Prof. Beuschlein: Unter endokriner Hypertonie versteht man einen durch Drüsen und Hormone verursachten Bluthochdruck. Es handelt sich um eine hormonabhängige Form des Bluthochdrucks, die in jedem Lebensalter auftreten kann. In der Regel betrifft Bluthochdruck ältere Menschen, jedoch kann man in jedem Alter eine endokrine Hypertonie entwickeln.
Prof. Beuschlein: Natürlich ist die Wirkung der einzelnen Hormone auf den Blutdruck etwas unterschiedlich. Die häufigsten Hormone, die den Blutdruck beeinflussen, stammen aus den Nebennieren. Die Nebennieren sind Drüsen, die neben oder über den Nieren liegen. Die wichtigsten Hormone, die hier eine Rolle spielen, sind Aldosteron, Cortisol und Adrenalin. Adrenalin und Cortisol sind als Stresshormone bekannt, die eine Stressreaktion auslösen können, bei der Blutdruck und Puls steigen. Aldosteron hingegen ist weniger bekannt, obwohl es die häufigste Ursache für endokrinen Bluthochdruck ist. Aldosteron ist ein Hormon, das eine Art Natrium-Recycling bewirkt, wodurch mehr Natrium (Salz) von den Nieren zurückgehalten wird, was wiederum dazu führt, dass mehr Wasser im Körper zurückgehalten wird und der Blutdruck steigt. Ähnliches gilt für Cortisol, während Adrenalin den Puls erhöht und die Blutgefäße verengt, was ebenfalls den Blutdruck erhöht.
Die wichtigsten Hormone, die hier eine Rolle spielen, sind Aldosteron, Cortisol und Adrenalin.
Prof. Beuschlein: Das Problem besteht häufig darin, dass es keine eindeutigen Anzeichen für einen hormonell bedingten Bluthochdruck gibt. Vielmehr steht der Bluthochdruck im Vordergrund, ohne dass es eindeutige äußere Anzeichen dafür gibt. Dennoch gibt es Hinweise auf bestimmte Erkrankungen. Darüber hinaus gibt es spezifische Anzeichen, die von den verschiedenen Hormonen abhängen. So führt Adrenalin zu Symptomen einer akuten Stressreaktion wie beschleunigtem Puls, Mundtrockenheit, Blässe oder Kopfschmerzen. Das Stresshormon Cortisol kann zu Gewichtszunahme, Muskelschwäche und Osteoporose führen. Eine besondere Fettverteilung mit vermehrtem Bauchfett und dünnen Beinen sowie ein gerötetes, aufgedunsenes Gesicht können auf einen Cortisolüberschuss hinweisen. Bei Aldosteron spielen vor allem Laboruntersuchungen eine Rolle, insbesondere ein niedriger Kaliumspiegel im Blut, der durch eine vermehrte Ausscheidung aufgrund eines erhöhten Aldosteronspiegels verursacht wird. Diese Symptome sind jedoch schwer zu erkennen und erfordern in der Regel Laborwerte zur Diagnose.
Prof. Beuschlein: Dazu gehören in erster Linie Laboruntersuchungen. Es werden die Werte von Adrenalin, Cortisol und Aldosteron gemessen. Die Art der Untersuchung variiert je nach Hormon und kann eine Blutentnahme oder gelegentlich auch eine Urinuntersuchung umfassen. Häufig werden diese Tests unter verschiedenen Bedingungen durchgeführt, z.B. in Ruhe oder zu bestimmten Tageszeiten. Es hängt stark von den individuellen Hormonen ab. Neben den Laboruntersuchungen können weitere Untersuchungen sinnvoll sein, um den Blutdruck genau zu bestimmen. Dazu gehört zum Beispiel eine 24-Stunden-Blutdruckmessung oder die Suche nach Begleiterkrankungen, die den Blutdruck beeinflussen können. Dies erfordert dann Untersuchungen bei einem Kardiologen, einschließlich Ultraschall des Herzens, EKG-Untersuchungen und Ähnliches. Letztendlich müssen aber die Hormonwerte gemessen werden, um festzustellen, ob ein Anstieg der Hormone zu Bluthochdruck führt.
