Die Sepsis, umgangssprachlich auch Blutvergiftung genannt, ist ein schweres bis lebensbedrohliches Krankheitsbild. Krankheitserreger verteilen sich über das Blut im ganzen Körper und lösen eine allgemeine Entzündung aus. Meist handelt es sich um Bakterien, die die Blutvergiftung hervorrufen. Das Abwehrsystem übernimmt die Aufgabe, die Krankheitskeime zu zerstören und beseitigen. Der Abwehrprozess führt jedoch auch dazu, dass sich eine heftige Reaktion mit schwerwiegenden Folgen wie einem Schock (Kreislaufversagen) ergibt.
In Deutschland treten pro Jahr circa 160.000 Fälle einer Sepsis auf. Davon sterben etwa 60.000 Betroffene. Daran lässt sich erkennen, dass die Erkrankung sehr ernst ist. Nur eine schnell eingeleitete Behandlung kann die Blutvergiftung erfolgreich wieder beseitigen.
Die Blutvergiftung hat nichts mit einer herkömmlichen Vergiftung zu tun, denn es handelt sich eigentlich um eine Infektion, die der menschliche Organismus bekämpft. Der Begriff Blutvergiftung wird auch noch für andere Störungen verwendet, darunter die Lymphangitis, eine Entzündung der Lymphgefäße.
Eine Sepsis (Blutvergiftung) entsteht, wenn sich Krankheitserreger stark über das Blut ausbreiten. In den meisten Fällen handelt es sich um Bakterien, aber auch eine Blutvergiftung mit Viren, mit mikroskopischen Pilzen als Krankheitskeimen oder auch mit einzelligen Parasiten ist möglich. Typische Bakterienarten bei einer Sepsis sind beispielsweise Staphylococcus aureus, Escherichia coli, verschiedene Darmbakterien oder Streptokokken. An sich kann jede Infektion zu einer Sepsis werden, die weitaus meisten können vom Körper jedoch rechtzeitig erfolgreich beseitigt werden. In Krankenhäusern erworbene Infektionen (nosokomiale Infektionen) sind häufig für eine Sepsis verantwortlich.
Die anfängliche kleine Infektion weitet sich bei der Sepsis (Blutvergiftung) über das Blut aus. Eine Verteilung von einer gewissen Menge Bakterien im Blut bedeutet noch nicht eine handfeste Sepsis. Die Ansammlung von Bakterien im Blut ohne die Reaktion einer Sepsis wird Bakteriämie genannt.
Bakterien dringen oft über kleine Wunden ein, wie sie beispielsweise an der Haut oder durch die Zahnbürste im Mund zustande kommen. Das Abwehrsystem kann die Erreger meist wieder beseitigen, indem es eine Entzündungsreaktion startet. Die Blutgefäße werden erweitert, um mehr Blut in die betroffenen Bereiche zu lassen und damit mehr weiße Blutkörperchen (Leukozyten) dort hin zu transportieren. Die Leukozyten können Krankheitskeime sowie zugrunde gegangene eigene Zellen entfernen.
Kann die Abwehr die Erreger allerdings nicht mehr unter Kontrolle halten, dann können sie sich im Blutkreislauf und im Körper verteilen. Eine Sepsis besteht, wenn es daraufhin zu einer Entzündung im ganzen Organismus kommt.
Aus verschiedenen örtlich begrenzten Erkrankungen durch Infektionen kann eine Streuung der Erreger über den Blutkreislauf geschehen. Die ursprüngliche Infektion kann beispielsweise eine Mandelentzündung (Tonsillitis), Lungenentzündung (Pneumonie), Blinddarmentzündung (Appendizitis) oder ein Harnwegsinfekt (HWI) sein. Auch ein entzündeter Zahn kann verantwortlich sein, dass eine Blutvergiftung (Sepsis) entsteht. Eine Entzündung am Gehirn (Enzephalitis) oder an der Hirnhaut (Meningitis) ist ein weiterer möglicher Ursprung. Manchmal kommt es aufgrund von medizinischen Anlagen im Körper zu der Infektion beziehungsweise Sepsis, z. B. von Kathetern, Zugängen zum Blutgefäß, Drainagen, Prothesen oder inneren Gefäßschienen (Stents). Auch die Spirale zur Verhütung (Intra-Uterin-Pessar, IUP) kann der Herd für eine Sepsis sein.
