Werdende Mütter durchleben während ihrer Schwangerschaft nicht nur ein Wechselbad ihrer Gefühle, sondern können auch zahlreiche körperliche Veränderungen feststellen. Mitunter treten im Verlauf der Schwangerschaft Beschwerden auf, welche jedoch meist auf die Zeit bis zur Geburt beschränkt bleiben. Blut im Urin bei Schwangeren kann ein Symptom verschiedener Erkrankungen und Störungen sein. Häufig handelt es sich um eine Harnwegsinfektion, doch auch andere, teils schwerwiegende Ursachen können dafür verantwortlich sein.
Unter einer Hämaturie wird in Fachkreisen das Vorhandensein von Blut im Urin verstanden. Genaugenommen spricht man von Blut im Urin, wenn rote Blutkörperchen, die sogenannten Erythrozyten, nachgewiesen werden können. Die Rotfärbung des Urins hat ihre Ursache im roten Blutfarbstoff, dem Hämoglobin. Bereits ab einer Beimengung von 0,4 bis 1,0 Milliliter Blut pro Liter Urin kann die Rotfärbung mit bloßem Auge erkannt werden. In diesem Fall wird von einer Makrohämaturie gesprochen. Lässt sich Blut im Urin lediglich unter dem Mikroskop oder mit speziellen Teststreifen nachweisen, handelt es sich um eine Mikrohämaturie.
Etwa 20 Prozent aller schwangeren Frauen entwickeln einen Infekt der Harnwege. Blut im Urin ist eine häufige Folge bei Harnwegsinfekten. Dabei kann es sich um eine sichtbare Anfärbung durch das Blut handeln (Makrohämaturie) oder um nur durch Tests nachweisbares Blut (Mikrohämaturie). Häufiger, auch nächtlicher Harndrang, Schmerzen beim Wasserlassen sowie im Bereich über dem Schambein sind übliche Anzeichen.
Die Ursache für diese Häufung bei Schwangeren liegt in mehreren Faktoren begründet. Das Schwangerschaftshormon Progesteron bewirkt eine Verminderung der Muskelspannung in der Gebärmutter, die sich aufgrund dessen besser ausdehnen kann. Dieser für die Schwangerschaft förderlichen Eigenschaft steht eine ebensolche Weitung der Harnleiter entgegen, was sich negativ auf den Durchfluss von Urin auswirkt. Die Entleerung der Harnblase ist durch die verringerte Muskelspannung ebenso erschwert, weshalb Restharn in der Blase verbleiben kann. Zudem erleichtert die im Vergleich zum Mann gerade drei bis vier Zentimeter lange Harnröhre der Frau ein Aufsteigen krankmachender Keime in die Blase und oberen Harnwege.
Zusätzlich verändert sich die Zusammensetzung des Urins während der Schwangerschaft. Der pH-Wert steigt und die Konzentration von Glukose (Zucker) im Urin nimmt zu. Die erhöhte Harnproduktion führt gleichzeitig zu einer Verdünnung von im Urin natürlicherweise vorhandener, infektionshemmender Substanzen. Zusammengenommen begünstigen diese Faktoren eine Vermehrung von Bakterien und ermöglichen durch den Rückstau von Harn eine Ausbreitung der Infektion in die Nieren.
Die Problematik eines Harnwegsinfektes während einer Schwangerschaft liegt in der Gefährdung des Kindes sowohl durch die Keime selbst als auch durch die Behandlung. Zwar treten Gefährdungssituationen für Ungeborene durch Bakterien selten auf, doch kann eine Therapie in den meisten Fällen nicht auf den Einsatz von Antibiotika verzichten. Aufgrund der fruchtschädigenden Wirkung von vielen Antibiotika muss der Arzt darauf achten, ein unbedenkliches Präparat auszuwählen. Unbehandelt kann ein Harnwegsinfekt schwerwiegende Folgen wie eine Frühgeburt, die Schädigung des Ungeborenen oder eine Fehlgeburt nach sich ziehen. Bakterien als Auslöser einer Schwangerschaftsvergiftung (Präeklampsie oder EPH-Gestose) werden selten beschrieben. Andererseits können die Nieren durch eine aufsteigende Entzündung geschädigt werden. In der Folge kann das blutdruckregulierende System der Nieren einen Bluthochdruck einleiten. Ein neu auftretender, ausgeprägter Bluthochdruck steigert das Risiko für eine Präeklampsie.
