Biliäre Karzinome sind bösartige Tumore, die hauptsächlich in den Gallengängeninnerhalb und außerhalb der Leber entstehen und Metastasen bilden können. Man unterscheidet zwischen intrahepatischen Cholangiokarzinomen, die in der Leber entstehen, und extrahepatischen Tumoren, die in den Gallenwegen entstehen. Zu den Risikofaktoren gehören chronische Lebererkrankungen und Autoimmunerkrankungen. Symptome wie Gelbsucht weisen dabei häufig auf eine Abflussstörung der Galle hin. Eine chirurgische Entfernung (Resektion) ist die einzige kurative Therapie. Jedoch können weitere Therapiekonzepte wie Chemo- oder Immuntherapie helfen. Eine Früherkennung kann Leben retten.
Prof. Vogel: Biliäre Tumore entstehen in der Leber. Die Leber besteht im Wesentlichen aus zwei Zelltypen. Hauptsächlich besteht die Leber aus Hepatozyten, die die Gallenflüssigkeit produzieren. Diese Gallenflüssigkeit wird über die Gallenwege in den Darm abgegeben. Wir gehen davon aus, dass die meisten biliären Tumoren in den Gallenwegen entstehen, also entweder in den kleinen oder den großen Gallenwegen der Leber. Diese Tumoren haben ihren Ursprung also in der Leber, können aber auch außerhalb der Leber Metastasen bilden.
Prof. Vogel: In der Regel unterscheiden wir biliäre Tumore anhand ihrer anatomischen Lokalisation. Das bedeutet, dass wir auf der einen Seite die intrahepatischen Cholangiokarzinome haben. Diese werden wiederum in zwei Subgruppen unterteilt: das Small-Duct- und das Large-Duct-Cholangiokarzinom. Auf der anderen Seite gibt es die Tumore, die in den ableitenden Gallenwegen entstehen, die sogenannten extrahepatischen Tumore. Diese werden nochmals in distale und proximale Tumore unterteilt. Zusätzlich werden auch die Gallenblasenkarzinome oft zu den biliären Tumoren gezählt.
In der Regel unterscheiden wir biliäre Tumore anhand ihrer anatomischen Lokalisation.
Prof. Vogel: Bei kaukasischen Patienten sehen wir eine Korrelation mit chronischen Lebererkrankungen. Wir wissen, dass chronische Lebererkrankungen insbesondere mit einem erhöhten Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom (HCC) assoziiert sind - etwa 80 bis 90 Prozent der HCC-Patienten leiden auch an einer chronischen Lebererkrankung. Aktuelle Daten zeigen, dass auch bei Patienten mit biliären Tumoren in etwa 20 bis 25 Prozent der Fälle eine chronische Lebererkrankung vorliegt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die gleichen Erkrankungen, die auch beim HCC beobachtet werden: virale Erkrankungen, alkoholische und nicht-alkoholische Fettleber sowie einige Autoimmunerkrankungen wie die primär biliäre Cholangitis (PBC) und insbesondere die primär sklerosierende Cholangitis (PSC), die mit einem erhöhten Risiko für extrahepatische Cholangiokarzinome assoziiert ist.
Chronische Lebererkrankungen, insbesondere die PSC, die primär sklerosierende Cholangitis, Gallensteine und andere chronische Gallenwegserkrankungen gehören daher zu den Hauptrisikofaktoren für das HCC. Die Mehrzahl der Patienten, die ich in der Klinik sehe, hat jedoch keine erkennbaren Vorerkrankungen. In diesen Fällen werden die Tumoren als sporadische Tumoren klassifiziert.
Prof. Vogel: Bei Patienten mit extrahepatischen Tumoren kann es zu einer Abflussstörung der Gallenflüssigkeit kommen. Ein frühes Symptom ist die Cholestase, die sich durch eine Erhöhung des Bilirubinspiegels im Blut bemerkbar macht. Dies äußert sich durch eine Gelbfärbung der Haut und der Augen. Diese frühen Symptome führen oft dazu, dass die Krankheit erkannt und eine Diagnostik eingeleitet wird. Dadurch können viele dieser Patienten einer operativen Entfernung (Resektion) zugeführt werden.
