Ärzte beobachten nicht selten Blut im Urin ansonsten gesunder Patienten nach extremen sportlichen Aktivitäten. Eine solche belastungsabhängige Hämaturie wird umgangssprachlich als Marsch-Hämaturie bezeichnet.
Der Name Marsch-Hämoglobinurie rührt von einer mechanischen Zerstörung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) durch lange Fußmärsche. Durch die Beschädigung der Erythrozyten tritt der Blutfarbstoff aus und färbt den Urin von leicht rot bis braun. Auch die extreme Belastung anderer Körperteile, wie der Hände durch sehr langes Trommeln, kann eine Zerstörung der roten Blutkörperchen bewirken.
Unter dem medizinischen Begriff Hämaturie wird das Vorhandensein roter Blutkörperchen (Erythrozyten) im Urin verstanden. Handelt es sich um eine ausgeprägte Hämaturie, ist das Blut bereits mit bloßem Auge sichtbar. In diesem Fall spricht man von einer Makrohämaturie. Im Gegensatz dazu kann bei der Mikrohämaturie das Blut im Urin ausschließlich unter dem Mikroskop oder mit speziellen Nachweisverfahren (Teststreifen) erkannt werden. Blut im Urin kann in vielen Fällen ein Zeichen für eine ernsthafte Erkrankung darstellen. Die Ursachen hierfür sind im Wesentlichen in den Harnwegen sowie den Nieren zu finden.
Sofern es sich nicht um sichtbares Blut im Urin handelt, fällt eine ausdauerbedingte Hämaturie lediglich im Rahmen eines routinemäßigen Urinscreenings auf. Im Breitensport sind Urinkontrollen, wie sie im Rahmen von Dopingkontrollen stattfinden, unüblich. In weniger als drei Prozent der Fälle handelt es sich um eine mit dem bloßen Auge sichtbare Rotfärbung des Urins (Makrohämaturie). Nicht sichtbare Fälle (Mikrohämaturie) werden selten diagnostiziert, da sie häufig ohne weitere körperliche Beschwerden verlaufen.
Blut im Urin ist bei Sportlern von der Intensität und Dauer der Anstrengung sowie der Sportart abhängig. Laufstrecken von mehr als 21 Kilometer waren in Studien bei 21 bis 25 Prozent aller untersuchten Sportler der Auslöser für die Hämaturie. Eine belastungsabhängige Hämaturie tritt normalerweise bei der ersten Blasenentleerung nach dem Training auf. Die Symptomatik verschwindet meist innerhalb von drei Tagen unabhängig von der geleisteten Trainingsintensität.
Im Labor lässt sich die Marsch-Hämaturie durch das Vorhandensein roter Blutkörperchen im Urin nachweisen. Schnelltests erlauben bereits bei geringen Blutmengen einen gute diagnostische Zuverlässigkeit. Für eine exakte Aussage bedarf es jedoch einer Auszählung unter dem Mikroskop. Im Differenzialblutbild (Unterscheidung der Blutzellen voneinander) kann nötigenfalls eine Beurteilung von auffälligen Formveränderungen der Erythrozyten (roten Blutkörperchen) erfolgen. Dies kann einen Anhalt hinsichtlich einer Beteiligung der Nieren ergeben. Werden im Labor Auffälligkeiten festgestellt, beispielsweise nicht normgerecht geformte rote Blutkörperchen (dysmorphe Erythrozyten), sind weitere Untersuchungsschritte notwendig. Dies trifft ebenso zu, wenn eine Hämaturie länger als 48 bis 78 Stunden andauert.
Ein erhöhter Wert des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin im Urin stellt eine Hämoglobinurie dar. Diese unterscheidet sich in ihren Ursachen nur wenig von der Hämaturie, führt indes zu einer eher rotbraunen Anfärbung des Urins.
Wichtig ist eine Unterscheidung der im Normalfall harmlosen Sportler- beziehungsweise Marsch-Hämaturie von schwerwiegenden Erkrankungen mit Blut im Urin. Die Diagnostik folgt hier den Empfehlungen und Leitlinien der verantwortlichen Fachgremien.
Eine leistungsabhängige Hämaturie verläuft in vielen Fällen ohne Symptome. Daher müssen insbesondere bei Patienten, welche das 45. Lebensjahr überschritten haben, gleichfalls Tumore der Harnwege in Erwägung gezogen werden, die über längere Zeit oft ebenfalls keine Beschwerden bereiten. Bei Männern ist ab diesem Alter zudem mit einer gutartig vergrößerten Prostata zu rechnen. Bestehen beim Patienten gleichzeitig Schmerzen, sollte an eine bakterielle Entzündung der Harnwege gedacht werden. Eine Beteiligung der Nieren muss insbesondere dann ausgeschlossen werden, wenn die Betroffenen gleichzeitig Schmerzen in der Leistengegend haben.
Blut im Urin als Zeichen einer belastungsabhängigen Hämaturie ist vorwiegend bei Männern sowie bei Extremläufern zu beobachten. Doch auch andere Laufsportarten und extrem bewegungsintensive Tätigkeiten sind in der Lage, eine Hämaturie auszulösen.
