Eosinophile Granulozyten sind eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen und damit Teil des Immunsystems. Sie sind besonders an der Regulation von Entzündungs- und Immunreaktionen beteiligt. Kommt es zu einem vermehrten Auftreten von Eosinophilen im Blut, nennt man dies Eosinophilie. Die Ursachen dafür sind sehr unterschiedlich, häufig liegt eine Allergie, eine Infektion mit Parasiten oder eine Krebserkrankung vor.
Granulozyten gehören zu den weißen Blutkörperchen oder Leukozyten („leukos“ – altgriechisch: weiß; „cytos“ – altgriechisch: Zelle/Höhlung). Die Granulozyten haben spezielle Funktionen in der Abwehr von Krankheitserregern und körperfremden Stoffen. Leukozyten werden nach Funktion und Aussehen in drei Untergruppen unterteilt:
Mit einem Anteil von etwa 45 bis 70 Prozent machen die Granulozyten („granulum“ – lateinisch: Körnchen) den größten Teil der weißen Blutkörperchen aus. Sie werden im Knochenmark gebildet und ins Blut freigesetzt. Aus dem Blut können sie gerichtet in das Gewebe auswandern. Hierfür sind chemische Signale notwendig, die von den Krankheitserregern selber, dem geschädigten Gewebe oder durch andere Zellen gesendet werden. Im Gewebe können die Granulozyten Eindringlinge gezielt bekämpfen. Nach ihrem Färbeverhalten werden wiederum drei verschiedene Granulozytenarten unterschieden, die verschiedene Aufgaben in der Immunabwehr übernehmen:
Wie alle Granulozyten sind Eosinophile kugelförmig. Mit einer Größe von 12 bis 17 μm (Mikrometer) sind sie etwas größer als andere Granulozyten. Ihr Zellkern ist zweigelappt beziehungsweise brillenförmig. Sie machen einen Anteil von etwa einem bis fünf Prozent der Gesamtleukozytenzahl aus.
Hauptfunktion der Eosinophilen ist die Bekämpfung von Parasiten. Sie sind auch an allergischen Reaktionen beteiligt. In den für Granulozyten typischen Körnchen (Granula) haben sie bestimmte Inhaltsstoffe für diese Aufgabe gespeichert, die bei Bedarf freigesetzt werden. Diese Stoffe können andere Zellen direkt zerstören oder sie dienen der Anlockung weiterer Zellen des Immunsystems. Damit wird eine Entzündungsreaktion in Gang gesetzt.
Ist es Krankheitserregern gelungen, in den Körper einzutreten, werden sie von verschiedenen Zellen des Immunsystems mit sogenannten Antikörpern gekennzeichnet. Diese gelten als chemisches Signal für Eosinophile, die sich daraufhin aktiv aus dem Blut zu dem Eindringling bewegen. Dann docken sie am Antikörper an und setzen ihre zerstörenden Inhaltsstoffe frei, der Parasit wird abgetötet. Außerdem sind sie als sogenannte „Fresszelle“ in der Lage, Fremdlinge zu umschließen, in sich aufzunehmen und unschädlich zu machen (der Vorgang wird Phagozytose genannt).
Eine weitere Rolle spielen sie bei der Entstehung von Allergien. Bei Kontakt zu auslösenden Substanzen (Allergenen wie zum Beispiel Pollen) setzen sie Inhaltsstoffe frei, die typische Reaktionen wie Rötungen, Juckreiz oder Atemnot auslösen können. Eosinophile können jedoch auch den eigenen Körper schädigen. Beim Asthma bronchiale beispielsweise wird die Lungenschleimhaut durch die Inhaltsstoffe geschädigt. Dadurch wird mehr Schleim produziert und die Symptome werden verstärkt.
Wird aus irgendeinem Grund oder während einer Routineuntersuchung eine Blutuntersuchung gemacht, gehört dazu in der Regel nur ein kleines Blutbild. Dieses gibt die Gesamtleukozytenzahl an (Anzahl der weißen Blutkörperchen insgesamt). Bei veränderten Werten wird ein Differentialblutbild angefertigt, um die Werte der einzelnen Unterarten zu erhalten. Nur so kann festgestellt werden, welche Gruppe für die veränderten Werte verantwortlich ist. Dies ist entscheidend, um die zugrundeliegende Ursache herauszufinden. Kleines Blutbild und Differentialblutbild werden zusammen als großes Blutbild bezeichnet. Die Granulozytenwerte werden im Verhältnis zur Gesamtleukozytenzahl (in %) und ihre Zellzahl pro µl (Mikroliter) Blut angegeben.
Eine Übersicht über das Differentialblutbild mit allen Normwerten gibt folgende Tabelle:
Zellen | in Prozent | pro µl Blut | weitere Infos |
---|---|---|---|
Alle weißen Blutkörperchen (Leukozyten) | 100 % | 4.000-10.000 | Leukozyten zu hoch Leukozyten zu niedrig |
Neutrophile Granulozyten (segmentkernig) | 50-70 % | 3.000-5.800 | Neutrophile zu hoch Neutrophile zu niedrig |
Neutrophile Granulozyten (stabkernig) | 3-5 % | 150-400 | |
Basophile Granulozyten | 0-1 % | 15-40 | Basophile zu hoch Basophile zu niedrig |
Eosinophile Granulozyten | 1-4 % | 50-250 | Eosinophile zu niedrig |
Monozyten | 3-7 % | 285-500 | Monozyten zu hoch Monozyten zu niedrig |
Lymphozyten | 25-45 % | 1.500-3.000 | Lymphozyten zu hoch Lymphozyten zu niedrig |
Folgende Grenzwerte dienen zur Einteilung einer Eosinophilie:
Eine Eosinophilie tritt häufig in Kombination mit einer Basophilie auf, also einer Erhöhung der basophilen Granulozyten.
