ist zunächst, dass die Bronchiektasen-Erkrankung in den letzten Jahren erstmalig überhaupt in den Fokus der medizinischen Forschung gerückt ist. So werden aktuell mehrere vielversprechende neue medikamentöse Therapieansätze in klinischen Studien untersucht und diese werden auch immer gezielter auf bestimmte Untergruppen der heterogenen Patientenpopulation ausgerichtet, was hoffentlich zu mehr erfolgreichen Ergebnissen führen wird.
Im Mittelpunkt steht dabei oft die Beeinflussung der ausgeprägten Entzündungsreaktion in den erkrankten Atemwegen. So wurde erst im Jahr 2024 eine große internationale Studie an über 1500 Patienten abgeschlossen, die mit einem neuartigen antientzündlichen Medikament Exazerbationen vermindern konnte, sodass auf erstmalige Zulassung eines Medikaments gezielt für eine Gruppe von Bronchiektasen-Patienten zu hoffen ist. Auch neue Medikamente zur besseren Verflüssigung des zähen Schleims in den Bronchiektasen oder eine gezieltere Anwendung inhalativer Antibiotika sind Gegenstand bereits laufender Studien.
Idealerweise werden wir in Zukunft den Zielen einer frühen Erkennung, möglichst häufig gezielten Ursachenbehandlung sowie einer auf den einzelnen Patienten angepassten individualisierten Therapie der lokalen Entzündungs- und Infektionsreaktion näher kommen, um eine weitgehende Eindämmung von Symptomen sowie Exazerbationen bei vielen Patienten zu erreichen.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 03.09.2024.