Verletzungen können das Eindringen von Bakterien oder anderen Krankheitserregern in den Körper ermöglichen und somit der Ursprung einer Blutvergiftung sein. Unfälle (ob im Haushalt, Beruf oder auf der Straße), Verbrennungen oder Operationen können daher zu einer Infektion mit der Folge einer Blutvergiftung führen.
Ein abgeschwächtes Immunsystem begünstigt die Ausprägung einer Sepsis. Das gilt insbesondere für Aufenthalte im Krankenhaus. Dort findet sich im Vergleich zur Umgebung außerhalb der Einrichtung ein anderes Spektrum an Krankheitserregern, die abwehrgeschwächten Patienten gefährlich werden können. Eine Schwächung der Immunabwehr findet sich bei Menschen mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), mit bösartigen Erkrankungen wie z. B. Leukämie, bei einer HIV-Infektion beziehungsweise AIDS sowie bei der Einnahme von Medikamenten wie Immunsuppressiva oder Cortison. Menschen mit Substanzsucht wie z. B. Alkoholkrankheit oder Drogenabhängigkeit haben ebenfalls ein höheres Risiko als andere Menschen für eine Blutvergiftung. Auch Säuglinge und sehr kleine Kinder sowie alte Personen sind gefährdet. Manche Patienten haben aus erblichen Gründen eine stärkere Neigung für die Blutvergiftung.
Die Sepsis ist eine allgemeine Entzündung, die sich im ganzen Körper des Betroffenen abspielt. Ist die Blutvergiftung erst im Entstehen begriffen, dann kommt es zu Beschwerden, die noch nicht richtig auf die ganze Erkrankung hinweisen. Sie werden nicht selten als Symptome anderer Störungen interpretiert. Oftmals bestehen Symptome derjenigen Erkrankung, die den Ursprung der Blutvergiftung darstellt. Eine größere Verletzung als Eintrittspforte ist ohnehin auffällig, wenn sie für die Sepsis verantwortlich ist. Bei einem Harnwegsinfekt als Ursache kommt es beispielsweise zu Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen und zu verändertem Urin, bei einer Lungenentzündung kommt es zum Aushusten eitrigen Sekrets und zu Atemproblemen.
Patienten mit Sepsis fallen durch ein hohes Fieber auf. Dieses führt zu einem massiven Hitzegefühl und umgekehrt dann wieder zum Schüttelfrost. Die Haut der Betroffenen fühlt sich meist heiß an. Der Pulsschlag ist sehr schnell. Die Atmung erfolgt ebenfalls schneller als normal. Betroffene sind körperlich sehr geschwächt. Die Haut ist bei vielen Betroffenen blass und kann gräulich aussehen. In einigen Fällen zeigt sich ein Hautausschlag.
Manchmal ist die Körpertemperatur aber auch erniedrigt. Das kann vor allem bei Säuglingen oder kleinen Kindern oder bei alten Menschen so sein.
Auch auf die geistigen Funktionen wirkt sich die Sepsis aus, es kann zu Verwirrtheit, verminderter Aufmerksamkeit, Bewusstseinstrübung bis hin zur Ohnmächtigkeit oder zum Koma kommen. Sensibilitätsstörungen und Lähmungserscheinungen können auftreten.
Eine schwere Sepsis besteht, wenn zusätzlich Organe nicht mehr richtig funktionieren. Manchmal kommt es wegen der massiven Veränderungen von Kreislauf, Blut und Gefäßen dazu, dass sich Blutgerinnsel (Thromben) bilden. Sie können dazu führen, dass es an Organen zu Schädigungen kommt, da sie unterversorgt werden können. So können ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall dadurch entstehen. Die Niere kann in ihrer Funktion gestört werden, so dass es bis zu einem Nierenversagen kommen kann. Die Ausscheidung von Harn ist dann deutlich herabgesetzt. Durch eine Beteiligung der Leber an der Sepsis kann außerdem eine Gelbsucht entstehen (Ikterus). Die Augen und die Haut sind dabei gelb verfärbt.
