Eine Rotfärbung des Urins ist in den meisten Fällen ein Hinweis auf Blut im Urin. Obgleich die Gründe für diese Hämaturie vielfältiger Natur sein können, stellt bei Kindern ein Harnwegsinfekt die häufigste Ursache. Blut im Urin wirkt auf die Eltern betroffener Kinder äußerst beunruhigend. Doch konnten Untersuchungen zeigen, dass ein bis vier Prozent aller Kinder und Jugendlicher Blut im Urin aufweisen. Werden bei den Kindern außer dem Blut im Urin keine weiteren Krankheitszeichen gefunden (isolierte Hämaturie), ist nicht von einer ernsthaften Nierenerkrankung auszugehen.
Bei mehr als fünf roten Blutkörperchen (Erythrozyten) pro Mikroliter Urin spricht man von einer Mikrohämaturie. Zur Verdeutlichung: Bei Kindern finden sich in einem entsprechenden Volumen an Blut vier bis fünf Millionen rote Blutkörperchen. Diese geringe Anzahl an Blutzellen im Urin kann nur unter dem Mikroskop oder mit speziellen Teststreifen nachgewiesen werden. Blut besitzt eine hohe Färbekraft, welche auf dem Blutfarbstoff Hämoglobin beruht. Bereits ein Milliliter Blut (= 1000 Mikroliter) ist in der Lage, einen Liter Urin sichtbar rot zu färben. Eine solche gut erkennbare Menge Blut im Urin wird als Makrohämaturie bezeichnet.
Anders als bei Erwachsenen können Kinder ihre Beschwerden, vor allem im Kleinkindalter, nicht adäquat benennen. Oftmals wird der Befund einer Hämaturie zufällig im Rahmen eines Screenings erfasst. Ein positives Ergebnis auf einem Teststreifen (Stix) gibt lediglich das Vorhandensein von Hämoglobin wieder. Eine solche Verdachtsdiagnose muss mit weiterführenden Untersuchungen genauer beurteilt werden.
Gerade sehr kleine Kinder können jedoch nicht auf Wunsch Urin abgeben. Somit ist die Geduld und vor allem eine Methode notwendig, mit der nicht verunreinigter Urin gewonnen werden kann. Üblich sind die Gewinnung mittels der Beutelurin- oder der „Clean-catch“-Methode. Bei letzterer wird der Urin bei spontaner Ausscheidung nach dem Trinken gewonnen. Ist eine Verunreinigung nicht auszuschließen, muss die Gewinnung durch einen Katheter oder eine Blasenpunktion (Einführen einer Kanüle) erfolgen.
Neben der Urindiagnostik im Labor ist eine ausführliche Anamnese (Erfassung von Beschwerden und Vorerkrankungen) entscheidend für die Diagnostik und zielgerichtete Behandlung. Hierbei müssen zusätzliche Beschwerden wie Gelenkerkrankungen oder Veränderungen der Haut und Schmerzen mit einbezogen werden. Ebenso können Hör- oder Augenprobleme, eine auffällige Blutungsneigung sowie Erkrankungen in der Familie zur Diagnosefindung beitragen.
Eine Möglichkeit, die Hämaturie (Blut im Urin) einzuteilen, besteht in der Unterscheidung zwischen glomerulären und nicht-glomerulären Ursachen. Glomerulär bezieht sich auf die Filtereinheiten (Glomeruli) der Nieren. Bei einer glomerulären Hämaturie liegt daher der Auslöser in einer mangelnden Funktion oder einer Beeinträchtigung des Nierengewebes. Krankheiten der ableitenden Harnwege, also des Harnleiters (Ureter), der Blase, der Harnröhre (Urethra) bis zur Mündung werden als nicht-glomerulär oder post-glomerulär bezeichnet. Im Folgenden wird jedoch eine Einteilung anhand der Ursachen einer Hämaturie vorgenommen.
Bereits in einem Alter von sechs Jahren haben zwischen vier und zehn Prozent aller Mädchen und Jungen einen Harnwegsinfekt durchgemacht. Liegen keine Fehlbildungen der Harnwege vor, sind insbesondere Darmbakterien die Ursache einer Infektion. Der am häufigsten gefundene Keim, Escherichia coli, wird durch Schmierinfektionen bei der Stuhlhygiene in die Harnröhre übertragen.
Ein Harnwegsinfekt bei Neugeborenen lässt sich klinisch schwer erkennen. Unspezifische Symptome wie Magen-Darm-Beschwerden oder eine leichte Gelbsucht können ebenso auftreten wie mit Fieber verbundene Krankheitszeichen. Wird der Infekt nicht rechtzeitig erkannt, kann sich eine Neugeborenen-Sepsis (Ausbreitung der Entzündung im Blut) entwickeln. Ähnlich verhält es sich bei Säuglingen und Kleinkindern unter zwei Jahren.