Das Nierenbecken erfüllt die Aufgabe, den in den Nieren produzierten Harn in die beiden Harnleiter (Ureter) abzugeben. Steigen Bakterien über die Blase und die Harnleiter aufwärts, kann dies eine Entzündung der Nierenbecken und des Nierengewebes nach sich ziehen (Pyelonephritis). Insbesondere symptomlos verlaufende Harnwegsinfekte neigen zur Ausbildung einer Nierenbeckenentzündung, da diese häufig spät erkannt und behandelt werden. Bei solchen unauffälligen Verläufen kann ebenfalls Blut im Urin nachgewiesen werden, doch ist hierfür eine regelmäßige Überprüfung des Urinstatus im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge notwendig.
Die Hydronephrose, wie die Stauungsniere in Fachkreisen genannt wird, findet ihre Ursachen entweder als Krankheit des Harnsystems selbst (Verengung der Harnleiter, Harnsteine, Fehlbildungen) oder es liegen Probleme außerhalb des harnableitenden Systems vor. Durch das oben beschriebene Progesteron und der damit verbundenen Schwäche der Harnleiter kommt es zu einem Rückstau von Harn in die Nieren. Das Wachstum des ungeborenen Kindes und der Gebärmutter führt zusätzlich zu einer Einengung in den Harnleitern. Durch den verstärkten Druck aufgrund des Harnaufstaus erweitert sich das Hohlsystem der Niere. Zusätzlich können Entzündungen, die durch den Aufstau begünstigt werden, Nierengewebe schädigen. Die Nieren sind in der Folge nicht mehr in der Lage, die Schadstoffe ausreichend zu filtern.
Das Auftreten einer Stauungsniere ist vorwiegend im letzten Schwangerschaftsdrittel anzutreffen. Eine Hydronephrose ist eine häufige Veränderung im Rahmen einer Schwangerschaft. Oft findet sich die Diagnose erst durch die regelmäßigen Ultraschallkontrollen während der Schwangerschaft. Eine Hämaturie kann einen Hinweis auf eine Stauungsniere geben, wenngleich auch andere Problematiken mit Blut im Urin einhergehen können. Typische Zeichen sind ziehende Schmerzen an den Seiten und dem Rücken, gerade zu Beginn der Harnstauung bemerken Betroffene jedoch oft nichts. Eine ausgeprägte Stauungsniere kann das Legen eines Katheters (Pigtail-Einlage) notwendig machen.
Von Harnsteinen sind Frauen vor allem in den beiden letzten Schwangerschaftsdritteln betroffen. Ursache kann eine vermehrte Kristallbildung sowie ein geringer Durchfluss von Harn durch die Harnwege sein. Bleiben die Steine am Übergang vom Nierenbecken zu den Harnleitern stecken, wird dies als schmerzhafter, wellenförmiger Schmerz in den Flanken wahrgenommen (Koliken). Sowohl sichtbares Blut im Urin als auch eine Mikrohämaturie (nur durch Laboruntersuchung feststellbare Blutzellen) können auftreten. Weiße Blutkörperchen (Leukozyten) im Urin und erhöhte Nierenwerte im Blut zeigen sich als typische Laborparameter. Zudem treten häufig Übelkeit und Erbrechen auf.
Der Großteil der Steine geht spontan ab, wobei ein hohes Trinkvolumen und Bewegung förderlich sind. Ist eine Beseitigung der Steine notwendig, bedarf dies der besonderen Vorsicht auf das ungeborene Kind. Daher wird, soweit möglich, eine sogenannte DJ-Harnleiterschiene eingesetzt, um den Abgang der Steine zu ermöglichen. Sollte dies nicht zum gewünschten Erfolg führen, kann mit einem endoskopischen Verfahren (Blasenspiegelung) versucht werden, die Steine aus den Harnwegen zu entfernen.