Neben den Laboruntersuchungen können weitere Untersuchungen sinnvoll sein, um den Blutdruck genau zu bestimmen.
Prof. Beuschlein: Es gibt verschiedene Erkrankungen, bei denen eine Drüse zu wenig Hormone produziert, zum Beispiel eine Unterfunktion der Schilddrüse oder eine Unterfunktion der Nebennieren. Hier geht es aber um das Gegenteil, nämlich um eine Überproduktion von Hormonen. Ein bekanntes Beispiel ist das Cushing-Syndrom, bei dem zu viel Cortisol produziert wird. Zu den Symptomen gehören Stammfettsucht, Muskelschwäche und in manchen Fällen auch Diabetes. Eine erhöhte Adrenalinausschüttung, die von der Nebenniere ausgeht, wird als Phäochromozytom bezeichnet. Ist der Aldosteronspiegel im Blut zu hoch, spricht man von primärem Hyperaldosteronismus, nach dem Erstbeschreiber auch Conn-Syndrom genannt.
Prof. Beuschlein: Wie zuvor kurz angesprochen, bewirkt Adrenalin, dass sich die Blutgefäße zusammenziehen, was wiederum den Blutdruck und den Puls erhöht. Cortison und Aldosteron hingegen sind vor allem für den Wasser- und Salzhaushalt im Körper verantwortlich. Sie bewirken eine vermehrte Aufnahme und Einlagerung von Flüssigkeit, was gelegentlich zu Schwellungen der Beine führen kann und den Druck in den Blutgefäßen erhöht. Letztlich führt dies zu einem erhöhten Blutdruck, der durch eine Blutdruckmessung festgestellt werden kann. Alle drei Hormone haben in dieser Hinsicht die gleiche Wirkung, der Weg dorthin ist jedoch unterschiedlich.
Prof. Beuschlein: Grundsätzlich kann man sagen, dass bei einem Hormonüberschuss im Körper zwei Hauptansätze verfolgt werden: Entweder versucht man, den Überschuss direkt zu regulieren, oder man blockiert bzw. unterdrückt die Wirkung dieser Hormone auf das Herz-Kreislauf-System und die Blutgefäße. Häufig ist an der Überproduktion von Hormonen wie Cortisol, Aldosteron und Adrenalin ein gutartiger Nebennierenknoten beteiligt, der operativ entfernt werden kann. Durch die Entfernung normalisieren sich in der Regel die Hormonwerte und im Idealfall auch der Blutdruck. Dies ist jedoch nicht immer der Fall und hängt auch vom Alter des Betroffenen ab.
Manchmal besteht neben dem hormonbedingten Bluthochdruck auch ein normaler arterieller Bluthochdruck, der gesondert behandelt werden muss. In solchen Fällen ist eine lebenslange Einnahme von blutdruckregulierenden Medikamenten erforderlich. Alternativ können auch Medikamente zur Kontrolle des hormonell bedingten Bluthochdrucks eingesetzt werden. Hier ist es wichtig, die geeigneten Medikamente zu finden, die speziell auf die individuelle Situation zugeschnitten sind, wie z.B. Aldosteronrezeptorblocker. Diese können oft in niedriger Dosierung eingenommen werden und minimieren so das Risiko von Nebenwirkungen.
Häufig ist an der Überproduktion von Hormonen wie Cortisol, Aldosteron und Adrenalin ein gutartiger Nebennierenknoten beteiligt, der operativ entfernt werden kann.
