Medikamente sollen Patienten rasch gesund machen. Sie sollen nur die Krankheit behandeln, für die sie vorgesehen sind, und den Patienten darüber hinaus weder körperlich noch psychisch schädigen. Leider gibt es solche perfekten Medikamente nicht. Nebenwirkungen gehören zu Medikamenten ebenso wie deren Wirkung und Verträglichkeit. Zu den negativen Begleiterscheinungen mancher Arzneimittel zählt das Auftreten von Blut im Urin.
Medikamente können einerseits aufgrund ihrer physikalischen oder chemischen Eigenschaften den Urin rot anfärben. Die Liste der Medikamente, welche andererseits tatsächlich Blut im Urin verursachen können, umfasst eine Vielzahl auslösender Substanzen.
Der Fachausdruck für eine Blutbeimengung im Urin lautet Hämaturie. Blut zeigt bereits bei geringen Konzentrationen von weniger als einem Tausendstel eine mit dem bloßen Auge sichtbare Verfärbung im Urin. Verantwortlich für die Färbung sind die roten Blutkörperchen, welche Erythrozyten genannt werden. Sichtbares Blut wird als Makrohämaturie bezeichnet, während man unter Mikrohämaturie eine geringe Anzahl roter Blutkörperchen im Urin versteht. Die Mikrohämaturie kann nur unter dem Mikroskop oder mithilfe von speziellen Teststreifen nachgewiesen werden.
Bei der Hämaturie handelt es sich lediglich um den Hinweis auf eine Erkrankung. Bei Blut im Urin gilt es zunächst die Ursache herauszufinden. Medikamente spielen bei den Auslösern eine nicht unbedeutende Rolle. Pharmakologische Substanzen sind in der Lage, die Nieren zu schädigen. Der Unterscheidung zwischen einer glomerulären und nicht glomerulären Hämaturie kommt eine wichtige Bedeutung zu: Glomerulär bedeutet, dass die Filtereinheiten (Glomeruli) in den Nieren betroffen sind. Nicht glomeruläre Ursachen betreffen den Harntrakt und hier überwiegend die Harnblase.
Werden die Nieren aufgrund der Einnahme von Medikamenten geschädigt, können die Nierenkörperchen betroffen sein (Glomerulopathie). Eine Form der Glomerulopathie ist die Glomerulonephritis, bei welcher es sich um eine beidseitige Entzündung der Nieren handelt. Ursächlich können neben anderen Krankheitsgeschehen auch Nebenwirkungen von Arzneimitteln sein. Im Gegensatz dazu ist die Glomerulosklerose nicht entzündlicher Natur. Die Schädigung geschieht dabei infolge von Einflüssen wie hohem Blutdruck, Diabetes mellitus oder Medikamenten.
Ausschlaggebend für eine Schädigung der Niere durch Medikamente kann neben der direkten Schädigung der Funktionseinheiten der Niere eine verminderte Durchblutung der Nieren sein.
Hält die Schädigung der Nieren über einen längeren Zeitraum an, kommt es unter anderem zu einer Hämaturie (Blut im Urin). Am Ende kann ein akutes Nierenversagen stehen.
Mehr als zwanzig verschiedene Wirkstoffe und mehrere hundert Handelsnamen umfasst die Gruppe der nichtsteroidalen Entzündungshemmer (NSAR). Darunter finden sich einige bekannte Schmerzmittel wie Ibuprofen, Diclofenac oder Acetylsalicylsäure. Vielfach rezeptfrei, werden sie als gut oder gar hervorragend verträglich beworben. Doch stehen ihrem Nutzen einige mögliche Schadwirkungen gegenüber.
In der Liste der Nebenwirkungen findet sich neben einer Gefährdung der Leber und des Magen-Darm-Traktes auch eine Schädigung der Niere. Diese kann vor allem bei chronischer Einnahme der NSAR auftreten.
Manche Mittel bewirken zudem eine Schädigung der Blase. Dort lassen sich insbesondere durch die Verabreichung des NSAR-Mittels Tiaprofensäure teils unumkehrbare entzündliche Veränderungen der Schleimhaut nachweisen. Solche Veränderungen können auf den gesamten Harntrakt übergreifen und zur Verlegung des Harnleiters mit anschließendem Nierenversagen führen. Das äußert sich in einer schmerzhaften Hämaturie.
Ein weiterer negativer Mechanismus bei der Einnahme von NSAR beruht auf der Hemmung der Cyclooxygenase. Dabei handelt es sich um ein Enzym, das zur Bildung der sogenannten Prostaglandine benötigt wird. Cyclooxygenase-Hemmer (COX-Hemmer), zu denen NSAR gehören, unterbinden somit die Bereitstellung der Prostaglandine. Die Prostaglandine wiederum sind für den Blutfluss in der Niere verantwortlich. Therapeutisch macht man sich die Hemmung der Cyclooxygenase zur Schmerzlinderung und zur Senkung von Fieber zu eigen. Als Nebenwirkung kann es hingegen zu einer Minderdurchblutung der Nieren bis hin zum akuten Nierenversagen kommen.
