Körperausscheidungen wie Urin oder Stuhl sind in unserer Gesellschaft ein weitgehend tabuisiertes Thema. Dennoch sollte gerade dem Aussehen und Geruch der Körpersekrete eine bedeutendere Rolle zukommen. Der regelmäßige Blick auf den Urin kann rechtzeitig einen Aufschluss über mögliche Erkrankungen geben. Bei gesunden Frauen ist dieser beinahe geruchsneutral und besitzt eine hellgelbe Farbe. Krankheiten können die Farbe jedoch deutlich verändern. Einer Beimengung von Blut im Urin beziehungsweise einer Rotfärbung des Urins können unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen. Nicht in jedem Fall muss es sich dabei um eine ernsthafte Erkrankung handeln.
Blut im Urin (Hämaturie) zeigt schon ab einer Beimengung von weniger als einem Tausendstel eine deutliche, mit dem Auge sichtbare Verfärbung. Die starke Einfärbung erklärt sich, wenn man bedenkt, dass sich in einem Milliliter (ml) Blut zwischen vier und sechs Milliarden rote Blutkörperchen befinden. Jede dieser Zellen (Erythrozyten) beinhaltet etwa 280 Millionen Hämoglobin-Moleküle, welche als roter Blutfarbstoff bekannt sind. Jedoch nicht alle Erkrankungen gehen mit sichtbarem Blut im Urin einher. Können rote Blutkörperchen ausschließlich unter dem Mikroskop oder mithilfe von speziellen Teststreifen nachgewiesen werden, wird dies mit dem Begriff Mikrohämaturie bezeichnet. Ab einer Konzentration von 0,4 bis 1,0 ml Blut pro Liter Urin kommt es zu einer wahrnehmbaren Rotfärbung und man spricht von einer Makrohämaturie.
Das Harnsystem kann nur in Verbindung mit den Sexualorganen betrachtet werden. Beide Systeme haben als sogenanntes Urogenitalsystem einen gemeinsamen embryologischen Ursprung. Betrachtet man Symptome wie Blut im Urin (Hämaturie), muss für die Klärung der Ursache auch das jeweilige Geschlecht betrachtet werden. Dem Mann und der Frau gemein sind die paarige Anlage der Nieren und die daraus entspringenden Harnleiter (Ureter). Diese münden in die Blase, welche bei der Frau anatomisch unterhalb der Gebärmutter (Uterus) liegt. Verändert sich deren Lage, kann dies zu erheblichen Beeinträchtigungen führen. Weitaus größere Probleme bereitet indes die Nähe der weiblichen Harnröhre (Urethra) zum Darmausgang (Anus). Die Länge der Harnröhre von der äußeren Öffnung bis zur Blase beträgt zudem nur wenige Zentimeter. Sie stellt daher eine leichte Eintrittspforte für krankmachende Keime, häufig aus dem Darm, dar.
Die monatliche Blutung ist für Frauen ab dem 12. Lebensjahr bis hin zu den Wechseljahren ein normaler Vorgang. Aufgrund der räumlichen Nähe des Harnröhrenausganges zur Vagina wird dieser in manchen Lehrbüchern zu den äußeren weiblichen Geschlechtsorganen gezählt. Dies erklärt, warum eine Vermischung von Menstruationsblut mit Urin denkbar ist. Doch wird ein Zusammenhang zwischen einer möglichen krankhaften Hämaturie und dem weiblichen Hormonzyklus nur in seltenen Fällen beschrieben. Blutungen in unregelmäßigen Abständen, während der Schwangerschaft oder nach den Wechseljahren sollten stets durch den Frauenarzt abgeklärt werden.
