In den letzten Jahren gelang es immer wieder, neue Viren zu entdecken. Beispiele hierfür sind das Sin-Nombre-Virus oder das SARS-Coronavirus. Oft kam es zunächst zu Epidemien, die die Forscher dazu gebracht haben, nach dem Erreger zu suchen. Man ist sicher, dass viele Erreger, die beim Menschen Krankheiten auslösen, immer noch nicht entdeckt wurden.
Mit einer neuen Technik gelang es, bei Patienten mit Erkrankungen der unteren Atemwege, ein nicht bekanntes Virus (Parvovirus) zu identifizieren. Dieses Virus wird auch als „humanes Bocavirus“ und seit 2015 als Bocaparvovirus bezeichnet.
Der Bocavirus oder Bocaparvovirus gehört zur Virusfamilie der Parvoviren. Parvoviren sind klein, haben ein einzelstängiges DNA-Genom und sind unbehüllt. Sie sind dadurch sehr widerstandsfähig gegenüber äußeren Einflüssen. Erkrankungen, die durch Parvoviren ausgelöst werden, bezeichnet man als Parvovirosen.
Der Bocavirus verdankt seinen Namen der großen Nähe zu den bei Rindern (bocin) und Hunden (canin) vorkommenden Parvoviren.
Zu den Parvoviren gehören unter anderem:
Zu der Familie der Parvoviren gehört auch das humane Parvovirus B19. Es ist der Erreger der bekannten Krankheit Ringelröteln (Erythrema infectiosum)
Es ist noch nicht hundertprozentig gesichert, dass das Bocavirus tatsächlich Infektionen und Krankheiten auslöst. Es gibt noch keinen endgültigen Beweis, dass es alleine oder mit anderen Viren Infekte auslösen kann. Indizien und Publikationen sprechen aber dafür.
Das Bocavirus verursacht vor allem Erkrankungen der unteren und oberen Atemwege (Lungenentzündung) bei Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen. Ebenso gibt es Berichte darüber, dass das Bocavirus Durchfall auslösen kann.
Das Bocavirus wird oft bei Patienten nachgewiesen, die mit anderen Viren infiziert sind.
Es ist noch gesichert, auf welchem Wege man sich infizieren kann. Da das Virus den Atemwegssekreten von erkrankten Kindern zu finden ist, liegt es nahe, dass es sich auch über Atemwegssekrete auf andere Menschen übertragen lässt. Es kann aber auch im Stuhl und im Blut gefunden werden. Das können alternative Infektionswege für die Ausbreitung des Virus sein.
Es ist nicht gesichert, dass das Bocavirus Auslöser der Infektion ist. Aus diesem Grund kann auch keine Inkubationszeit angegeben werden.
Es ist nicht bekannt, wie lange die Erkrankung durchschnittlich dauert. Wenn Bocaviren festgestellt wurden, konnte nachgewiesen werden, dass sie mit anderen Infektionen in Verbindung stehen. Bei 45 bis 93 Prozent aller Patienten, die mit Bocavirus infiziert waren, stellten die Forscher zeitgleich auch Infektionen mit anderen Viren fest:
In Zusammenhang mit dem Bocavirus kann das klinische Spektrum der Infektion sehr unterschiedlich sein. Folgende Symptome und Erkrankungen treten auf, bei denen das Bocavirus identifiziert wurde:
Säuglinge und Kinder mit diesen unspezifischen Symptomen fühlen sich sehr krank und müssen im Krankenhaus eingeliefert und behandelt werden. Ob das Bocavirus ganz oder teilweise für die Symptome verantwortlich ist, ist noch nicht klar. Das Hauptproblem bei Kindern, die mit dem Bocavirus infiziert sind, scheint die Lungenentzündung zu sein.
Um das Virus zu identifizieren, müssen Forschen auf das Verfahren der Polymerase-Kettenreaktion zurückgreifen, um das Virus in Atemwegssekreten, im Blut und im Stuhl erkrankter Patienten nachzuweisen. Die PCR-Tests erkennen das genetische Material der Viren, aber sie sind teuer und nicht so weit verbreitet.
Beachtet werden muss, dass die Forscher sich nicht sicher sind, ob das Bocavirus die Infektion ausgelöst hat oder einfach eine Rolle im Krankheitsverlauf spielt.
Es gibt bislang keine medizinische oder antivirale Behandlung, die wirksam gegen Bocavirus-Stämme wirkt. Da es nicht klar ist, ob das Bocavirus für die Infektionen verantwortlich ist, sind einige Forscher der Meinung, dass eine Therapie erst entwickelt werden sollte, wenn das Bocavirus als Auslöser der Infektionen feststeht.
Da es aktuell keine antivirale Therapie gibt, wird symptomatisch behandelt. Bei einer symptomatischen Behandlung, geht es darum die Symptome zu lindern. Dazu gehören Flüssigkeitszufuhr und die Unterstützung der Atmung mit Sauerstoff.
Erst wenn nachgewiesen werden kann, dass das Bocavirus eine Infektion auslösen kann, kann man über vorbeugende Maßnahmen diskutieren. Aktuell wird kein Impfstoff für den Menschen entwickelt.
aktualisiert am 11.06.2019