Die Blutgefäße erweitern sich und der Blutdruck kann stark fallen. Leicht kann ein septischer Schock entstehen. Das ist ein Zustand, bei dem das Herz den Kreislauf nicht mehr gut aufrechterhalten kann und es zum Organversagen kommen kann. Der Organismus versucht nun noch weiter, durch ausgeschüttete Substanzen die Blutversorgung zu verbessern und die Gefäße zu erweitern. Das verschlechtert die Situation aber nur, da nun noch weniger Blut im Verhältnis zum Gefäßvolumen zur Verfügung steht. Die verstärkte Tätigkeit von Herz und Lunge kann auch nichts mehr dagegen ausrichten. Auch Organe, die unentbehrlich sind wie z. B. das Gehirn, werden nicht mehr richtig mit Sauerstoff versorgt. Der septische Schock ist ein sehr kritischer Zustand. 60 Prozent der Betroffenen versterben daran.
Eine Sepsis bei Säuglingen im ersten Monat ist ein Spezialfall und wird Neugeborenensepsis genannt. Diese lässt sich weiter unterteilen in die Frühsepsis (englisch: Early Onset Sepsis), deren Infektion sich wohl unter der Geburt ereignet und die spätestens nach vier Tagen eintritt, sowie die Spätsepsis (englisch: Late Onset Sepsis). Eine Neugeborenensepsis ist noch gefährlicher als eine Blutvergiftung bei größeren Kindern oder Erwachsenen, weil sie noch heftiger verläuft und zudem nicht so einfach festgestellt werden kann.
Die Diagnose erfolgt anhand einer Reihe von Kriterien, die durch die Untersuchungen überprüft werden. Der körperliche sowie der psychische Zustand werden kontrolliert, um Hinweise auf Organschäden etwa der Leber, der Niere oder des Gehirns zu erhalten. In der Blutdruckmessung fällt ein niedriger Blutdruck bei schneller Herzfrequenz auf. Die Temperatur wird bestimmt und liegt bei einer Sepsis entweder bei über 38°C oder bei unter 36°C.
Eine Blutentnahme wird durchgeführt, das Blut im Labor beurteilt. Dort kann ein hoher Anstieg der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) festgestellt werden. Die Leukozyten können bei sehr schweren Verläufen aber auch niedrige Werte annehmen. Andere Entzündungswerte sind bei der Sepsis erhöht wie z. B. das Procalcitonin und das CRP (C-reaktives Protein). Auch können niedrige Werte für Blutplättchen (Thrombozyten), die der Blutgerinnung dienen, auffallen. Bestehen Beeinträchtigungen von Organen, dann kann dies oft am Blut abgelesen werden. Bei Leberstörungen können erhöhte Leberwerte (Enzyme Gamma-GT, AST und ALT) sowie Bilirubin festgestellt werden. Nierenschäden sind durch erhöhtes Kreatinin im Blut gekennzeichnet.
Eine Sepsis ist dann gegeben, wenn sich eine Infektion als Ursache nachweisen lässt. Die Krankheitserreger werden in der Blutprobe, in einem Abstrich, in einer Urinprobe oder ähnlichem Material nachgewiesen. Dies ist notwendig, um das richtige Medikament (passendes Antibiotikum oder anderes Mittel) zu finden, was den Erreger beseitigt. Eine Lungeninfektion kann auch mit einem Röntgenbild festgestellt werden. Je nach den weiteren Symptomen oder möglichen Ursachen können verschiedene weiterführende Untersuchungsmethoden in Frage kommen.
Symptome, die sonst bei der Sepsis vorkommen, ergeben sich auch durch eine allgemeine Entzündung, die über den Körper verteilt ist, aber keine Infektion als Ursache hat. Diese hat die Bezeichnung SIRS (Systemic Inflammatory Response Syndrome).
Die Sepsis ist äußerst bedrohlich, weshalb der Patient schnellstmöglich behandelt werden muss.
Am Anfang der Behandlung steht die Beseitigung des Auslösers der Sepsis. Das heißt, dass der Ursprung der Infektion gefunden und therapiert werden muss. Medikamente können hierbei ebenso zum Einsatz kommen wie chirurgische Maßnahmen. Circa 20 Prozent der Fälle haben allerdings einen Ursprung, der sich nicht ermitteln lässt.
Antibiotika müssen in hoher Dosis gegeben werden, um ursächliche Bakterien möglichst effektiv und rasch zu beseitigen. Wenn andere Krankheitserreger (Pilze, Viren, einzellige Parasiten) die Sepsis verursacht haben, werden dagegen die passenden Mittel (Antimykotika, Anti-Virus-Medikamente, Antiparasitika) gegeben.