Traumatische Geschehnisse, wie sie durch einen Unfall oder eine Verletzung beim Sport verursacht werden, können die Ursache für Blut im Urin sein. Hier kommen vor allem Sportarten in Betracht, welche stark körperbezogen sind. Boxen und Fußball werden an oberster Stelle für direkte Gewalteinwirkungen genannt. Indirekt kann beim Laufen vornehmlich die Blase Verletzungen davontragen. Dies geschieht, indem die schlaffe Blasenwand durch die heftigen Auf- und Abbewegungen ständig gegen den festeren Blasenboden schlägt. Anhand bildgebender Verfahren (Röntgen, CT) konnte das bei Betroffenen bestätigt werden. Patienten mit sportbedingter Hämaturie zeigten eindeutige Anzeichen einer verletzten, blutigen Blasenschleimhaut. Ebenfalls können durch eine Erschütterung der Blase die anatomisch nahe liegenden Nieren beschädigt werden, wodurch eine Hämaturie ausgelöst wird. Vorbeugend sollte aus diesem Grund das Lauftraining nicht mit völlig entleerter Blase begonnen werden, da dies die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung innerhalb der Blase erhöht.
Fahrradfahren scheint hingegen seltener eine sportabhängige Hämaturie zu verursachen. Ursächlich für Blut im Urin ist beim Radfahren eher ein unebener Untergrund und eine damit verbundene Verletzung des Perineums (Damm = Bereich zwischen After und den äußeren Sexualorganen).
Auf der anderen Seite gibt es Sportarten, welche für Verletzungen dieser Art weniger anfällig sind. Daher muss für das Auftreten einer Hämaturie nach intensivem Schwimmtraining eine abweichende Erklärung gefunden werden. Ein Ansatzpunkt könnte die Freisetzung sogenannter Katecholamine sein. Katecholamine, zu denen das Adrenalin gehört, erhöhen durch eine Engerstellung der Arterien den Blutdruck und steigern die Herzfrequenz. Bei hoher körperlicher Belastung ist dies ein sinnvoller Mechanismus, um die Muskeln mit Sauerstoff zu versorgen. Jedoch führt eine Verengung der kleinen Arterien zu einem erhöhten Filtrationsdruck und damit einer Schädigung der Nieren. Dieser Effekt lässt sich im Labor durch die Bestimmung des Wertes Cystatin im Blut nachweisen. Bei 43 Prozent aller in einer Studie untersuchten Marathonläufer wurde ein zu hoher Cystatin-C-Wert gemessen, was für eine gestörte Filtration in den Nieren charakteristisch ist.
Intensives Laufen, vor allem Marathon, hat sich von einem von wenigen Extremsportlern ausgeführtem Wettkampf zu einer Sportart für eine große sportbegeisterte Masse entwickelt. Dabei werden nicht immer die eigenen körperlichen Fähigkeiten und gesundheitlichen Einschränkungen berücksichtigt. So wird die Einnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR), einer wichtigen Gruppe von Schmerzmitteln, zunehmend nicht nur im Spitzensport, sondern auch im Breitensport beobachtet. Bei mehr als einem Drittel aller Teilnehmer von verschiedenen Marathons konnte in Untersuchungen der Nachweis von NSAR im Urin erbracht werden. Neben schwerwiegenden Folgen wie Magenblutungen oder Nierenproblemen kann es durch diese Medikamente während der extremen sportlichen Leistung zu einer Ausscheidung von Blut mit dem Urin kommen.
Nicht jede Rotfärbung des Urins geht mit einer erhöhten Anzahl roter Blutkörperchen einher. Ist eine medikamentöse oder ernährungsbedingte Verfärbung des Urins ausgeschlossen, kann der rote Blutfarbstoff Hämoglobin verantwortlich sein (Hämoglobinurie). Hämoglobinurien können vielfache Ursachen zugrunde liegen. Sie können allergisch bedingt sein, das Zeichen einer Vergiftung darstellen oder durch die Malaria verursacht werden. Eine Marsch-Hämoglobinurie kann hingegen im Wesentlichen als harmlos bezeichnet werden.
Lässt sich eine Marsch-Hämoglobinurie nicht zweifelsfrei belegen, muss eine entsprechende Differenzialdiagnostik (Unterscheidung von anderen Ursachen) erfolgen. Als Nachweis von Blut im Urin dient für eine erste Übersicht die Teststreifenmethode. Diese Methodik ist indes nur unzureichend in der Lage, zwischen roten Blutkörperchen, also einer Hämaturie, und einer Hämoglobinurie zu unterscheiden. Unter dem Mikroskop werden im Gegensatz zur Hämaturie bei der Hämoglobinurie eine Vielzahl dysmorpher (unförmiger), dafür weniger intakte rote Blutkörperchen gefunden.
Roter Urin muss nicht zwingend auf eine ernsthafte Erkrankung hindeuten, sollte jedoch ein Grund für eine erhöhte Aufmerksamkeit darstellen. Tritt bei einem bisher gesunden Menschen eine Rotfärbung nach starker körperlicher Belastung auf, sollte bis zur Klärung der Ursachen auf Extremsport verzichtet werden. In den meisten Fällen bedarf eine solche Hämaturie keiner Behandlung und verschwindet innerhalb von ein bis zwei Tagen selbstständig. Sind die Symptome über mehr als drei Tage zu beobachten oder treten wiederholt auf, ist es ratsam, einen Arzt hinzuzuziehen.
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aktualisiert am 26.11.2020