Blasenbildende Erkrankungen sind eine Gruppe von Hautkrankheiten, bei denen sich obere Hautschichten von unteren lösen und Blasen auffällig werden. Sie werden auch bullöse Dermatosen oder Autoimmundermatosen genannt. Die Ursache dieser Störungen ist eine Bildung von Antikörpern gegen bestimmte Bestandteile der eigenen Haut. Blasenbildende Erkrankungen gehören damit zu den Autoimmunerkrankungen. Blasen und Defekte können sich an der Haut finden oder an Stellen der Schleimhaut, die nicht weit von der Körperoberfläche entfernt sind. Blasenbildende Erkrankungen lassen sich im Wesentlichen unterscheiden in
Die blasenbildenden Hautkrankheiten sind insgesamt selten. Allerdings ist die Anzahl der diagnostizierten Erkrankungen dieser Art in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Der hauptsächliche Grund dafür dürfte in den fortgeschrittenen Untersuchungsmethoden liegen, so dass mehr Erkrankungsfälle festgestellt werden können.
An der Krankheitsentstehung sind Antikörper beteiligt, die gegen unterschiedliche Gewebe in der Haut reagieren. Die Hautstabilität wird hierdurch empfindlich gestört. Antikörper richten sich gegen Anteile der Oberhaut (Epidermis), gegen Anteile der Trennschicht (Basalmembran) zwischen Oberhaut und Lederhaut oder gegen andere Strukturen im Gewebe. Die Störungen gehören zu den Autoimmunerkrankungen (Erkrankungen, bei denen körpereigenes Gewebe vom Abwehrsystem angegriffen wird). Es gibt verschiedene Erkrankungen, die etwas abweichende Entstehungsmuster haben.
Bei einem Pemphigus werden vom Organismus Antikörper gegen die sogenannten Desmosomen gebildet. Desmosomen sind Eiweiße, die Hautzellen miteinander verbinden und so die Haut stabilisieren. Die Antikörper beim Pemphigus bewirken, dass die Zellverbindungen aufbrechen und sich Blasen zwischen Schichten der Oberhaut bilden (intraepidermal). Abgelöste Zellen werden als Pemphiguszellen bezeichnet, sie werden rundlich. Zum Pemphigus gehören der "gewöhnliche" Pemphigus vulgaris, ferner der Pemphigus foliaceus (führt eher zur Hautabblätterung) und der IgA-Pemphigus. Manchmal ist auch ein bösartiger Tumor an der Entstehung eines Pemphigus beteiligt (paraneoplastischer Pemphigus).
Pemphigoid-Erkrankungen entstehen durch Antikörper, die gegen die Basalmembran (Membran zwischen Ober- und Lederhaut) gerichtet sind. Genauer zerstören sie die sogenannten Hemidesmosomen, die Verbindungen zwischen der Membran und der untersten Schicht von Hornzellen der Oberhaut darstellen. Die Blasen beim Pemphigoid haben eine dickere Oberfläche als beim Pemphigus, da die Haut sich tiefer löst. Zu den Pemphigoid-Erkrankungen gehört das bullöse Pemphigoid, das vernarbende Schleimhautpemphigoid, das Schwangerschafts-Pemphigoid (Pemphigoid gestationis), weitere Pemphigoid-Formen sowie die lineare IgA-Dermatose und die Epidermolysis bullosa acquisita.
Eine Epidermiolysis bullosa acquisita entsteht aufgrund von Antikörpern, die sich gegen ein Verbindungseiweiß der Haut richtet, das Kollagen 7. Da sich die Verbindung zwischen der Basalmembran und der sich darunter befindlichen Lederhaut löst, kommt es zu leicht verletzbarer Haut, Nagelproblemen und bisweilen zu Blasen.
Auch das bullöse Pemphigoid kann im Zusammenhang mit einem bösartigen Tumor auftreten.
Die Dermatitis herpetiformis Duhring ist eine Erkrankung, deren Ursache nicht genau bekannt ist. Die Blasen entstehen in tieferen Schichten der Haut. Die Dermatitis herpetiformis Duhring geht zu über 90 Prozent der Fälle mit einer Unverträglichkeit gegenüber Gluten einher (Zöliakie, glutensensitive Enteropathie). Es ist wahrscheinlich, dass ein Zusammenhang über Antikörper besteht, die sich auch gegen spezielle Enzyme innerhalb der Haut richten, nämlich gegen die Transglutaminasen. Krankheitsschübe können durch Gluten ausgelöst werden, ein Eiweiß, das vielfach in Getreide enthalten ist. Auch Jod kann einen Schub provozieren, z. B. nach dem Verzehr von Meeresfischen.
Blasenbildende Erkrankungen haben gemein, dass sich Blasen an der Haut mehr oder weniger stark ausprägen. Hinzu kommen weitere Störungen und Beschwerden. Die Krankheitsbilder unterscheiden sich aber in den Symptomen und in der Prognose deutlich voneinander.
