Makrohämaturie stellt sich als mit dem bloßen Auge sichtbares Blut im Urin dar. Meist wird dies von den Patienten als diffuse Rotfärbung wahrgenommen. Überdies können kleine Blutgerinnsel oder blutige Gewebeteilchen beigemengt sein. Nicht jede Rotfärbung muss indes sogleich als ein Hinweis auf Blut gewertet werden. Ebenso können bestimmte Medikamente oder Lebensmittel eine Farbänderung des Urins hervorrufen. Eine Unterscheidung zwischen Blut im Urin (Hämaturie) und solchen anderen Ursachen ist für den medizinischen Laien nicht sicher durchzuführen. Daher sollte stets eine Abklärung durch den Arzt erfolgen.
Die Rotfärbung des Urins bei einer Hämaturie beruht auf der Gegenwart roter Blutkörperchen, den sogenannten Erythrozyten. In Abhängigkeit von deren Anzahl im Urin färbt sich dieser hellrot bis braun. Wird die Rotfärbung des Urins durch den roten Blutfarbstoff, das Hämoglobin verursacht, spricht man von einer Hämoglobinurie.
Einem blutigen Urin liegen größtenteils Blutungsquellen innerhalb der Harnwege zugrunde. Weitere Ursachen für eine Beimengung von Blut sind bei Frauen durch die monatliche Regelblutung gegeben. Ebenso können Verletzungen der äußeren Genitalien bei beiden Geschlechtern eine Hämaturie vortäuschen.
Eine Blutung im Bereich des harnableitenden Systems wird in glomeruläre und postglomeruläre Ursachen unterteilt. Als Glomeruli werden die Filtereinheiten der Nieren bezeichnet. Somit bezieht sich die glomeruläre Hämaturie auf eine Beteiligung der Nieren. Der Begriff postglomerulär umfasst dagegen die ableitenden Harnwege vom Harnleiter (Ureter) über die Harnblase bis hin zur Harnröhre (Urethra).
Krankheiten der unteren Harnwege stellen den weitaus größten Anteil bei sichtbarem Blut im Urin. Bei Frauen mit blutigem Urin werden vielfach Harnwegsinfektionen diagnostiziert. Insbesondere bei gleichzeitiger Schmerzsymptomatik wie Brennen beim Wasserlassen und häufigem Harndrang liegt der Verdacht auf einen bakteriellen Harnwegsinfekt nahe. Bei der Frau ist vor allem die vergleichsweise kurze Harnröhre verantwortlich, da sie es Erregern erleichtert, rasch in die Blase aufzusteigen und sich dort zu vermehren.
Bei Männern, welche das 50. Lebensjahr überschritten haben, muss indes an eine gutartige Vergrößerung der Vorsteherdrüse (Prostata) gedacht werden. Die Prostata engt dabei den nahe der Blase gelegenen Teil der Harnröhre ein und verhindert einen störungsfreien Abfluss des Harns. Bakterien, welche entweder über die Harnröhre oder infolge einer bakteriellen Entzündung aus der Prostata in die Blase aufsteigen, finden im Restharn gute Wachstumsbedingungen.
Anders als bei Harnwegsinfekten leiden vorwiegend Männer unter Nierensteinen oder Blasensteinen. Aufgrund der veränderten Ernährungsgewohnheiten sind zunehmend auch Frauen betroffen. Die Calcium-, Harnsäure- und Oxalat-Steine gelten meist als Auslöser starker kolikartiger Schmerzen. In den Nieren können ebenfalls Steine entstehen, welche sich überwiegend erst bemerkbar machen, wenn sie in die Harnleiter abgehen und dort stecken bleiben.