Blut im Urin kann bei Erkrankungen sowohl der Nieren als auch der ableitenden Harnwege in Erscheinung treten. Der Unterscheidung in eine glomeruläre und nicht glomeruläre Hämaturie kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu. Sind die Filtereinheiten (Glomeruli) in den Nieren geschädigt, lassen sich im Urin rote Blutkörperchen nachweisen, welche in dieser Form bei einer gesunden Niere nicht zu finden wären (dysmorphe Erythrozyten). In diesem Fall ist von einer glomerulären Hämaturie die Rede. Kann zudem der Nachweis von Eiweiß im Urin erbracht werden, liegt der Verdacht auf eine Glomerulonephritis nahe. Darunter wird ein meist nicht bakterielles entzündliches Geschehen der Filtereinheiten verstanden. Häufig handelt es sich um ein gegen das eigene Immunsystem gerichtetes Abwehrverhalten. Zu diesen Autoimmunkrankheiten gehört beispielsweise der Lupus erythematodes. Ein Diabetes mellitus kann ebenfalls zu Schäden an den Filtereinheiten führen (diabetische Nephropathie). Unter dem Mikroskop oder anhand eines Teststreifens sichtbares Blut im Urin (Mikrohämaturie) ist erst bei einer deutlichen Schädigung der Filtereinheiten zu erwarten.
Unter dem Begriff der nicht glomerulären Hämaturien werden Krankheiten verstanden, bei denen die Ursache für die Blutbeimengung in den unteren ableitenden Harnwegen zu finden ist. Diese stellen bei der Frau den weitaus größten Anteil dar. Eine große Rolle spielt die Blasenentzündung. Obgleich oftmals Blut im Urin nachgewiesen werden kann, verläuft eine solche Zystitis in den meisten Fällen unkompliziert. Dauert die Hämaturie über einen längeren Zeitraum an, sollte eine eingehende Untersuchung zur Klärung möglicher ernsthafter Ursachen erfolgen. In einem Drittel bis zur Hälfte aller Fälle heilt eine Blasenentzündung nach einer Woche spontan aus. Die Gabe von Antibiotika kann indes die Krankheitsdauer deutlich verkürzen. Eine antibiotische Therapie muss allerdings das individuelle Risiko berücksichtigen.
Eine der wesentlichen Ursachen für eine Blasenentzündung bei der Frau liegt in der im Vergleich zum Mann kurzen Harnröhre der Frau. Bakterien können daher schneller in die Blase aufsteigen und sich dort rasch vermehren. Als Infektionsherd gilt vor allem die räumliche Nähe der Öffnung der Harnröhre zum Darmausgang. Falsche oder mangelnde Hygiene sowie Sexualverkehr begünstigen die Übertragung, insbesondere von Escherichia-coli-Bakterien. Ebenso kann ein infizierter Partner die Keime übertragen, sodass bei wiederholten Blasenentzündungen im zeitlichen Zusammenhang mit Sexualverkehr an eine Untersuchung des Partners gedacht werden sollte.
Wird das Blut im Urin von Schmerzen zu Beginn beim Wasserlassen begleitet, spricht dies für eine Beteiligung der Harnröhre. Kommt es erst zum Ende des Wasserlassens zu Schmerzen und einer Beimengung von Blut, kann von einer Beteiligung der Blase ausgegangen werden.
Neben wiederholt auftretenden bakteriellen Ursachen für Blut im Urin muss gleichermaßen an eine Endometriose gedacht werden. Kennzeichnend für diese Erkrankung ist die Ausbildung von Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter. Die Symptome sind vielfach unspezifisch, äußern sich jedoch meist mit Beschwerden im Bauchraum sowie einer schmerzhaften Regelblutung. Gleichfalls muss bei einer ungewollten Kinderlosigkeit eine Endometriose als Grund in Betracht gezogen werden. Charakteristisch ist das vom weiblichen Hormonzyklus abhängige, zyklische Auftreten von Beschwerden. Da eine Endometriose überwiegend den Bauch- oder Beckenbereich betrifft, kann auch die Blase erkranken. Das ortsfremde Gewebe verhält sich ähnlich wie die Gebärmutterschleimhaut, sodass mit regelmäßig wiederkehrenden Blutungen und typischen Regelschmerzen zu rechnen ist (zyklische Hämaturie).
Rutscht die Gebärmutter aus ihrer vorgesehenen Lage tiefer in das Becken hinein, kann diese auf die Blase drücken. Neben häufigem Harndrang sowie Schmerzen und einem Druckgefühl im Unterleib führt eine Gebärmuttersenkung immer wieder zu Harnwegsinfekten, welche sich durch Blut im Urin bemerkbar machen können.