Medikamente, welche die Gerinnung hemmen, besitzen eine lebenswichtige Bedeutung für Patienten mit dem Verdacht oder einem bereits überstandenen Herzinfarkt, Schlaganfall oder Venenthrombosen. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden sie als Blutverdünner bezeichnet. Gerinnungshemmer können aufgrund ihres Wirkmechanismus in verschiedene Gruppen unterteilt werden.
Die Acetylsalicylsäure (ASS) kann auf zweierlei Weise eine Hämaturie herbeiführen. Sie gehört ebenfalls zu den oben beschriebenen NSAR und wirkt als Hemmstoff für die Cyclooxygenase-Enzyme. ASS wirkt schmerzstillend und entzündungshemmend. Unter den Nebenwirkungen findet sich eine mögliche Schädigung der Nieren und eine Hämaturie als begleitendes Symptom.
Außerdem wirkt ASS gerinnungshemmend als sogenannter Plättchenhemmer (Thrombozytenaggregationshemmer). Die Blutplättchen (Thrombozyten) üben eine wichtige Funktion bei der Blutgerinnung aus. Wird ein Blutgefäß verletzt, werden zuerst die Blutplättchen aktiviert. Sie bilden an der Gefäßwand ein Gerinnsel, welches dieses verschließt, um einen weiteren Blutverlust zu vermeiden. Blutgerinnsel können jedoch in Form von Thrombosen zur Gefahr werden, besonders wenn sich diese lösen und in den kleinen Gefäßen des Herzens oder Gehirns eine ausreichende Blutversorgung verhindern. Zur Vorbeugung eines solchen Infarktes kommen Plättchenhemmer zum Einsatz. Das am häufigsten verschriebene Medikament ist die Acetylsalicylsäure. Bekannt geworden ist ASS vor allem als Schmerzmittel. Die empfohlene tägliche Dosierung zur Blutverdünnung beträgt etwa 100 mg, während zur Schmerzlinderung die Einnahme von bis zu 3000 mg täglich möglich sind.
Neben den Plättchenhemmern werden vielfach sogenannte orale Gerinnungshemmer (Antikoagulanzien) eingesetzt. Im Unterschied zu ASS greifen diese in die Produktion der Gerinnungsfaktoren ein oder hemmen deren Wirkung. Zu den wichtigsten Mitteln gehört der Wirkstoff Phenprocoumon. Die Packungsbeilagen dieser gerinnungshemmenden Präparate weisen ausdrücklich auf ein gehäuftes Auftreten von Blut im Urin hin. Gerade im Zusammenhang mit Operationen am Harntrakt muss mit einer verstärkten Blutungsneigung und damit einer Makrohämaturie (sichtbarem Blut im Urin) gerechnet werden.
Zu den antibiotisch wirksamen Medikamenten, welche zu einer Hämaturie führen können, zählen vor allem die Penicilline. In der Natur kommen diese als Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen vor. Das nierenschädigende Potential stellt den Arzt vor die Aufgabe, den therapeutischen Nutzen gegen einen möglichen Schaden abzuwägen. Bei bestehender Schädigung der Niere muss eine individuelle Angleichung der Dosis erfolgen.
Penicillamin wird vor allem zur Behandlung des Morbus Wilson (Kupferspeicherkrankheit) sowie bei Vergiftungen mit Schwermetallen (Blei, Quecksilber) verwendet. Neben Eiweiß im Urin (Proteinurie) kommt es bei einer schweren Nierenschädigung (Immunkomplex-Glomerulonephritis) bisweilen zur Ausscheidung von Blut im Urin.
Bisphosphonate sind Wirkstoffe, welche gerne bei der Behandlung der Osteoporose, insbesondere nach den Wechseljahren, verabreicht werden. Von Funktionsstörungen der Nieren und einer möglichen Hämaturie wird berichtet, dem kann jedoch durch eine engmaschige Kontrolle der Nierenwerte im Labor vorgebeugt werden.
Die Purpura Schönlein-Henoch ist ein Krankheitsbild, welches bei Kindern und Jugendlichen auftritt. Das Leitsymptom ist ein Hautausschlag und schmerzhafte Gelenke, die durch eine Entzündung sehr kleiner Blutgefäße verursacht werden. Die erkrankten Gefäße können zudem in den Darm oder die Nieren einbluten und eine Hämaturie zur Folge haben. Impfungen mit Lebendimpfstoffen könnten für die Betroffenen die Gefahr einer zusätzlichen Infektion und vermehrten Blutung der kleinen Blutgefäße mit sich bringen.