Beim intrahepatischen Cholangiokarzinom hingegen entstehen die Tumoren innerhalb der Leber. Da die Leber keine Schmerzfasern besitzt, bleibt die Erkrankung oft lange unbemerkt, solange keine Abflussstörung der Gallenflüssigkeit vorliegt. Daher wird das intrahepatische Cholangiokarzinom meist erst in einem fortgeschrittenen Tumorstadium diagnostiziert.
Diese frühen Symptome führen oft dazu, dass die Krankheit erkannt und eine Diagnostik eingeleitet wird.
Prof. Vogel: In späteren Stadien treten typische Symptome einer Tumorerkrankung wie Gewichtsverlust, Abgeschlagenheit und Schwäche auf, die auch von anderen Tumorerkrankungen bekannt sind. Außerdem kann eine Abflussstörung der Gallenflüssigkeit zusätzlich zu einer Gelbfärbung der Haut führen, wie zuvor beschrieben.
Prof. Vogel: Grundsätzlich wird bei der Diagnostik von biliären Tumoren häufig eine Computertomographie des Abdomens durchgeführt, sobald der Patient Beschwerden hat. Im weiteren Verlauf werden meist auch der Brustkorb und die Lunge untersucht, um ein genaues Bild der Tumorausbreitung zu erhalten. Ist eine Operation geplant, ergänzt häufig eine Kernspintomographie die Untersuchungen. Je nach geplanter Therapie wird eine Biopsie entnommen, um den Tumor histologisch zu untersuchen. Ist eine sofortige Operation geplant, kann unter Umständen auf die Biopsie verzichtet werden. Kommt jedoch eine andere lokale oder systemische Therapie in Frage, wird eben in der Regel eine solche Tumorbiopsie zur histologischen Diagnosesicherung durchgeführt.
Prof. Vogel: Im Rahmen dieser Diagnosesicherung empfehlen wir heute auch, den Tumor nicht nur morphologisch zu klassifizieren, sondern zusätzlich molekulare Marker zu untersuchen. Etwa 40 bis 50 Prozent der Patienten mit biliären Tumoren weisen genetische Veränderungen auf, die eine gezielte Therapie im weiteren Behandlungsverlauf ermöglichen. Eine umfassende molekulare Sequenzierung dieser Tumoren ist daher von entscheidender Bedeutung.
Prof. Vogel: Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig. Klassischerweise leiden viele Patienten, wie eingangs erwähnt, an einer Abflussstörung der Galle. Zur Symptomkontrolle wird daher häufig eine sogenannte ERCP durchgeführt, bei der die Gallenwege dargestellt und eventuelle Stenosen oder Blockaden beseitigt werden. In solchen Fällen kann z.B. ein Stent eingesetzt werden, damit die Galle wieder abfließen kann und die Gelbfärbung der Haut verschwindet. Das ist aber eher eine symptomatische Behandlung.
Bei den therapeutischen Behandlungen steht an erster Stelle - und als einzige kurative Möglichkeit - die Resektion, also die chirurgische Entfernung des Tumors mit ausreichendem Sicherheitsabstand. Wenn dies nicht möglich ist, besteht die Standardtherapie in einer systemischen Behandlung, die in der Erstlinie aus einer Kombination von Chemotherapie und Immuntherapie besteht. In der Zweitlinie kann dann eine der sogenannten zielgerichteten Therapien eingesetzt werden, wenn bestimmte molekulare Veränderungen vorliegen.
In Einzelfällen kann auch der Einsatz anderer lokaler Therapien in Betracht gezogen werden, wie z.B. eine Bestrahlung von außen oder von innen, z.B. durch eine so genannte SIRT-Behandlung. Solche Entscheidungen müssen jedoch individuell im Tumorboard getroffen werden.
Bei den therapeutischen Behandlungen steht an erster Stelle - und als einzige kurative Möglichkeit - die Resektion, also die chirurgische Entfernung des Tumors mit ausreichendem Sicherheitsabstand.
