Die Borderline-Störung zählt zu den Persönlichkeitsstörungen. Sie ist gekennzeichnet von einem fortlaufenden Muster von Instabilität in sozialen Beziehungen, im Selbstbild und der Stimmung. Die Störung bewegt sich im Grenzbereich (Borderline) zwischen Neurose und Psychose. Die Betroffenen zeigen neben einer gestörten Charakterstruktur auch vereinzelt psychotische Symptome, wie beispielsweise Verfolgungsideen.
In Deutschland leiden etwa 1,5 Millionen Menschen unter der Borderline-Persönlichkeitsstörung. 70 Prozent der Betroffenen sind Frauen. Etwa 5 bis 10 Prozent der Erkrankten nehmen sich das Leben. Bei einem Großteil der Betroffenen finden sich neben der Borderline-Störung auch weitere psychische Probleme, wie Depressionen.
Nach Ansicht der Psychoanalytiker handelt es sich bei der Borderline-Störung um eine Frühstörung. Demnach sind bei den Betroffenen Strukturen und Denkmuster bestehen geblieben, die charakteristisch für die frühe Kindheit sind. Typischerweise stehen in dieser Zeit Hass- und Neidkonflikte im Vordergrund, es besteht noch keine differenzierte Wahrnehmung der Person, sondern eine starre Bewertung von Menschen als „ganz gut" oder „ganz böse". Bei der Entstehung von Borderline-Störungen spielt der Einfluss von Missbrauchserfahrungen eine große Rolle.
Über 80 Prozent der Betroffenen berichteten über schwere traumatische Erlebnisse, wie sexuellen oder körperlichen Missbrauch oder dem Miterleben von extremer häuslicher Gewalt. In vielen Fällen ist der misshandelnde Täter eine wichtige Bezugsperson. Es besteht daher ein Widerspruch, dass man sich vor einer geliebten Person auch nun selbst schützen muss.
Dem Opfer ist es nur schwer möglich, seine angemessenen Reaktionen von Wut und Ekel gegenüber der Bezugsperson wahrzunehmen und zu äußern, so dass möglicherweise diese negativen Gefühle dann gegen die eigene Person gerichtet werden. Aufgrund dieser extremen Widersprüchlichkeit der Gefühle leiden die Betroffenen auch später im Umgang mit anderen Menschen.
Ein wiederholtes Erinnern des Missbrauchs führt bei Borderline-Patienten zu einer Zunahme der belastenden Gefühle, da vermutlich eine erhöhte neurobiologische Erregbarkeit vorliegt. Des Weiteren entwickeln die Betroffenen ein ausgeprägtes Gespür für mögliche Bedrohungen. Auf scheinbar harmlose Reize können demnach extreme Reaktionen folgen.
Die Betroffenen entziehen sich mit Hilfe von dissoziativen Symptomen, aus bedrohlichen Situationen. Dem Patienten wird dadurch jedoch die Chance genommen, zu lernen, dass sie eine wahrgenommene Gefahr bewältigen können, indem sie selbst handeln. Die dissoziativen Symptome wie das Gefühl, neben sich zu stehen und nichts mehr zu spüren, werden von Borderline-Patienten als sehr beängstigend erlebt. Dieser unangenehme Zustand wird häufig durch selbstverletzendes Verhalten beendet.
Aber nicht bei allen Borderline-Patienten liegen Missbrauchserfahrungen vor. Allen Betroffenen scheint aber gemeinsam zu sein, dass sie in einem invalidierenden Umfeld aufgewachsen sind. Weitere Ursachen einer Borderline-Störung sind extreme emotionale Vernachlässigung oder eine übermäßig strenge Erziehung.
Das Beschwerdebild ist sehr vielgestaltig und für den Patienten kaum erträglich, sogar erschöpfend bis quälend. Die Störung zeigt sich unter anderem in starken, unkontrollierten Gefühlsschwankungen sowie dem Drang, sich selbst zu verletzen.
