Bei vielen Patienten mit einem Blasentumor muss im Rahmen einer OP die gesamte Harnblase entfernt werden. Meist ist dies notwendig, wenn ein Blasenkrebs (Blasenkarzinom) tief in die Blasenmuskulatur eingewachsen ist. Ärzte sprechen von einem invasiven Harnblasentumor. Hierdurch können die Mediziner die Blase nicht retten und müssen sie entfernen. Um nach der OP die Harnableitung ohne Blase weiterhin zu gewährleisten, finden sich heute unterschiedliche Möglichkeiten. Bei vielen Patienten können die Ärzte eine sogenannte Neoblase aus einem Stück Darm formen. Bei diesen Patienten muss nicht, wie sonst nach einer Blasenentfernung, für eine alternative Harnableitung über einen Zugang in der Bauchdecke gesorgt werden. Um eine Neoblase gestalten zu können, müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden. Zudem bringt die Neoblase eine Umstellung für den Patienten mit sich.
Damit die Ärzte im Rahmen der OP eine Neoblase aus Darmgewebe bilden können, muss der Harnleiter des Patienten intakt sein. Dies bedeutet, dass der Blasentumor den Harnleiter nicht befallen haben darf. Die Neoblase wird nach der Entfernung der Harnblase direkt mit dem Harnleiter verbunden. Hierdurch besteht die Möglichkeit, dass der Urin auf demselben Weg abgelassen werden kann wie vor der Tumor-OP. Des Weiteren muss der gesundheitliche Zustand des Blasentumor-Patienten diese umfangreiche OP erlauben. Werden diese Bedingungen nicht erfüllt, entscheiden sich die Ärzte für eine alternative Harnableitung über die Bauchdecke.
Die Gestaltung einer Neoblase ist ein komplizierter Eingriff. Nachdem die Mediziner die komplette Harnblase des Patienten entfernt haben, beginnt das Gestaltungsverfahren der Neoblase. Die vom Blasenkrebs befallene Harnblase wird beim Mann mitsamt der Prostata und den Samenblasen entfernt. Bei Frauen werden mit der Harnblase auch die Eileiter, die Eierstöcke und die Gebärmutter operativ entfernt. Nachdem dieser Vorgang beendet wurde, bilden die Ärzte die Neoblase aus einem 40 bis 70 cm langen Stück Dünndarm. Im Anschluss werden die beiden Harnleiter mithilfe einer sogenannten Schleimhauttunnelung mit der Neoblase vernäht. Um eine optimale Wundheilung zu gewährleisten, setzen die Chirurgen noch einen vorübergehenden alternativen Harnableitungsweg über einen Katheter. Nachdem die Neoblase auf ihre Dichtheit hin geprüft wurde, kann die Operationswunde geschlossen werden.
Nach dieser umfangreichen OP muss der Patient intensiv gepflegt werden. Das Pflegepersonal und die Ärzte legen einen besonderen Augenmerk auf die alternative Harnableitung. Es dürfen sich keine Anstauungen und Probleme bei der Harnableitung einstellen. Des Weiteren wird dafür gesorgt, dass die Operationswunden gut verheilen. Der Patient erhält in dieser Phase Medikamente gegen die Schmerzen. Die intensive Pflege nach der OP dauert je nach Zustand des Patienten drei bis sieben Tage. Danach wird der Patient auf eine normale Station im Krankenhaus verlegt.
Auf der normalen Station im Krankenhaus angekommen, beginnt das Training mit der Neoblase. Dem Patienten werden wichtige Informationen in Bezug auf die Ernährung, das richtige Trinkverhalten und den generellen Umgang mit der Neoblase vermittelt. Parallel werden weiterhin Maßnahmen für die Wundpflege und eine konstante Überwachung der Harnableitung durchgeführt. Hierfür werden beispielsweise regelmäßige Spülungen der Harnwege angesetzt. Sobald es der Zustand des Patienten erlaubt, beginnen in dieser Phase die ersten Reha-Maßnahmen. Diese Rehamaßnahmen gestalten sich in Form von krankengymnastischen Mobilitätsförderungen.
