Der menschliche Körper ist in gesundem Zustand in der Lage, mit verschiedensten Bakterien, Viren und anderen Krankheitserregern zurechtzukommen. Das körpereigene Immunsystem bekämpft die Erreger oft sogar so schnell, dass wir selbst nichts davon mitbekommen. Nach einer Chemotherapie ist die Immunabwehr jedoch stark geschwächt, sodass Entzündungen drohen. In besonders schlimmen Fällen kommt es zu einer gefährlichen Blutvergiftung (Sepsis), bei der sich die Entzündung über den Organismus ausbreitet.
Es gibt verschiedene Arten von Chemotherapien. Zumeist ist die Therapie von bösartigen Tumoren (Krebs) gemeint, wenn von der Chemotherapie die Rede ist. Bei der Chemo werden den Patienten Medikamente verabreicht, die die Zellteilung hemmen (Zytostatika) oder die Zellen zerstören. Besonders wirken die Medikamente sich auf die Tumorzellen aus, aber sie stören auch die Zellteilung bei wichtigen Zellarten des gesunden menschlichen Organismus. Die Folge ist eine Vielzahl unterschiedlicher Nebenwirkungen. Die Chemotherapie wirkt sich auch auf die verschiedenen Blutzellen aus. Unter anderem gehen die weißen Blutkörperchen zurück. Die weißen Blutzellen sind jedoch wichtige Komponenten des Immunsystems und damit funktioniert unter der Chemotherapie die körperliche Abwehr gegenüber Krankheitserregern nicht mehr so gut. Viele der Mittel, die bei einer Chemotherapie eingesetzt werden, werden in der Medizin in bestimmten Fällen auch bewusst zur Unterdrückung des Immunsystems verabreicht. Deshalb nennt man sie auch Immunsuppressiva.
Bei vielen Patienten mit Tumorbehandlungen ist damit das Immunsystem geschwächt. Sie sind anfälliger für Infekte und erkranken häufig an Lungenentzündungen, grippalen Infekten oder anderen lokalen Entzündungen. Zudem können sich die Erreger wesentlich leichter im Körper ausbreiten und es kommt eher zu einer Sepsis (Blutvergiftung).
Die Chemotherapie ist allerdings nicht der einzige Einfluss, der die Immunabwehr bei Krebspatienten schwächt. Diese Faktoren spielen eine weitere Rolle bei der Funktion des Immunsystems:
Besonders wenn eine Tumor-OP zur Entfernung von Gewebe vorgenommen wird, ist der Patient an der Körperstelle infektionsgefährdet. Über die Wunde können Bakterien und andere Krankheitserreger eindringen und eine Entzündung kann sich entwickeln. Damit sind bereits die Grundlagen für die Entstehung einer Blutvergiftung gegeben.
Bei einer Sepsis dringen Bakterien in den Blutkreislauf ein und eine Entzündungsreaktion entsteht. Diese kann nun verschiedene Organe erreichen. Der Ursprung einer Sepsis ist oftmals eine harmlose, lokal begrenzte Entzündung, wie beispielsweise eine Zahnwurzelentzündung, ein entzündeter Insektenstich oder eine entzündete Stelle, an der eine Injektionsnadel eingeführt wurde. Gerade bei Patienten, die eine Chemotherapie bekommen oder bei denen anderweitig eine geschwächte Immunabwehr vorhanden ist, können schon kleine Entzündungen gefährlich werden und sich ausbreiten. Eine Sepsis ist die mögliche Folge.
Die Sepsis (Blutvergiftung) zeigt sich in eher untypischen Symptomen, die auch bei einem grippalen Infekt auftreten, sodass die Diagnose nicht unbedingt einfach ist:
Zeigen Chemo-Patienten die genannten Symptome, sollte sofort gehandelt werden. Die Sepsis gilt als lebensgefährliche Erkrankung mit einem Sterberisiko von bis zu 30 Prozent. Deswegen werden Patienten mit einem Verdacht auf eine solche Blutvergiftung umgehend ins Krankenhaus eingewiesen. Im Rahmen der Diagnose wird der jeweilige Erreger (meist eine Bakterienart) ermittelt, um diesen gezielt zu bekämpfen. Bis dieser jedoch festgestellt wird, vergehen Stunden bis Tage, in denen der Patient Breitbandantibiotika erhält (Antibiotika, die gegen viele verschiedene Erreger wirksam sind). So versucht man die Sepsis an der weiteren Entwicklung zu stoppen. Gelingt dies nicht, kann es zu einer schweren Sepsis oder dem septischen Schock mit einhergehendem Multiorganversagen kommen: Mindestens zwei lebenswichtige Organe wie Niere, Leber, Gehirn oder Lunge fallen dabei aus und intensivmedizinische Maßnahmen sind lebensnotwendig.
Bei vielen Chemo-Patienten kommt es zunächst zu einer Lymphangitis. Dabei handelt es sich um eine Entzündung der Lymphbahnen, die unter der Haut verlaufen. Auch die Lymphangitis wird häufig als Blutvergiftung bezeichnet und ist nicht zu verwechseln mit der viel gefährlicheren Sepsis. Schuld an der Lymphangitis sind in erster Linie verschiedene Bakterien oder Viren, die über eine lokale Infektion die Lymphgefäße erreicht haben. In den Lymphbahnen können sich die Krankheitserreger vermehren, dennoch handelt es sich zunächst noch um eine lokal begrenzte Infektion. Deutliches Symptom für den Infekt sind rote Striche unter der Haut, die von den Gliedmaßen hin zur Körpermitte verlaufen. Fälschlicherweise gehen viele Menschen davon aus, dass es sich bereits hier um eine bedrohliche Sepsis handelt, bei der die Entzündung hin zum Herzen wandert. In Wahrheit führt die Entzündung zu den jeweiligen Lymphknoten. Die Patienten zeigen an den betroffenen Körperpartien Schwellungen und Rötungen, die druckempfindlich sind. Die Entzündung lässt sich normalerweise gut mit Antibiotika behandeln. Zusätzlich sollte das betroffene Areal, beispielsweise der Arm, ruhiggestellt und geschont werden. Alkoholische Umschläge lindern die Schmerzen und wirken desinfizierend. Gelingt es den Ärzten jedoch nicht, die Lymphangitis unter Kontrolle zu bringen, so kann auch sie schließlich zu einer gefährlichen Sepsis führen.
Erhalten die Betroffenen eine Tumorbehandlung, die das Immunsystem voraussichtlich schwächt, sollte dieses bewusst geschützt werden. In der Regel informieren Ärzte die Patienten über bestimmte Verhaltensregeln und geben ihnen beispielsweise Anweisungen und Tipps für eine sorgsame Hygiene. Je weniger Chancen die Bakterien bekommen, den Organismus zu erreichen, desto unwahrscheinlicher ist letztendlich die Entstehung einer Sepsis. Darüber hinaus verschreiben viele Ärzte sogenannte Wachstumsfaktoren, die die Bildung von neuen Immunzellen anregen sollen. Weiterhin unterstützen ein gesunder Lebensstil sowie ausgewogene Ernährung die körpereigene Immunabwehr.
aktualisiert am 02.03.2021