Prof. Vogel: Grundsätzlich empfehlen wir - und das ist auch Standard in den deutschen Leberkrebszentren - die Behandlung in einem Tumorboard zu besprechen. Im Tumorboard sollten Vertreter aller beteiligten Fachdisziplinen zusammenkommen: Chirurgen, Radiologen, Strahlentherapeuten, Onkologen und Hepatologen. Gemeinsam wird dann die bestmögliche Behandlung für den individuellen Patienten festgelegt.
Prof. Vogel: Wo der Tumor entsteht, hat wahrscheinlich keinen großen Einfluss auf die Prognose der Patienten. Die Lokalisation kann jedoch die Möglichkeiten einer chirurgischen Resektion beeinflussen. Bei bestimmten extrahepatischen Gallenwegen, die ungünstig im Bereich des Leberhilus liegen, kann eine Resektion schwierig oder sogar unmöglich sein. Grundsätzlich hat die Lage des Tumors jedoch keinen direkten Einfluss auf die Wahl der Therapie. Ist eine Resektion möglich, wird diese durchgeführt. Lokale intraarterielle Verfahren wie SIRT oder TACE werden in der Regel nur bei intrahepatischen Cholangiokarzinomen eingesetzt. Wenn der Tumor auf die großen Gallenwege beschränkt ist, können auch lokale Behandlungen in den Gallenwegen in Betracht gezogen werden, wie z.B. die intraduktale Radiofrequenzablation.
Für die Erstlinientherapie, wenn systemische Therapien eingesetzt werden, gilt ein einheitlicher Standard für alle Patienten: Gemcitabin und Cisplatin als duale Chemotherapie, häufig kombiniert mit einem Checkpoint-Inhibitor wie Pembrolizumab oder Durvalumab. Zielgerichtete Therapien richten sich nach den genetischen Veränderungen im Tumor. Die meisten genetischen Veränderungen kommen sowohl bei intra- als auch bei extrahepatischen Tumoren vor, allerdings mit unterschiedlicher Häufigkeit. Wird eine genetische Veränderung nachgewiesen, ist die Therapie unabhängig von der Lokalisation des Tumors.
Grundsätzlich hat die Lage des Tumors jedoch keinen direkten Einfluss auf die Wahl der Therapie.
Prof. Vogel: Begleiterkrankungen haben grundsätzlich immer einen Einfluss auf die Wahl unserer Therapien. Das ist auch der zentrale Aspekt, den wir im Tumorboard besprechen, und deshalb ist es wichtig, direkt mit dem Patienten zu sprechen. Wir müssen einschätzen, in welchem Allgemeinzustand sich der Patient befindet: Wie alt ist er, wie fit ist er, welche Begleiterkrankungen hat er? Hat er zum Beispiel eine fortgeschrittene Arteriosklerose, ein metabolisches Syndrom mit Übergewicht, eine Herzerkrankung oder eine chronische Lebererkrankung? Besteht aufgrund der Lebererkrankung eventuell eine Leberzirrhose? Diese Begleiterkrankungen haben einen großen Einfluss darauf, welche Therapien wir anwenden können - vor allem, wenn es um chirurgische Eingriffe geht.
Prof. Vogel: Bei den meisten Tumorerkrankungen verfolgen wir mit einer Operation (Resektion) in der Regel das Ziel, den Patienten zu heilen, also eine kurative Intention. Bei allen lokalen Therapien können wir jedoch nur das Gewebe entfernen, das wir sehen. Leider bilden viele Tumoren, vor allem die bösartigen, bereits in frühen Stadien Metastasen, die wir oft noch nicht sehen können. Das bedeutet, dass nicht alle Patientinnen und Patienten nach einer Operation als geheilt gelten. Um die Heilungschancen zu erhöhen, werden daher lokale und systemische Therapien kombiniert.