Eine seltene Ursache für sichtbares Blut im Urin besteht in einer anatomischen Besonderheit, bei der die Durchblutung der linken Niere gestört ist. Dabei wird die linke Nierenvene einem Nussknacker ähnlich in die Zange genommen. Neben einer Makrohämaturie (auffälliges Blut im Urin) macht sich dieses Phänomen durch Rückenschmerzen oder bei der Frau durch Schmerzen beim Sex bemerkbar (Dyspareunie).
Steine in den ableitenden Harnwegen sind vorwiegend ein Problem, unter welchem Männer leiden. Veränderte Ernährungsgewohnheiten haben in den letzten Jahren indes auch bei den Frauen in den westlichen Industrieländern zu einem Anstieg geführt. Calcium-, Harnsäure- und Oxalatsteine sind in der Hauptsache verantwortlich für die vielfach schmerzhaften Begleiterscheinungen.
Steine können in allen ableitenden Harnwegen auftreten. Nierensteine entstehen im Nierenbecken oder dem Nierenkelch und machen sich häufig erst bemerkbar, wenn sie in den Harnleiter übertreten und dort stecken bleiben. Vielfach wandern die Steine weiter in die Blase, wo sie an Größe zunehmen können. Gelangen sie in den Ausgang der Blase zur Harnröhre, kann ein Rückstau von Urin die Folge sein. Keime finden im angestauten Urin gute Wachstumsbedingungen. Daher sind sie in der Lage, eine Infektion bis hinauf zu den Nieren zu verursachen (Pyelonephritis). Zudem muss bei Blut im Urin an eine mechanische Schädigung der ableitenden Harnwege durch eingeklemmte Steine gedacht werden.
Bösartige Veränderungen von Nierengewebe werden vergleichsweise selten diagnostiziert. Der Altersschwerpunkt liegt bei beiden Geschlechtern um das 70. Lebensjahr. Das Nierenzellkarzinom zeigt oft erst spät Symptome und wird häufig zufällig bei bildgebenden Untersuchungen entdeckt. Die 5-Jahres-Überlebensrate wird momentan mit 77 Prozent angegeben. Sichtbares Blut ist ein seltenes Symptom und gilt als Anzeichen für ein fortgeschrittenes Stadium.
Ein Blasenkarzinom kann ebenfalls zu Blut im Urin führen. Während ein Karzinom der Blase weitaus häufiger bei Männern anzutreffen ist, wird die Sterblichkeit bei Frauen deutlich höher angegeben. Möglicherweise breitet sich der Blasenkrebs im fortgeschrittenen Stadium mit größerer Wahrscheinlichkeit in die Vagina aus, als dies zum Beispiel bei der Prostata der Fall ist. Ein Grund für das geringere Risiko, an Blasenkrebs zu erkranken, mag ein höheres Gesundheitsbewusstsein sowie eine frühere Diagnosestellung bei den Frauen sein.
Als Ursache für eine Hämaturie kann auch eine Störung des Gerinnungssystems vorliegen. Ein Mangel der Gerinnungsfaktoren VIII oder IX bedingen die als Bluterkrankheit bekannte Hämophilie A beziehungsweise Hämophilie B. Bei diesen Erbkrankheiten treten spontane Blutungen, beispielsweise der Gelenke oder des Darms, oder eine Hämaturie auf. Auch muss an das Willebrand-Syndrom, bei dem ein weiterer Gerinnungsfaktor in zu geringer Menge vorhanden ist, oder eine Funktionsstörung der Blutplättchen (Thrombozyten) als Auslöser für Blut im Urin gedacht werden.
Einer Rotfärbung des Urins muss nicht zwingend eine Erkrankung zugrunde liegen. Gleichermaßen sind Lebensmittel oder die Einnahme von Medikamenten in der Lage, eine Hämaturie vorzutäuschen oder zu verursachen.
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aktualisiert am 16.11.2020