Ein Patient mit schwerer Sepsis muss in aller Regel auf einer Intensivstation behandelt werden. Hier müssen weitergehende Maßnahmen durchgeführt werden. Fehlende Flüssigkeit muss ersetzt werden, der Patient erhält dazu Infusionen. Eine Bluttransfusion kann ebenfalls notwendig sein. Nicht selten müssen die Patienten künstlich beatmet werden. Gegebenenfalls müssen Patienten auch künstlich ernährt werden.
Falls notwendig, können noch weitere Behandlungen durchgeführt werden. So muss manchmal der Blutzuckerspiegel gesenkt werden oder es müssen Schmerzmedikamente verabreicht werden. Um den Körper bei einer entstandenen Niereninsuffizienz (Nierenfunktionsschwäche) zu entgiften, kann eine Dialyse (Blutreinigung) erforderlich sein.
Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen, müssen oft eingesetzt werden, damit die Entstehung von Blutgerinnseln (Thromben) verhindert wird. Durch die Gabe von Mitteln wie Protonenpumpen-Hemmern oder Histamin-Blockern kann einem Magengeschwür vorgebeugt werden, das unter der Sepsis nicht selten entsteht und Blutungen zur Folge haben kann.
Ein septischer Schock (Kreislaufversagen durch die Blutvergiftung) beinhaltet einen stark herabgesetzten Blutdruck und eine dafür zu schwache Herzleistung. Diese Parameter müssen verbessert werden, damit die Organe wieder genügend Blut bekommen. Hier werden Wirkstoffe zur Verengung der Blutgefäße gegeben, durch die der Blutdruck wieder steigt. Weiterhin muss viel Flüssigkeit über Infusionen zugeführt werden. Auch die anderen intensivmedizinischen Maßnahmen müssen weiterhin erfolgen wie z. B. die Beatmung.
Die Sepsis ist nach wie vor äußerst gefährlich, trotz hohen hygienischen und medizinischen Standards. Eine rasche und intensive Behandlung ist erforderlich. Die Prognose ist von der Schwere der Sepsis abhängig. Ein septischer Schock, bei dem der Kreislauf nicht mehr richtig aufrechterhalten werden kann, hat eine sehr schlechte Prognose: Bei etwa 60 Prozent der Betroffenen verläuft er tödlich. Der Verlauf des Krankheitsbildes Blutvergiftung ist vor allem bei Patienten mit schon vorher schwachem Immunsystem ungünstig - was für sehr viele Sepsis-Patienten zutrifft.
Es gibt bezüglich der Sepsis einen möglichen Schätzwert, der besagt, dass das Risiko zu versterben mit jeder Stunde, die vergeht, um ein Prozent ansteigt. Ist eine Sepsis also für einen Tag im Gange, ohne dass eine Therapie erfolgt, ist dementsprechend mit dem Tod von knapp einem Viertel der Betroffenen zu rechnen. Eine Sepsis, die als schwer charakterisiert wird (mit Schädigungen von Organen), hat ein Sterberisiko von rund 47 Prozent.
Dauerhafte Schäden entwickeln sich nach einer Sepsis häufig, insbesondere nach einem überstandenen septischen Schock. Beispielsweise können geschädigte Nieren zurückbleiben, so dass auf Dauer eine Dialyse (Blutreinigung) erforderlich wird.
Eine Vorbeugung speziell gegenüber einer Blutvergiftung lässt sich nicht durchführen. Die Gefahr einer Blutvergiftung kann allerdings deutlich gesenkt werden, wenn eitrige Zähne, Mandelentzündungen, Harnwegsinfekte und andere infektiöse Erkrankungen rasch beseitigt werden. Zur Vorbeugung der Sepsis tragen auch Maßnahmen wie Hygiene und Wundbehandlung bei. Um das Risiko zu vermindern, dass sich eine Neugeborenensepsis entwickelt, wird die Vagina der Mutter vor der Geburt auf mögliche Erreger untersucht.
Menschen mit schwachem Immunsystem wie Diabetikern oder Patienten mit bösartigen Tumoren sowie älteren Personen und Kindern werden Impfungen empfohlen, unter anderem gegen Pneumokokken (Bakterien, die häufig für Lungenentzündungen verantwortlich sind). Patienten, insbesondere Risikopatienten oder Patienten beim Aufenthalt im Krankenhaus, sollten bei Symptomen wie Fieber, Schwindel oder Schüttelfrost umgehend dem Arzt Bescheid sagen.
aktualisiert am 31.03.2023