Prof. Beuschlein: Eine gesunde Lebensweise ist immer empfehlenswert, besonders auch, um einem gefährlichen Übergewicht vorzubeugen. Dazu gehören beispielsweise die Vermeidung einer salzreichen Ernährung und ausreichend Bewegung. Diese Maßnahmen sind in jedem Fall zu empfehlen, da sie dazu beitragen, das Risiko von Gesundheitsproblemen zu verringern. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Verhaltensweisen zwar generell positiv sind, aber nicht immer ausreichen, um eine Hormonüberproduktion zu regulieren oder einen erhöhten Blutdruck zu normalisieren. In solchen Fällen ist eine gezielte medizinische Behandlung erforderlich, um eine wirksame Kontrolle zu erreichen. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich eine Hormonüberproduktion von selbst zurückbildet.
Prof. Beuschlein: Eigentlich hat sich bezüglich der Behandlung nicht viel geändert. Natürlich gibt es neue Operationstechniken wie die minimal-invasive Chirurgie oder die roboterassistierte Chirurgie, die immer häufiger zum Einsatz kommt. Auch Fortschritte in der Anästhesie haben die Operation sicherer gemacht. Aber im Grunde wird immer noch der Knoten entfernt und im besten Fall ist die Krankheit danach geheilt. Das mag archaisch klingen, ist aber sehr effektiv.
Auch bei den Medikamenten gibt es wenig Neues: Bis vor kurzem gab es zum Beispiel den Aldosteronblocker, den es seit rund 50 Jahren gibt und der immer noch häufig eingesetzt wird. Es gibt einige neue Wirkstoffe mit kleinen Vorteilen, aber insgesamt hat sich nicht viel geändert. Eine neue Gruppe von Medikamenten, die die Produktion von Aldosteron blockieren, steht kurz vor der Zulassung, aber es ist noch nicht klar, ob sie wirklich besser sind als die bestehenden. Diese Medikamente wurden oft nicht speziell für Bluthochdruck, sondern für andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickelt. Es könnte sich aber herausstellen, dass sie in diesem Zusammenhang sehr wirksam sind.
Auch bei der Diagnostik hat sich in der Praxis leider nicht viel getan. Es ist nach wie vor schwierig, Patienten schnell und kostengünstig zu identifizieren, obwohl dies gerade bei einer so häufigen Erkrankung wie der aldosteronabhängigen Hypertonie von entscheidender Bedeutung ist. Nur ein kleiner Prozentsatz der Betroffenen wird überhaupt erkannt, was zeigt, dass hier dringender Verbesserungsbedarf besteht. Die rechtzeitige Erkennung und Behandlung der Betroffenen ist von entscheidender Bedeutung.
Prof. Beuschlein: In der Diagnostik gibt es verschiedene Ansätze. Eine Möglichkeit besteht darin, nicht nur ein Hormon zu messen, sondern mehrere gleichzeitig. Mit Hilfe von Algorithmen können Muster erkannt werden, die entweder auf eine frühe Erkrankung hinweisen oder sogar Untergruppen identifizieren, die unterschiedliche Behandlungsansätze erfordern. Eine Strategie besteht darin, möglichst viele aussagekräftige Hormone zu einem bestimmten Zeitpunkt zu messen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dasselbe Hormon über einen längeren Zeitraum zu überwachen, ähnlich wie bei der kontinuierlichen Blutzuckermessung mit Sensoren bei Diabetikern.
Die Diagnostik soll auch weiter vereinfacht werden. Zum Beispiel kann ein niedriger Kaliumspiegel bei Patienten mit einem hohen Aldosteronspiegel auftreten. Kaliummessungen sind einfach und kostengünstig, sodass eine Stufendiagnostik angewendet werden könnte, bei der bei Patienten mit niedrigem Kaliumspiegel automatisch die Hormondiagnostik durchgeführt wird.
Ein vielversprechendes Forschungsgebiet ist die Rolle der Hormone bei einer essentiellen Hypertonie. Es gibt Abstufungen in der Hormonaktivität, die bei der Behandlung von Bluthochdruck berücksichtigt werden könnten, insbesondere bei älteren Menschen, bei denen die Aldosteronproduktion ansteigen kann. Eine Möglichkeit besteht darin, die übermäßige Hormonproduktion gezielt zu behandeln, um den Bluthochdruck langfristig zu kontrollieren.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 19.03.2024.