Aufgrund der Häufigkeit von Harnwegsinfekten bei Kindern sollte ein Urin-Screening durchgeführt werden, zumal das Risiko für ein Rezidiv (Wiedererkrankung) besonders im ersten Lebensjahr hoch liegt. Anzeichen, wie sie typischerweise bei einem Harnwegsinfekt erwachsener Patienten zu erkennen sind, zeigen sich bei Kindern erst ab einem Alter von etwa zwei Jahren. Schmerzhaftes Wasserlassen, eine erhöhte Harnfrequenz, aber auch ein kompletter Harnverhalt gehen mit Schmerzen im Bereich oberhalb des Schambeins und einem faulig riechenden Urin einher. Als Reaktion auf das Eindringen von Bakterien reagiert der Körper mit Entzündungen, welche Blutungen nach sich ziehen können.
Infektionen der Harnwege können bei Kindern auf eine mögliche Fehlbildung hindeuten. Als Ursache kommen ein unnatürlich erweiterter Harnleiter oder Engstellen infrage. Ebenso muss an eine Störung der Harnröhrenklappen oder eine Doppelnierenbildung sowie eine Abnormalität von Nerven oder Muskeln gedacht werden.
Bei 20 bis 30 Prozent aller Kinder im Alter bis drei Jahre mit einem Harnwegsinfekt wird von einem Rückfluss von Urin in die Niere (vesikorenaler Reflux) ausgegangen. Ein solcher krankhafter Rückfluss bedingt eine ständig wiederkehrende Infektion und kann zusätzlich die vorhandene Fehlbildung verstärken. Eine mögliche Folge eines schwerwiegenden Rückflusses ist die Entstehung einer chronischen Nierenbeckenentzündung.
Bei einer Entzündung des Nierenbeckens (Pyelonephritis) handelt es sich um eine ernst zu nehmende bakterielle Entzündung des funktionellen Gewebes der Nieren. Verursacht wird sie in den meisten Fällen durch einen Rückstau von Urin in die Niere, wobei Bakterien über die Harnwege und die Blase in diese gelangen. Kennzeichnend sind plötzlich auftretendes starkes Fieber sowie Schmerzen in den Flanken im Bereich der Nieren.
Blutiger Urin lässt bereits auf eine Schädigung des Nierengewebes schließen. In ungünstigen Fällen kann eine Vernarbung von Nierengewebe mit unwiederbringlichen Funktionseinbußen die Folge sein. Diese Spätfolgen werden in Kinderarztpraxen jedoch selten gesehen. Eine weitaus höhere Bedeutung kommt Langzeitschäden zu, insbesondere einem arteriellen Bluthochdruck.
Bei Kindern mit wiederholtem Auftreten von Blut im Urin zählt die IgA-Nephropathie, auch Berger-Nephritis genannt, zu den an den häufigsten diagnostizierten Nierenentzündungen. Das Immunglobulin A (IgA) gehört zur Gruppe der Antikörper (für die Immunabwehr zuständigen Moleküle). Es findet sich vorwiegend im Bereich der Atmungsorgane sowie des Magen-Darm-Traktes. Bei Kindern mit einer IgA-Nephropathie wird von einer Störung beim IgA ausgegangen. Möglicherweise liegen schon Defekte bei den Stammzellen im Knochenmark vor, die an der Bildung des IgA beteiligt sind. Für die Entstehung wird unter anderem eine familiäre Vorbelastung diskutiert. Die Störung der IgA-Herstellung kann zu Entzündung und einer Beeinträchtigung der Produktion von Harn in der Niere führen. Wassereinlagerungen sowie Bluthochdruck können die Folge sein. Auffällig wird die IgA-Nephropathie häufig durch den zufälligen Befund einer Mikrohämaturie (unsichtbares Blut im Urin). Sichtbares Blut kann in seltenen Fällen im Verlauf einer zusätzlichen Erkältungskrankheit auffallen.
Eine typische erblich verursachte Krankheit der Nieren stellt die benigne familiäre Hämaturie dar. Feingeweblich ist die Erkrankung durch eine Ausdünnung der sogenannten Basalmembran in den Filtereinheiten der Niere gekennzeichnet. Dies erklärt die Durchlässigkeit der Filtereinheiten (Nierenglomeruli) für Blut in den Urin. Die Erkrankung verläuft meist ohne Symptome. Auch die Funktion der Nieren ist normalerweise nicht beeinträchtigt. Nur in wenigen Fällen äußert sie sich in Form einer geringen bis schweren Hämaturie. Eine Therapie ist erst angezeigt, wenn sich wiederholt Blut im Urin nachweisen lässt oder sich, in seltenen Fällen, ein Nierenversagen einstellt.