Im Zentrum stehen Schwierigkeiten bei der Regulation von Gefühlen:
Persönlichkeitsstörungen sind schwer zu diagnostizieren, da fast alle typischen Symptome auch bei eindeutig gesunden Menschen auftreten können. Daher muss eine gründliche und umfassende quantitative Analyse der Verhaltensweisen durchgeführt werden. Anhand einer Langzeitbeobachtung ist festzustellen, ob bestimmte, das Syndrom definierende Fehlverhaltensweisen über längere Zeit chronisch, situationsübergreifend sowie rigide und unflexibel auftreten.
Diese müssen deutlich von der soziokulturellen Umgebung abweichen. Das auffällige Verhaltensmuster ist dauerhaft vorhanden und nicht auf Episoden begrenzt. Meist beginnt die Störung bereits in Kindheit oder Jugend und zeigt sich dauerhaft auch noch im Erwachsenenalter. Hilfreich sind so genannte halbstandardisierte Interviews, bei denen standardisierte Fragen durch klinische Befragungen ergänzt werden.
Die Therapie ist schwierig. Am erfolgreichsten ist eine stützende, begleitende Psychotherapie und langandauernde pädagogische Betreuung. Wichtig ist vor allem eine Einzelfallanalyse, da die Borderline-Störung meist durch eine individuell hochbelastete Situation hervorgerufen wird. Zur Behandlung von Borderline-Patienten muss man zunächst Vertrauen schaffen. Die Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie sind in der Regel für alle Formen von Persönlichkeitsstörungen einsetzbar.
Bei Borderline-Störungen wird das Therapiekonzept der DBT (Dialektisch-behaviorale Therapie) eingesetzt. Hierbei wird der Patient nicht nur in die Verantwortung genommen, ihm wird auch vermittelt, dass seine subjektive Sicht der Dinge verstanden wird. Des Weiteren haben Übungen zur inneren und äußeren Achtsamkeit einen sehr hohen Stellenwert. Das zentrale Problemfeld ist die emotionale Instabilität, die durch spezifische in der DBT entwickelte Konzepte und Strategien zur Emotionsregulation behandelt wird.
Problemfelder werden durch den Einsatz von Fertigkeiten (Skills), die die Patienten aktiv erlernen können und müssen, gezielt positiv beeinflusst. Neben den Gruppentherapien (mit Bewegungstherapie und Kunsttherapie) werden auch einzeltherapeutische Sitzungen durchgeführt. Die Behandlung der Borderline-Störung sollte grundsätzlich ambulant erfolgen. Es kann aber immer wieder eine stationäre Behandlung erforderlich werden.
Die Heilungsaussichten sind eher ungünstig. Der Verlauf ist in der Regel langwierig bis chronisch. Einige Patienten gleiten sogar im Laufe ihrer Krankheit in eine „richtige" (schizophrene) Psychose ab.
Typische Verhaltensweisen beginnen schon meist in der Kindheit und Jugend. Die Diagnose sollte jedoch erst ab dem frühen Erwachsenenalter gestellt werden, da bis dahin die Persönlichkeit eines Menschen noch starken Entwicklungen und Schwankungen unterliegt. Die Intensität der Störung nimmt mit dem Alter meist ab, sodass viele Betroffene ab dem 30. bis 40. Lebensjahr eine größere Stabilität erreichen.
Bis heute sind keine Methoden zur Vorbeugung einer Borderline-Störung bekannt. Durch eine frühzeitige Diagnostik kann jedoch eine geeignete Behandlung begonnen werden. In der Regel wird dem Betroffenen schon früh bewusst, dass Schwierigkeiten vorliegen, die eine Behandlung erfordern. Deshalb ist eine frühzeitige Aufklärung über die Diagnose oder Therapiemöglichkeiten durch Fachleute entscheidend.
Bei fortgeschrittener Behandlung und gewisser Stabilität der Patienten, können Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Rehabilitation überlegt und durchgeführt werden.
Letzte Aktualisierung am 11.12.2020.