Der Beckenring des Menschen umschließt die Organe im Unterbauch und verbindet Wirbelsäule und den unteren Bewegungsapparat: Muskeln, Sehnen, Bänder sowie die Hüftgelenke setzen hier an. Der Beckenring selbst ist eine komplexe Konstruktion, bei der diverse Knochen beweglich und elastisch miteinander verbunden sind. Eine solche elastische Verbindung existiert beispielsweise an der Stelle, an der die beiden Schambeine in der Schambeinfuge miteinander verbunden sind. Die Schambeinfuge wird auch Symphyse (genauer: Symphysis pubica) genannt und befindet sich vorne mittig im Beckenring. Wird diese Knorpelfaserverbindung überdehnt oder zerstört, wird der gesamte Beckenring in sich beweglicher, als er sein darf. Die Patienten klagen dabei über Schmerzen im Scham-, Becken- oder Rückenbereich, besonders bei Bewegungen.
Extreme Krafteinwirkung, wie sie bei schweren Unfällen stattfindet, kann zum Schambeinfugenriss führen. Diese Verletzung wird in der Medizin als Symphysenruptur oder Symphysensprengung bezeichnet. Eine typische Ursache ist beispielsweise ein Motorradunfall. Meist geht die Symphysensprengung mit einer Fraktur des Darm- oder Schambeines einher. Dabei rotiert die betroffene Beckenhälfte mangels Befestigung frei nach hinten. Dieses Phänomen wird als Open-Book-Fraktur bezeichnet, weil das Becken im Röntgenbild wie ein Buchdeckel „aufgeklappt“ erscheint.
Selten bleibt es bei einer Symphysenruptur. Bei der Open-Book-Fraktur ist diese verbunden mit einer Sprengung der Iliosakralfuge (Spalt/Verbindung zwischen Kreuzbein und Darmbein) oder einer Kreuzbeinfraktur. In dieser Situation ist eine Heilung ohne chirurgischen Eingriff nicht zu erwarten. Eine solche Beckenverletzung zählt nach der AO-Klassifikation (AO steht für Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen) zum Typ B oder C.
Eine weitere Möglichkeit, eine Symphysenruptur zu erleiden, sind Schwangerschaften und Geburten. Eine von 600 schwangeren Frauen erleidet eine Symphysenlockerung, bei der die Schambeinhälften weiter auseinanderklaffen als üblich. Wenige Millimeter sind normal: Hormone steuern eine Lockerung von Bindegewebsstrukturen, um dem Baby den Weg nach draußen zu öffnen. Wenn der weibliche Körper sich nach der Geburt erholt, findet normalerweise eine Rückbildung statt und die Frau hat dann keinerlei Beschwerden.
Die Symphyse kann sich jedoch ausnahmsweise vor oder während der Geburt stärker als üblich vergrößern. Dann drohen dauerhafte Schmerzen im unteren Rücken, im Bereich der Leiste und der Oberschenkel. Die natürliche Rückbildung verlangsamt sich, je schlechter und weniger sich die Frau bewegen kann. Der Heilungsprozess kann sich bis zu sechs Monaten hinziehen.
In sehr seltenen Fällen (maximal 0,3 Prozent von den werdenden Müttern) kann in der letzten Phase einer Geburt eine Ruptur der Schambeinfuge eintreten. Begünstigende Faktoren einer Symphysenruptur vor oder während einer Geburt sind beispielsweise
Ob durch einen Unfall bedingt oder durch eine Geburt: Die Heilung einer Symphysensprengung ist extrem langwierig. Die Faserknorpelverbindung zwischen beiden Schambeinen ist zwar elastisch und außerordentlich robust, doch Knorpelmasse regeneriert sich kaum oder nur sehr langsam. Jede normale Belastung übt naturgemäß immer wieder Druck auf die Schambeinfuge und den Beckenring als Ganzes aus. Die Verbindung zwischen Wirbelsäule und Beinen ist instabil. Die Bewegungsmöglichkeiten sind dadurch stark eingeschränkt und jede Bewegung ist extrem schmerzhaft. Das ohnehin beschädigte Knorpelgewebe wird zusätzlich immer wieder strapaziert, wenn der Beckenring sich bei Belastung dehnt.
Von einer Symphysenlockerung oder -sprengung betroffene junge Mütter können oft kaum noch alleine aufstehen, stehen oder gehen. Testparameter zur Diagnose sind beispielsweise Treppensteigen, Stehen auf einem Bein, eine Seitenlage im Bett einnehmen. Ist dies nicht mehr möglich, ist ärztliche Hilfe angezeigt.
Bei Verdacht auf Symphysenlockerung oder -ruptur während einer Schwangerschaft eignet sich zur Diagnose am besten eine Kernspintomographie.
Zur Therapie einer Lockerung oder einer Ruptur nach einer Geburt werden Beckengurte und spezielle Mieder empfohlen. In besonders schmerzhaften Fällen, die nicht heilen wollen, ist ein chirurgischer Eingriff die beste Lösung.
Nach traumatischen Ereignissen (Stürzen, Unfällen) sind natürlich Röntgen und alle anderen bildgebenden Diagnoseverfahren einzusetzen. In diesen Fällen ist es wichtig, den Beckenring operativ zu schließen. Meist liegen weitere destabilisierende Frakturen im Beckenring und zahlreiche Verletzungen vor. Die Knochenbruchstücke werden aneinander befestigt, um eine Heilung zu ermöglichen. Je nach Dringlichkeit kann das Becken intern (durch Schrauben und Platten aus Metall) oder extern (mit einem sogenannten Fixateur externe, dessen Konstruktion zur Stabilisierung nach außen ragt) fixiert werden.
aktualisiert am 05.08.2022