Der Pemphigus vulgaris tritt hauptsächlich bei Menschen im mittleren bis höheren Alter auf. Die Erkrankung betrifft den gesamten Bereich der Haut und auch die Mundschleimhaut. Schlaffe Blasen mit dünner Oberfläche, die recht früh aufgehen, zeigen sich auf sonst unbehelligter Haut oder Schleimhaut. Die aufgeplatzten Blasen heilen schlecht, es kommt zur Krustenbildung und oft zu Infektionen an den Stellen. Die allgemeine Gesundheit wird oft erheblich geschwächt. In die gleiche Gruppe der Erkrankungen fällt der Pemphigus foliaceus, bei dem die Haut eher abblättert als Blasen bildet, weil im Vergleich zum Pemphigus vulgaris eher obere Hautschichten beteiligt sind. Beim Pemphigus foliaceus zeigen sich daher fast nur Hautabschabungen, außerdem sind die Schleimhäute nicht in die Erkrankung mit einbezogen. Eine weitere Pemphigus-Form ist der IgA-Pemphigus, der sehr selten ist und bei dem sich Pusteln bilden. Ein paraneoplastischer Pemphigus (durch bösartigen Tumor ausgelöster Pemphigus) hat ein sehr diverses Krankheitsbild mit Hautdefekten, Blasen, Pusteln und Plaques sowie einer Mundschleimhautentzündung (Stomatitis).
Das bullöse Pemphigoid äußert sich vor allem durch festere, prall gefüllte Blasen an der ganzen Haut. Häufig klagen Patienten über einen starken Juckreiz. Das bullöse Pemphigoid hat oftmals ein "Vorstadium", bei dem sich noch keine Blasen bilden, sich aber ein ausgeprägter Juckreiz bemerkbar macht. Meist betrifft das bullöse Pemphigoid Personen im höheren Alter. Ältere Personen mit Juckreiz sollten daher auch auf die Erkrankung untersucht werden.
Auch das Schwangerschafts-Pemphigoid (Pemphigoid gestationis) führt zu starkem Juckreiz und zu Hautstörungen wie Ausschlag, aber kaum zu Blasen. Es tritt während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt des Kindes auf.
Ein vernarbendes Schleimhautpemphigoid ist eine Erkrankung, die vor allem Schleimhäute befällt. So kann unter anderem das Auge betroffen sein und stark geschädigt werden, was bis hin zur Blindheit führen kann.
Die lineare IgA-Dermatose tritt bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen auf und zeigt Blasen (mitunter ringförmig angeordnet) und Hautrötungen.
Die Epidermiolysis bullosa acquisita ist durch viele pralle Blasen der Haut gekennzeichnet. Es gibt eine entzündliche Form und eine Form, bei der sich Blasen und Hautdefekte an mechanisch beanspruchten Bereichen zeigen.
Die Dermatitis herpetiformis Duhring zeigt sich in Form kleiner Knötchen oder Bläschen, die oft in Grüppchen auftreten - das ähnelt einem Herpes, deshalb steht das "herpetiformis" im Namen. Die Bläschengruppen kommen vor allem an Stellen wie dem Ellenbogen oder anderer Streckseiten vor und es kommt zum Juckreiz.
Der Hautarzt stellt dem Patienten Fragen (Anamnese), unter anderem, wie lange die Erkrankung schon vor sich geht, welche Symptome auftreten und ob es andere Vorerkrankungen gibt. Die Haut wird genau angeschaut und beurteilt, genau wie die zugänglichen Stellen von Schleimhaut.
Das Nikolski-Phänomen hilft dem Arzt, blasenbildende Erkrankungen der Haut voneinander zu unterscheiden. Nikolski 1 bedeutet, dass eine Verschiebung der Haut im gesund aussehenden Bereich zu einer Blasenbildung führt, was typisch für Pemphigus vulgaris ist. Nikolski 2 heißt, dass vorhandene Blasen sich seitlich verschieben lassen, was wiederum für das bullöse Pemphigoid charakteristisch ist.
Wichtig sind Untersuchungen aus der Serologie (Tests auf Antikörper). Um die Erkrankung genauer zu bestimmen, wird ein Antikörpernachweis in der Haut vorgenommen (Immunfluoreszenz). Eine Probe der Haut wird dazu genommen, und zwar an einer Stelle, die nicht betroffen zu sein scheint. Nach der Aufbereitung mit einem Farbstoff wird die Probe mikroskopisch unter Fluoreszenz betrachtet, so dass die Bereiche mit Antikörper-Ansammlungen leuchten. Beim Pemphigus zeigen sich die Antikörper in der Oberhaut (Epidermis), beim Pemphigoid tiefer in der Haut (an der Basalmembran). Die Antikörper können auch aus dem Blut des Patienten nachgewiesen werden, indem dieses auf Testgewebe aufgetragen wird, welches dann mittels Immunfluoreszenz behandelt und mikroskopisch betrachtet wird.
Eine genaue Unterscheidung der Erkrankungen geschieht daraufhin mittels eines spezifischen Antikörper-Nachweises wie z. B. durch das Verfahren ELISA.