Parasympatholytika oder Anticholinergika sind Präparate, welche die Bronchien erweitern, die Darmaktivität hemmen oder krampflösend wirken. Neben einer Reihe anderer Nebenwirkungen muss bei der Einnahme mit einem Harnverhalt gerechnet werden. Unbemerkt kann dies zur Entstehung eines Harnwegsinfektes und ernsten Nierenschäden beitragen, in dessen Folge häufig eine Hämaturie entsteht.
Bei der Behandlung der Zuckerkrankheit, vor allem mit dem Arzneimittel Pioglitazon, muss bei einer Hämaturie mit unklarer Ursache ein Arzt aufgesucht werden. Hintergrund ist ein möglicherweise erhöhtes Risiko, unter der Behandlung einen Blasenkrebs zu entwickeln. Die Studienlage dazu ist allerdings widersprüchlich. Vor der Verschreibung dieser Medikamente sollten zusätzliche Risikofaktoren für einen solchen Tumor (Rauchen, familiäre Vorbelastung) abgeklärt werden.
Allopurinol, ein häufig verwendetes Medikament zur Senkung der Harnsäure, kann blutverdünnende Medikamente in ihrer Wirkung verstärken. Daher sollte die Gerinnung während der Einnahme kontrolliert werden, um Blutungen, unter anderem im Harntrakt, zu verhindern. Eine langjährige Therapie mit Allopurinol kann zudem eine Entzündung der Nierenkanälchen hervorrufen (interstitielle Nephritis).
Für die Nieren schädlich sind überdies einige Medikamente, welche zur Bekämpfung von Tumoren verwendet werden. So können Cyclophosphamid und Mitomycin zu einer Entzündung der Blase und damit einem blutigen Urin führen.
Levodopa (L-Dopa) ist eines der am häufigsten verwendeten Medikamente zur Behandlung bei Morbus Parkinson. Bei regelmäßiger Einnahme oder einer Überschreitung der empfohlenen Tagesdosis kann eine Rotfärbung des Urins auftreten. Von ähnlichen Erfahrungen wird während der Einnahme des natürlichen L-Dopa mit der giftigen Mucuna pruriens (Juckbohne) berichtet.
Manche Arzneimittel besitzen aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung eine rote Farbe, welcher pharmakologisch keine Bedeutung zukommt. Zu diesen Medikamenten zählen Anthracycline, welche in der Medizin als zellhemmende Mittel (Zytostatika wie Daunorubicin) beispielsweise zur Behandlung von Blutkrebs (akute myeloische Leukämie und akute lymphatische Leukämie) eingesetzt werden.
Medikamente mit dem Wirkstoff Anthrachinone werden sowohl in ihrer pflanzlichen als auch ihrer künstlichen Variante als Abführmittel verwendet. Die Ausscheidung erfolgt überwiegend mit dem Stuhl. Lediglich ein kleiner Teil wird in das Blut aufgenommen und über den Urin ausgeschieden. Für eine wahrnehmbare Rotfärbung bedarf es einer größeren Aufnahme der Substanz.
Phenolphthalein ist manchem vielleicht aus der Chemiestunde als pH-Indikator bekannt. Die abführende Wirkung phenolphthaleinhaltiger Präparate kommt vor allem in Schlankheitsmitteln verbotenerweise zum Einsatz. Phenolphthalein verleiht alkalischem Urin (pH-Wert über 8) eine rosa bis rote Färbung.
Der Wirkstoff Aminophenazon besitzt eine schmerzstillende und entzündungshemmende Eigenschaft. Bei der Verstoffwechselung von Aminophenazon entsteht Rubazonsäure, welche als roter Farbstoff über die Nieren ausgeschieden wird. Der Wirkstoff Methylaminophenazon (entsteht im Körper aus dem Mittel Metamizol) kann neben der harmlosen Rotfärbung des Urins schwere Nebenwirkungen hervorrufen, weshalb er in vielen Ländern nicht zugelassen wurde.
Das bekannteste Beispiel für eine Rotfärbung von Urin ist die Rote-Bete-Knolle. Der Grund für die rote Farbe liegt in dem Stoff Betain, welcher Bestandteil einer Vielzahl von Pflanzen ist. In der Arzneimittelherstellung findet Betain indes kaum Anwendung.
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PTA heute, Cornelia Neth – Sibutramin und Phenolphtalein: Behörden warnen erneut vor Schlankheitsmitteln aus dem Internet: https://www.ptaheute.de/news/artikel/sibutramin-und-phenolphtalein-behoerden-warnen-erneut-vor-schlankheitsmitteln-aus-dem-internet/ (online, letzter Abruf: 03.12.2020)
aktualisiert am 03.12.2020