Wird die systemische Therapie vor der Operation eingesetzt, spricht man von einer neoadjuvanten Therapie. Erfolgt sie nach der Operation, spricht man von adjuvanter Therapie. Traditionell wird bei den meisten Tumorerkrankungen eine adjuvante Therapie durchgeführt, doch geht man zunehmend dazu über, zunächst eine systemische Therapie durchzuführen und dann zu operieren. Beim cholangiozellulären Karzinom gibt es allerdings bisher nur Daten, die zeigen, dass eine Operation mit anschließender Chemotherapie die Heilungschancen verbessern kann.
Traditionell wird bei den meisten Tumorerkrankungen eine adjuvante Therapie durchgeführt, doch geht man zunehmend dazu über, zunächst eine systemische Therapie durchzuführen und dann zu operieren.
Prof. Vogel: Grundsätzlich sind die Tumoren heilbar, aber die Heilungschancen und -wahrscheinlichkeiten sind deutlich geringer als bei anderen Tumorerkrankungen. Natürlich gibt es immer noch schlechtere, aber auch bessere Prognosen. Leider gehören biliäre Karzinome zu den Tumorerkrankungen mit einer sehr schlechten Prognose. Auch das Risiko, dass der Tumor nach einer Operation wiederkehrt, ist insgesamt höher als die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Heilung.
Prof. Vogel: Unser Ziel ist es, den Patienten eine möglichst lange Überlebenszeit bei guter Lebensqualität zu ermöglichen. Da bei der Mehrzahl der Betroffenen der Tumor leider wiederkehrt und viele an den Folgen versterben, konzentrieren wir uns darauf, ihnen ein möglichst beschwerdefreies Leben zu ermöglichen. Das bedeutet, dass wir mit lokalen und systemischen Therapien die Tumorsymptome so weit wie möglich lindern wollen, um den Patienten unnötiges Leiden zu ersparen.
Prof. Vogel: Ich denke, dass die größten Fortschritte im Bereich der systemischen Therapien gemacht wurden. Der Grund dafür ist ein besseres Verständnis der genetischen Ursachen, die beim cholangiozellulären Karzinom (Cholangiokarzinom) auftreten können. Wir wissen heute sehr genau, welche genetischen Veränderungen bei diesen Tumoren zu finden sind. Glücklicherweise gibt es für viele dieser genetischen Veränderungen bereits systemische und zielgerichtete Therapien, die bei diesen Tumoren eingesetzt werden können. Das führt dazu, dass Patienten, die diese Therapien erhalten, eine bessere und längere Überlebenschance haben.
Ein weiterer großer Durchbruch war die Erkenntnis, dass wir auch beim Cholangiokarzinom - ähnlich wie bei anderen Tumorarten - Immuntherapien einsetzen können. Deshalb ist heute in der Erstlinientherapie die Kombination von Chemotherapie und Immuntherapie Standard. In der Zweitlinientherapie kommen dann diese zielgerichteten Therapien zum Einsatz. Ich denke, das waren die beiden größten Entwicklungen der letzten vier Jahre, die die Prognose für die Patienten zumindest ein wenig verbessert haben.
Prof. Vogel: Unser Ziel ist es, die Überlebenschancen der Patienten weiter deutlich zu verbessern und im Idealfall eine Heilung mit der Systemtherapie zu erreichen. Deshalb arbeiten wir intensiv daran, die Ursachen für die Resistenzentwicklung von Tumoren gegen diese Therapieform zu verstehen. Gleichzeitig erforschen wir alternative Therapieoptionen, insbesondere für Patienten mit einer frühen Diagnose. Bei Leberkrebs (HCC) kann beispielsweise eine Lebertransplantation eine Option sein.
Während dies beim cholangiozellulären Karzinom in Deutschland bisher ausgeschlossen war, gibt es inzwischen erste Ansätze, die Lebertransplantation auch beim extrahepatischen cholangiozellulären Karzinom als Therapieoption zu prüfen. Auch die interne und externe Strahlentherapie wird intensiv erforscht. Unser Ziel ist es, dieses Spektrum an Therapieoptionen in Zukunft weiter zu verbessern und auszubauen.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 06.11.2024.