Die Unterscheidung der einzelnen Formen voneinander kann schwierig sein. Sie ist aber wichtig, um eine gezielte Therapie zu ermöglichen und um die Prognose abzuschätzen. Auch von ganz anderen Hautkrankheiten sind die blasenbildenden Erkrankungen nicht immer gut abzugrenzen. Ein bullöses Pemphigoid etwa ist eigentlich häufiger als gedacht, aber sieht in vielen Fällen so aus wie ein Ekzem (Hautausschlag) oder eine Schuppenflechte (Psoriasis). Ein Pemphigus vulgaris kann mit infektiösen Krankheiten wie Impetigo contagiosa (Borkenflechte) oder Hautpilzbefall (Candidiasis) verwechselt werden.
Die Behandlung bei blasenbildenden Hautkrankheiten geschieht üblicherweise mit der Gabe von Medikamenten, die das Abwehrsystem drosseln. Dieses Vorgehen ist allgemein bei Autoimmunerkrankungen (Erkrankungen mit Abwehrreaktion auf eigenes Gewebe) sinnvoll. Blasenbildende Erkrankungen werden in der Regel mit Cortison behandelt, das auf die Haut aufgetragen wird. Insbesondere beim bullösen Pemphigoid ist das angezeigt.
Vor allem bei einem Pemphigus erfolgt auch die Einnahme von Cortison in Kombination mit Mitteln wie Azathioprin, Mycophenolat (Mycophenolat-Mofetil, MMF), Cyclophosphamid oder Methotrexat, die ebenfalls die Abwehr hemmen. Diese Mittel werden Immunsuppressiva genannt.
Antibiotika müssen zusätzlich in dem Fall gegeben werden, wenn sich eine bakterielle Infektion der erkrankten Hautstellen ergibt.
Eine Methode der Blutreinigung, die Immunadsorption, kommt bei schwerem Verlauf solcher Erkrankungen in Betracht. Dabei werden Antikörper aus dem Blut beseitigt. Bei sehr schweren Krankheitsbildern blasenbildender Hauterkrankungen kann eine Behandlung mit Antikörpern (Immunglobulin), die über die Vene gegeben werden, in Frage kommen. Auch das Mittel Rituximab kann eingesetzt werden, bei dem es sich um einen speziellen Antikörper handelt.
Speziell bei der Dermatitis herpetiformis Duhring werden Patienten dazu angehalten, auf Gluten in der Nahrung weitgehend zu verzichten. Damit lässt sich in der Regel schon eine Besserung erreichen. Zusätzlich werden bei der Duhring-Erkrankung Medikamente aus der Gruppe der Sulfonamide verabreicht.
Einige blasenbildende Erkrankungen mit einer tieferen Hautablösung (z. B. lineare IgA-Dermatose, Dermatitis herpetiformis Duhring, Schleimhautpemphigoid) lassen sich auch mit Dapson oder Tetrazyklinen behandeln, die zu den Antibiotika gehören.
Die Behandlungen können selbst unerwünschte Wirkungen haben. Cortison, das eingenommen wird, kann z. B. unter anderem zu einer Anfälligkeit für Infektionen oder zu einem Diabetes mellitus führen.
Die Aussichten bei diesen Hautkrankheiten können höchst unterschiedlich sein. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass eine Erkrankung oft umso ungünstiger verläuft, je tiefer der Defekt der Haut liegt. Pemphigoid-Erkrankungen sind daher häufig schwerer als ein Pemphigus. Auch bestimmt die Menge der Antikörper, wie heftig die Störung verläuft. Beim Pemphigus vulgaris sind die ersten fünf Jahre der Krankheit sehr kritisch und daraufhin kommt es oft zu einer Besserung des Verlaufs. Sowohl ein Pemphigus als auch ein bullöses Pemphigoid können sehr schwere Erkrankungen sein, die bis hin zum Tode führen können, deren Prognose und Symptomatik mit einer Behandlung jedoch deutlich positiv beeinflusst werden können. Eine Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass die Therapien gegen diese Erkrankungen oftmals starke Nebenwirkungen haben. Die Dermatitis herpetiformis Duhring hat im Vergleich eine mildere Prognose, insbesondere wenn Betroffene auf Gluten in der Nahrung verzichten. Ein vernarbendes Schleimhautpemphigoid kann unter anderem das Auge stark schädigen.
Altmeyer Enzyklopädie - Blasenbildende Hauterkrankungen: https://www.enzyklopaedie-dermatologie.de/dermatologie/blasenbildende-hauterkrankungen-ubersicht-991 (online, letzter Aufruf: 09.09.2019)
Amboss - Blasenbildende Autoimmundermatosen: https://www.amboss.com/de/wissen/Blasenbildende_Autoimmundermatosen (online, letzter Aufruf: 09.09.2019)
MSD Manual - Blasenbildende Erkrankungen - ein Überblick: https://www.msdmanuals.com/de/heim/hauterkrankungen/blasenbildende-erkrankungen/blasenbildende-erkrankungen-%E2%80%93-ein-%C3%BCberblick (online, letzter Aufruf: 09.09.2019)
aktualisiert am 09.03.2023