Bei der Sichelzellanämie handelt es sich um eine genetische Erkrankung, bei der die Form der roten Blutkörperchen gestört ist. Die Krankheit gilt momentan als nicht heilbar. Vor allem Organschäden führen zu einer verkürzten Lebenserwartung. Bei der schweren Variante der Erkrankung (homozygot) geht eine Schwangerschaft mit einem erhöhtem Thromboserisiko einher. Entsteht dabei eine Nierenvenenthrombose, kann diese Schmerzen und eine Hämaturie (Blut im Urin) verursachen. Eine medikamentöse Therapie in Form einer Gerinnungshemmung wird indes selten nötig. Ebenso konnte kein erhöhtes Risiko für einen frühzeitigen Abort oder eine Frühgeburt festgestellt werden. Bei den werdenden Müttern ist ebenfalls ein häufiges Auftreten von Bakterien im Urin auffällig.
Ein Fall für die Spezialambulanz stellen sogenannte thrombotische Mikroangiopathien dar. Dabei kommt es zu einem Verschluss kleinster Blutgefäße, was mit einer Beteiligung der Nieren einhergeht. Neben einem Zerfall der roten Blutkörperchen und einer Reihe weiterer Symptome sind solche Erkrankungen durch das Auftreten von Blut im Urin gekennzeichnet. Eine dieser Krankheiten ist das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS). Das HUS wird vielfach durch Infektionen mit Bakterien wie EHEC (enterohämorrhagischen Escherichia coli) oder Shigellen verursacht. Eine andere Form der Mikroangiopathien ist die thrombozytopenische Purpura (TTP), bei der die Blutplättchen (Thrombozyten) betroffen sind. Während die TTP vorwiegend im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel anzutreffen ist, wird das HUS eher nach der Geburt des Kindes beobachtet.
Kommt es zu Blutungen beziehungsweise einer sichtbaren Beimengung von Blut im Urin vor dem geplantem Geburtstermin, muss dies nicht zwingend ein Hinweis auf eine bevorstehende Fehlgeburt sein. Wichtig ist in diesem Fall die Ursachensuche für das Vorhandensein einer Hämaturie. Ebenso wenig muss der Ausschluss einer Harnwegsinfektion auf eine Fehlgeburt hindeuten. Ursächlich für die Hämaturie können gleichfalls hormonelle Schwankungen oder eine leichte Blutung des Muttermundes sein. Stellen Schwangere selbst Blut im Urin fest, ist eine Kontrolle durch die Frauenärztin oder den Frauenarzt erforderlich.
Zunehmend werden vor allem in den Industrieländern Störungen der Plazenta (Mutterkuchen) beschrieben. Begründet wird dies durch eine ansteigende Rate von Kaiserschnitten. Wenngleich selten, so gilt die Placenta percreta als eine der schwersten und folgenreichsten Fehlbildungen. Sie ist durch ein durchdringendes (infiltratives) Wachstum von Plazentagewebe durch die Muskelschicht der Gebärmutter hindurch gekennzeichnet. Unbemerkt kann die Plazenta sogar bis in das Innere der Harnblase hineinwachsen. Die Situation kann lebensbedrohlich werden. Nicht nur Blutungen aus der Vagina, sondern auch in die Harnblase können nach der Geburt auftreten. Nach wie vor ist die Entnahme der Gebärmutter (Hysterektomie) bei schweren Fällen nicht zu umgehen. Doch wurden mittlerweile auch Ansätze für eine mögliche medikamentöse Therapie veröffentlicht.
Beimengungen von Blut zum Urin sind während und nach dem Geburtsvorgang meist durch eine mechanische Verletzung der Scheide oder aufgrund von Beckenbodenverletzungen begründet. Da sie schnell abheilen, kommt diesen Verletzungen im Wesentlichen keine weitere Bedeutung zu.
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aktualisiert am 04.12.2020