Steine können auf zweierlei Weise für eine Makrohämaturie zuständig sein. Zum einen verursachen sie aufgrund ihrer kristallinen Struktur Verletzungen am Urothel (Schleimhaut der Harnwege). In der Blase gewinnen sie zum anderen häufig an Größe und können im Blasenhals stecken bleiben. In der Folge kommt es zum Rückstau von Harn, was eine mögliche Infektionsquelle darstellt und damit Blutbeimengungen im Urin bedingen kann.
Eine schmerzfreie, sichtbare Hämaturie ist als Symptom einer möglichen Erkrankung der Nieren zu werten. Kann gleichzeitig der Nachweis von Eiweiß im Urin erbracht werden, liegt der Verdacht einer Entzündung der Nierenkörperchen (Glomerulonephritis) nahe. Bei Kindern mit wiederholt sichtbarem Blut im Urin muss zudem an eine Erkrankung namens IgA-Nephropathie gedacht werden. Diese auch Berger-Nephritis genannte Nierenentzündung gehört zu den immunologisch vermittelten Störungen bei der Bildung von bestimmten Antikörpern (Immunglobulin A, IgA). Überwiegend wird die IgA-Nephropathie jedoch zufällig diagnostiziert und tritt als nicht sichtbare Hämaturie in Erscheinung.
Tumore der Blase verursachen im frühen Krankheitsstadium gewöhnlich keine Symptome. Für einen Großteil der Patienten typisch ist jedoch eine schmerzlose Hämaturie. Bei jedem zehnten Patienten mit Blut im Urin kann ein Krebs der oberen Harnwege festgestellt werden. Die Wahrscheinlichkeit einer Krebsdiagnose liegt bei einer Makrohämaturie sogar höher als bei nicht sichtbarem Blut (Mikrohämaturie). Circa 50 Prozent der Tumoren, welche mit einer Makrohämaturie einhergehen, werden als besonders bedenklich eingestuft. Sie weisen ein hohes Risiko für einen ungünstigen Verlauf auf. Da ein nicht unerheblicher Anteil von Patienten mit einer Makrohämaturie und der Diagnose Krebs jünger als 45 Jahre ist, sollte sichtbares Blut im Urin grundsätzlich Anlass für einen Arztbesuch sein.
Die Einnahme von „Blutverdünnern“ (wie Phenprocoumon) oder ein in der Harnblase liegender Katheter sind häufig gesehene Ursachen einer Makrohämaturie älterer Menschen. Blutungen und vor allem Infektionen sind nicht seltene Komplikationen beim Legen von Kathetern. Zusätzlich erhöhen gerinnungshemmende Medikamente das Risiko einer Hämaturie deutlich. Als lebensgefährlich muss Blut im Urin aufgrund der Einnahme von Gerinnungshemmern indes normalerweise nicht betrachtet werden.
Können Krankheiten des harnbildenden und -ableitenden Systems ausgeschlossen werden, kann eine Störung des Gerinnungssystems ursächlich für eine Hämaturie vorliegen. Ein Mangel der Gerinnungsfaktoren VIII oder IX bedingt die als Bluterkrankheit bekannte Hämophilie A beziehungsweise Hämophilie B. Bei diesen Erbkrankheiten treten spontane Blutungen der Gelenke, des Darms oder der Harnorgane auf. Weitere mögliche Auslöser für Blut im Urin können das sogenannte Willebrand-Syndrom oder eine Funktionsstörung der Blutplättchen (Thrombozyten) sein.
Zu den seltenen Ursachen einer Makrohämaturie gehört die Einklemmung der linken Nierenvene. Im computertomographischen Bild (CT) stellt sich diese ähnlich wie durch einen Nussknacker eingeklemmt dar. Dies führt zu einer Minderdurchblutung der Niere und in der Folge unter anderem zu einer häufig sichtbaren Hämaturie.
