Retikulozyten sind junge, noch unreife rote Blutkörperchen (Erythrozyten). Ihr Wert wird vor allem bestimmt um die Ursache einer Blutarmut (Anämie) herauszufinden.
Bei einer Blutarmut liegt ein Mangel von rotem Blutfarbstoff (Hämoglobin) und/oder der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) vor. Das führt dazu, dass auch die Fließeigenschaften des Blutes sich verändern, was sich in einer Veränderung des Hämatokrit-Wertes zeigt.
Die Blutbildung (Erythropoese) findet im Knochenmark statt. Aus einer Stammzelle (erythropoetin responsive cell) entwickeln sich über mehrere Zwischenstufen rote Blutkörperchen. Vom Proerythroblast, Erythroblast, Normoblast und Retikulozyt zum reifen Erythrozyten. Die Entwicklung dauert etwa fünf bis neun Tage.
Die Retikulozyten enthalten wie die reifen roten Blutkörperchen keinen Zellkern mehr, aber noch Teile der Erbinformation (RNA). Außerdem haben sie im Zellinneren noch Zellorganellen für den Zellstoffwechsel. So lassen sie sich unter dem Mikroskop durch ihr netzförmiges Zellinneres leicht von den roten Blutkörperchen unterscheiden. Daher stammt auch der Name, Reticulum ist das lateinische Wort für Netz. Durch eine spezielle Färbemethode lassen sich Retikulozyten von roten Blutkörperchen (Erythrozyten) unter dem Mikroskop leicht auseinanderhalten.
Ein Teil der Retikulozyten wird aus dem Knochenmark in das Blut ausgeschwemmt wo sie weiter reifen. Normalerweise befindet sich nur ein sehr kleiner Teil im Blut. Ein Anstieg deutet auf eine erhöhte Blutbildung im Knochenmark hin. Dies ist zum Beispiel bei Blutungen, Infektionserkrankungen oder auch Sauerstoffmangel der Fall.
Sind zu wenig Retikulozyten im Blut, kann eine Erkrankung des Knochenmarks dahinter stecken.
Die Werte der Retikulozyten im Blut geben Hinweise auf die Blutbildungsaktivität im Knochenmark. Sie werden in folgenden Fällen bestimmt:
Der Normalwert der Retikulozyten bei Erwachsenen beträgt 7 bis 15 ‰ (Promille).
Der Retikulozytenwert wird als relativer Wert im Verhältnis zur Anzahl der roten Blutkörperchen angegeben. Er beträgt bei Erwachsenen etwa 7 bis 15 pro 1000 rote Blutkörperchen. Das entspricht 0,7 bis 1,5 Prozent oder ungefähr 35.000 bis 75.000 pro Mikroliter Blut.
Mit der Zahl der Retikulozyten lässt sich feststellen, ob die Blutproduktion sehr stark (zum Beispiel bei einer akuten Blutung), nur schwach (abklingende Blutarmut) oder gar nicht (Knochenmarkserkrankung) stattfindet.
Die Zahl der Retikulozyten ist alleine wenig hilfreich und wird immer im Zusammenhang mit anderen Blutwerten betrachtet.
Ist die Zahl der Retikulozyten im Blut erhöht, ist das ein Hinweis darauf, dass zu diesem Zeitpunkt vermehrt rote Blutkörperchen gebildet werden. Dabei kann es sich um einen normalen Regulationsmechanismus handeln.
Beispielsweise führt eine akute Blutung zur verstärkten Blutbildung im Knochenmark um neue Blutzellen rasch zur Verfügung zu stellen. Auch der Zerfall oder die Zerstörung von roten Blutkörperchen (Hämolyse), wie er bei Autoimmunerkrankungen stattfindet, führt zur Anregung der Blutbildung. Bei Knochenmarksschäden kann sich die Zahl der Retikulozyten im Verlauf der Heilung erhöhen.
Abhängig von der Ursache der Anämie werden Vitamin B12, Folsäure oder Eisen zur Behandlung eingesetzt. Die Bestimmung der Retikulozytenzahl dient der Erfolgskontrolle der Therapie. Der Arzt kann dadurch kontrollieren, ob seine Therapie anschlägt.
Die Zahl der Retikulozyten ist erhöht bei
Wenn die Zahl der Retikulozyten im Vergleich zu den Erythrozyten erniedrigt ist, deutet das darauf hin, dass die Bildung von roten Blutkörperchen im Knochenmark reduziert Ist.
Dies kann eine natürliche Regulation des Körpers sein, wie nach einem längeren Aufenthalt im Hochgebirge. Die Zahl der roten Blutkörperchen ist erhöht. Das ist eine Ursache des niedrigen Sauerstoffgehaltes in der Luft. Der Körper reagiert damit, dass er die Zahl der roten Blutkörperchen erhöht, um den Transport von Sauerstoff zu erleichtern. Zum Ausgleich wird die Produktion neuer Blutzellen gedrosselt. Die Retikulozytenzahl ist vergleichsweise niedrig.
Folgende Ursachen führen zu einer gestörten Blutbildung im Knochenmark und damit reduzierter Retikulozytenzahl:
Der Arzt wird die Retikulozytenzahl untersuchen, wenn im Blutbild eine Blutarmut festgestellt wird. Damit können Hinweise auf die Ursache gefunden werden. Häufig deute der veränderte Wert nur auf eine natürliche Regulation hin, wie zum Ausgleich von Blutverlust oder Sauerstoffmangel. Ist der Wert anhaltend verändert, deutet das möglicherweise auf eine andere Erkrankung hin und muss kontrolliert werden. Hinweise auf Nieren- oder Schilddrüsenerkrankungen findet der Arzt bei der Blutuntersuchung. Bei Verdacht auf Knochenmarkserkrankungen kann eine Knochenmarksuntersuchung folgen.
aktualisiert am 10.03.2020