Die Eosinophilie kann nach der Ursache eingeteilt werden in
Zu der primären Eosinophilie gehören einige Blutkrebsarten wie die chronische Eosinophilenleukämie und das Hypereosinophilie-Syndrom.
Am häufigsten treten sekundäre, reaktive Eosinophilien auf. Das heißt, dass der Körper auf ein aufgetretenes Ereignis (Erkrankung) mit einer Eosinophilie reagiert.
Die häufigsten Ursachen einer Eosinophilie sind
Erhöhte Werte von eosinophilen Granulozyten werden vor allem bei Allergikern festgestellt. Allergische Erkrankungen, die zu einer Erhöhung der Eosinophilen führen, sind:
Durch die Beteiligung der Eosinophilen und anderer Zellen kommt es zu den klassischen Symptomen wie Juckreiz, Ausschlag, Nasen- und Augenausfluss.
Dringen Parasiten in den Körper ein und werden durch die körpereigene Abwehr erkannt und als fremd markiert, können sich Eosinophile aktiv auf den Weg zu der Infektion machen. Sie folgen dabei chemischen Substanzen (Botenstoffen). Die Bekämpfung der Eindringlinge führt dazu, dass weitere Eosinophile angelockt werden. Es kommt zum Anstieg der Gesamt-Eosinophilenzahl.
Vor allem Würmer (Helminthen) lösen eine Eosinophilie aus. In den meisten Fällen sind Menschen betroffen, die aus den Tropen zurückgekehrt sind. Parasiten, die eine Eosinophilie auslösen, sind unter anderem:
• Sarcoptes scabiei (Skabies), auch als Krätze bekannt
Auch einige Medikamente können eine Eosinophilie auslösen. Je früher das Medikament abgesetzt wird, desto besser ist die Prognose. Medikamente, die eine Eosinophilie auslösen sind zum Beispiel:
Auch einige Autoimmunerkrankungen können zu einer Eosinophilie führen. Dazu gehören:
Bestimmte Blutkrebsarten führen zu einer vermehrten Bildung von Granulozyten im Knochenmark und damit zu einer Erhöhung der Zellen im Blut (Leukämie, myeloproliferative Erkrankungen).
Eine weitere Erkrankung, die mit einer Eosinophilie einhergeht, ist das Hypereosinophilie-Syndrom. Hier kommt es ohne ersichtlichen Grund über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten zu einer Erhöhung der Eosinophilen von über 1500 pro µl Blut. Je nach betroffenem Organ leiden die Betroffenen unter verschiedenen Symptomen. Häufig kommt es zu:
Unbehandelt kann die Erkrankung zum Tode führen, die Ursache sind meist fortgeschrittene Herzschäden. Wird sie behandelt (zum Beispiel durch den Einsatz von Cortison), können etwa 80 Prozent der Betroffenen geheilt werden.
Weitere Ursachen, die zu einer Eosinophilie führen können, sind:
Auch durch verunreinigte und giftige Substanzen kann eine Eosinophilie ausgelöst werden. Anfang der 90er Jahren wurde L-Tryptophan, eine essentielle Aminosäure, die der Körper mit der Nahrung aufnehmen muss, von einigen Unternehmen als Nahrungsmittelzusatz angeboten. Eine japanische Firma hatte dabei die Bakterien, die zur Produktion von L-Tryptophan eingesetzt werden, gentechnisch verändert. Durch eine übersehen Verunreinigung kam es zu schwerwiegenden Folgen. Patienten klagten über Muskelschmerzen (Myalgie). Im großen Blutbild fanden Ärzte ein auffällig hohe Zahl an eosinophilen Granulozyten (Eosinophilie). Diese Kombination wurde als Eosinophilie-Myalgie-Syndrom bezeichnet. Grund war das verunreinigte L-Tryptophan. An den Folgen dieser Erkrankung sind 24 Menschen sogar verstorben.
Die Symptome der Eosinophilie sind sehr variabel, sie treten in der Regel erst auf, wenn die Eosinophilen stark erhöht sind. Dabei kann jedes Organ betroffen sein, mit entsprechend vielfältigen Symptomen:
Die auftretende Erkrankung ist nach dem jeweils beteiligten Organ benannt. Damit gibt es beispielsweise die
Eine ausführliche Erfragung der Krankengeschichte ist wichtig, um die Ursache einer Eosinophilie herauszufinden. Der Arzt fragt nach:
In der klinischen Untersuchung werden besonders Herz, Haut, Nervensystem und Lunge untersucht. So kann möglicherweise bereits eine Verdachtsdiagnose gestellt werden. Weitere Untersuchungen umfassen Stuhlproben auf Parasiten, Röntgenuntersuchung oder Ultraschall, um Organschäden zu erkennen, und eine Knochenmarksuntersuchung bei Verdacht auf eine Krebserkrankung.
Die Therapie richtet sich nach der Ursache, die eine Eosinophilie auslöst. Medikamente, die eine Eosinophilie auslösen können, sollten abgesetzt werden. Alle festgestellten Ursachen werden behandelt. Wird die Eosinophilie durch eine Allergie ausgelöst, werden häufig über einen kurzen Zeitraum niedrig dosierte Cortisonpräparate verabreicht, um die Zahl der Eosinophilen zu reduzieren.
Patienten mit dem Hypereosinophilie-Syndrom erhalten neben Cortison häufig noch weitere Medikamente wie Hydroxyurea oder Chemotherapeutika.
aktualisiert am 01.08.2023