Die Diagnose einer Makrohämaturie stützt sich zuallererst auf die Beobachtungen des Patienten. Dieser bemerkt eine hellrosa bis dunkelrote Farbe seines Urins und stellt möglicherweise Blutgerinnsel fest. Die Abgabe einer Urinprobe ist unumgänglich und kann den Beweis einer Makrohämaturie erbringen. Heute besitzen viele niedergelassene Mediziner die Möglichkeit, mittels Teststreifen eine erste Aussage hinsichtlich des Urinstatus zu erreichen. Ist Blut im Urin vorhanden, verfärben sich kleine Testfelder entsprechend der nachgewiesenen Menge.
Erhärtet sich der Verdacht auf Blut im Urin, wird dies in entsprechend ausgerüsteten Labors oder Praxen anhand einer Urinprobe unter dem Mikroskop bestätigt. Mikroskopisch lässt sich zudem eine erste Unterscheidung (in glomerulär oder nicht glomerulär) treffen. Ist die Hämaturie zweifelsohne bestätigt, folgen klinische sowie laborchemische Untersuchungen, um eine Aussage hinsichtlich der Ursache zu erhalten.
Die Behandlung einer Makrohämaturie richtet sich stets nach den infrage kommenden Ursachen. Daher kommt einer ausführlichen Diagnostik eine wesentliche Bedeutung bei.
Das ausführliche Patientengespräch und in Ergänzung laborchemische Untersuchungen und bildgebende Verfahren können dem Arzt ein umfassendes Bild über den Zustand des Patienten liefern. Zur Basisdiagnostik gehören die Bestimmung von Kreatinin, Harnstoff und eventuell Cystatin C im Blut. Dies ermöglicht einen Überblick über die aktuelle Funktion der Nieren.
Das Urinsediment zeigt dem Arzt, ob im Urin Bestandteile (wie „Harnzylinder“ aus Proteinen und Blutzellen, Kristalle) zu finden sind. Diese Auffälligkeiten geben einen Hinweis auf die Art der Erkrankung. Eine zusätzliche Information bietet die Form der roten Blutkörperchen. Bei Infektionen erfolgt durch eine entsprechende mikroskopische Vergrößerung eine erste Einschätzung der Bakterien. Erst anhand der Urinkultur kann indes Art und Anzahl der Keime bestimmt und gleichzeitig ein wirksames Antibiotikum ermittelt werden.
Neben der üblichen Ultraschalluntersuchung können die Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) einen Aufschluss über die genaue Krankheitsursache geben und auf mögliche Behandlungsstrategien hinweisen.
Bei massivem Blutabgang über die Harnwege ist es zunächst erforderlich, Maßnahmen zur Stabilisierung des Blutkreislaufs zu treffen. Befindet sich viel Blut in der Harnblase, dann wird es über einen Katheter mittels einer Spülung entfernt. Das ermöglicht den Abgang des Urins, da der Abflussweg durch Gerinnselbildung verlegt sein kann.
Abgesehen davon ist die Therapie je nach Grund für die Hämaturie unterschiedlich. Ist beispielsweise ein bakterieller Harnwegsinfekt als Ursache ausgemacht, dann helfen Antibiotika. Bei Schmerzen kommen außerdem Mittel zur Linderung zum Einsatz.
Patienten, welche mit sichtbarem Blut im Urin konfrontiert sind, sollten einen Arzt aufsuchen. Zwar kann sich eine Makrohämaturie als harmlos herausstellen, doch besteht auch die Möglichkeit einer ernsthaften Erkrankung. Wie schwerwiegend sichtbares Blut im Urin eingestuft wird, hängt von zusätzlich vorhandenen oder hinzukommenden Beschwerden ab. Als Anhalt für die Einschätzung durch den Patienten können zudem die Farbintensität und Dauer der Symptomatik dienen. Dunkelrotes Blut, welches wiederholt und länger als einen Tag beim Wasserlassen beobachtet wird, sollte in jedem Fall durch einen Mediziner abgeklärt werden.
AWMF online – Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/043-044.html (online, letzter Abruf: 27.11.2020)
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aktualisiert am 27.11.2020