Ungefähr zwei Wochen nach der OP sind die Operationsnähte verheilt. In dieser Phase führen die Ärzte einen Funktionstest der Neoblase und eine erneute Dichtigkeitsprüfung durch. Sind die Ergebnisse dieser Tests gut, kann die vorübergehende alternative Harnableitung entfernt werden.
An diesem Punkt beginnt für den Patient das eigentliche Training mit der Neoblase. Die Neoblase muss grundsätzlich regelmäßig mithilfe des sogenannten Bauchpressens entleert werden. Dieses Bauchpressen erlernt und übt der Patient unter fachlicher Anleitung.
Eine Neoblase kann nicht wie eine normale Harnblase entleert werden. Der Patient muss für die Entleerung der Neoblase mithilfe der Bauchmuskulatur Druck ausüben. Diese Technik erlernt der Patient bereits im Krankenhaus und übt sie weiter im Rahmen der Rehabilitation. Des Weiteren muss sich der Patient darauf einstellen, die Neoblase in regelmäßigen Zeitabständen zu entleeren. Das Problem hierbei ist, dass der Patient es nicht mehr spürt, wenn die Blase voll ist. Wird die Blase nicht regelmäßig entleert, kann es zu einem Harnrückstau bis zu den Nieren kommen. Direkt nach der OP hat eine Neoblase ein maximales Volumen von 100 bis 150 ml. Dementsprechend oft muss die Neoblase mithilfe des Bauchpressens entleert werden.
Direkt nach der Gestaltung der Neoblase funktioniert der Schließmechanismus der neuen Blase noch nicht optimal. Aus diesem Grund geht oft ungewollt etwas Harn ab - die Patienten sind in dieser Phase leicht inkontinent. Das vorübergehende Tragen von Windeln oder Einlagen ist erforderlich. Die vollständige Kontinenz (Kontrolle über das Wasserlassen) muss der Patient trainieren. Hierfür werden mithilfe spezieller Übungen der Schließmuskel und der Beckenboden trainiert. Dieses Training muss der Patient mehrmals am Tag durchführen. Nach sechs Monaten sollte sich durch dieses Training eine zufriedenstellende Kontinenz einstellen. Allerdings bezieht sich diese Kontinenz bei vielen Patienten nur auf den Tag. Nachts, wenn die Patienten schlafen, entspannt sich der Schließmuskel und der Beckenboden. Hierdurch stellt sich bei ungefähr 30 Prozent der Patienten mit einer Neoblase eine nächtliche Inkontinenz ein.
Durch eine Neoblase können je nach Patient verschiedene Komplikationen in Erscheinung treten. Einige Beispiele für Komplikationen und deren Häufigkeit sind:
Des Weiteren kann durch die Anfertigung der Neoblase nach längerem Zeitraum ein Vitamin-B12-Mangel entstehen, weil ein Stück des Dünndarms an der eigentlichen Stelle fehlt und weniger Vitamin B12 aufgenommen werden kann. Bei manchen Patienten stellt sich durch die OP eine Darmabknickung ein. Entzündungen am Darm und eventuell schlechte Wundheilungen können ebenfalls auftreten.
Patienten, die aufgrund von einem Harnblasentumor eine Neoblase erhalten haben, ist generell eine Reha zu empfehlen. Die Rehabilitation zielt auf den körperlichen und psychischen Wiederaufbau ab. Zudem lernt der Patient im Rahmen der Reha den sorgfältigen Umgang mit der Neoblase. Im Zeitraum der Rehabilitation wird der Patient ärztlich betreut. Die Neoblase wird regelmäßig auf eine optimale Funktionalität überprüft. Des Weiteren lernen die Patienten, wie sie sich im Notfall einen Katheter für die Harnableitung einführen können. Ziel der Rehabilitation ist es, den Patienten auf den Alltag vorzubereiten.
aktualisiert am 18.02.2019