Bei der Diagnosestellung muss die oben beschriebene benigne familiäre Hämaturie vom Alport-Syndrom abgegrenzt werden. Auch hier kommt es zu einem Defekt bei der Bildung der Basalmembran der Filtereinheiten (Glomeruli) in den Nieren. Die Erkrankung wird zu 80 Prozent an Männer vererbt, sodass die Frage nach Nierenkrankheiten in der Familie ein Stützpfeiler der Diagnosestellung ist. Auffällig wird das Alport-Syndrom durch Blut und im weiteren Verlauf durch Eiweiß im Urin. Bei der Hälfte der Betroffenen muss in jungen Jahren mit einer Innenohrschwerhörigkeit auf beiden Ohren gerechnet werden. Störungen des Auges können ebenfalls entstehen.
Zystennieren gehören ebenfalls zu den erblichen Erkrankungen. Bei den Zysten handelt es sich um Aussackungen der kleinen Harnkanäle. Im späteren Verlauf schnüren diese sich ab und bleiben als flüssigkeitsgefüllte Bläschen in den Nieren bestehen. Nimmt die Anzahl der Zysten zu, kann die Funktion der Nieren beeinträchtigt werden. Die Mehrzahl der Patienten zeigt keine Krankheitszeichen, obgleich bis zu fünf Prozent aller zystischen Nierenerkrankungen bereits bei Kindern entdeckt werden. Harnwegsinfekte und sichtbares Blut im Urin geben nur gelegentlich einen Hinweis für die Erkrankung. In späterem Alter kann sich darüber hinaus ein Bluthochdruck entwickeln.
Blut im Urin als Folge kristalliner Ablagerungen in den Nieren bleiben vielfach der einzige Hinweis auf die sogenannte Nephrocalcinose. Stoffwechselstörungen, welche mit einem überhöhten Calciumwert im Blut einhergehen, führen zum Aussalzen von Calcium am funktionellen Gewebe der Nieren. Weiterhin gelten eine Überfunktion der Schilddrüse sowie eine langfristige Überdosierung mit Vitamin D als mögliche Auslöser. Krankheitszeichen sind meist auf das gleichzeitige Auftreten von Calciumsteinen in den oberen Harnwegen zurückzuführen.
Meist angeboren sind die seltenen Störungen der Blutplättchenfunktion. Kinder mit einer solchen Thrombozytopathie können bei einer Blutung nur eingeschränkt Blutgerinnsel bilden. Diese gestörte Gerinnung kann auch im ableitenden Harnsystem Blutverluste verursachen. Gleiches gilt für die Bluterkrankheit (Hämophilie), bei der ein erblich bedingter Mangel der Gerinnungsfaktoren VIII oder IX vorliegt.
In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 100 Kinder an einem sogenannten Wilms-Tumor (Nephroblastom). Wichtig sind eine rasche Diagnose und früher Behandlungsbeginn, da dieser Tumor zu einem schnellen Wachstum neigt. Wenngleich ein blutiger Urin zu den weniger häufigen Krankheitszeichen gezählt wird, muss bei gleichzeitigem Auftreten von Rückenschmerzen an einen Wilms-Tumor gedacht werden. Obwohl er zu den bösartigen und schnell wachsenden Karzinomen gehört, ist bei 90 Prozent der Patienten eine Heilung langfristig möglich.
Verletzungen der Nieren oder der ableitenden Harnwege gehen häufig mit Blut im Urin einher. Die Liste der Ursachen wird angeführt von Verkehrsunfällen, gefolgt von Sport- und Arbeitsunfällen. Der Großteil der urologischen Verletzungen wird durch das Reißen oder Abreißen von Gefäßstrukturen (Harnleiter, Harnröhre) oder Organen (Nieren) verursacht. Ebenso kommen für eine Hämaturie Verletzungen der Harnwege von innen durch kristalline Strukturen von Harnsteinen in Betracht.
Als passagere Hämaturie wird in der Medizin eine Beimengung von Blut im Urin verstanden, welche lediglich vorübergehend auftritt. Inwieweit die Ursachen von gesundheitlicher Bedeutung sind, hängt von der Anzahl der roten Blutkörperchen sowie von der Dauer der Ausscheidung ab.
Hinter einer solchen Sport- oder Jogger-Hämaturie stehen in den meisten Fällen keine ernsthaften Erkrankungen. Dennoch sollte abgeklärt werden, ob bei sportlich besonders aktiven Kindern schwerere Verletzungen ursächlich für den Übertritt von Blut in den Urin sein könnten. Ähnliche Gründe können für die Marsch-Hämoglobinurie bestehen. Hierbei werden rote Blutkörperchen mechanisch durch eine körperliche Anstrengung zerstört, sodass der rote Blutfarbstoff Hämoglobin über die Niere in den Urin gelangt.
Gleichermaßen auf einen bestimmten Zeitrahmen beschränkt ist die Beimischung von Blut während der Monatsblutung. Zwar ist eine Kontamination des Urins durch Menstruationsblut naheliegend, doch besteht die Möglichkeit einer gleichzeitig vorhandenen Entzündung der Harnwege.
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aktualisiert am 09.11.2020