Wie schnell nach der Verletzung mit einer Rehabilitation des Patienten begonnen werden kann, ist von verschiedensten Faktoren abhängig. Meist ist eine Beckenringfraktur die Folge eines schweren Unfalls oder Sturzes. Daher müssen zahlreiche Begleitverletzungen und ihre Konsequenzen berücksichtigt werden.
So schnell der Heilungsprozess es zulässt, sollte dennoch mit physiotherapeutischen Übungen begonnen werden. Diese dienen nicht nur der Erhaltung und Wiederherstellung der Beweglichkeit und Stabilität. Sie halten auch die Durchblutung in Gang. Denn das Risiko von Thrombosen im Bereich des Beckens und der Beine ist während der gesamten Behandlungszeit hoch.
Weitere Folgeerscheinungen einer schweren Beckenverletzung sind mit zu berücksichtigen und lassen sich durch rechtzeitige Therapieschritte verhindern:
Stabile Beckenbrüche verheilen ohne chirurgisches Zutun. Leichte Übungen können die Patienten bereits im Krankenbett selbst ausführen. Ein Aufstehen mit Stütze ist nach etwa zwei Wochen gestattet. Erst fängt ein Rollator das Hauptgewicht ab, im nächsten Schritt genügen Gehstützen. Wichtig ist, die Belastung des Bewegungsapparates stufenweise und mit Vorsicht zu steigern. Das Becken als wichtiges Verbindungsstück zwischen Wirbelsäule und Beinen ist nach einer Fraktur noch fragil.
Die Benutzung von Krücken darf nicht zu lange anhalten, da die Patienten sich sonst Fehlhaltungen angewöhnen. Gezieltes Krafttraining ist etwa nach zwei Monaten wieder möglich. Bis zu zwei Monate können vergehen, bis die Belastung auf das Becken langsam wieder gesteigert werden darf.
Schwieriger ist die Situation nach schweren Beckenbrüchen, die operativ eingerichtet werden müssen. Sie benötigen viel Zeit, um bis zur vollständigen Stabilität abzuheilen. Bei einer „Open-Book-Fraktur“ wird das gesamte Becken in sich geöffnet und damit instabil. Betroffene sind auch nach dem operativen Einrichten mit Hilfe von Platten, Draht oder Schrauben zunächst zur Bettruhe gezwungen. Physiotherapeutische Maßnahmen dürfen in diesen Fällen nur mit großer Vorsicht und stufenweise eingeführt werden.
Der Krankenhausaufenthalt nach dem Beckenbruch ist unterschiedlich lang und hängt ebenso von der Schwere der Fraktur, aber auch von den Begleitverletzungen und dem Allgemeinzustand des Betroffenen ab. Nach der Entlassung schließt sich oft ein Aufenthalt in der Reha-Klinik an. Später erfolgen regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Arzt beziehungsweise im Krankenhaus.
Mit zum Heilungsprozess zählen die Eingriffe, mit denen die stabilisierenden Elemente wieder operativ entfernt werden. Häufig werden die Materialien auch im Körper belassen. Zwingend notwendig ist die Entfernung bei einem Fixateur externe (äußeren Halteapparat), bei Komplikationen wie Infektionen oder nach der Versorgung einer Fraktur beim Kind, das noch wächst.
Nach einer schweren Beckenringfraktur tritt eine Phase ein, in der der Patient buchstäblich ans Bett gefesselt ist. Seine Beweglichkeit ist stark eingeschränkt, weil er Becken und Beine keinesfalls belasten darf.
Um in dieser Zeit Beinvenen- oder Beckenthrombosen vorzubeugen, begleiten Physiotherapeuten die Kranken. Sie leiten sie an und unterstützen sie dabei, spezielle, auf die Situation abgestimmte Übungen auszuführen. Diese dienen vor allem dazu, den Kreislauf und die sogenannte Venenpumpe in den Beinen in Gang zu halten.
Isometrische Übungen helfen, den Muskeltonus zu erhalten, die Muskelkraft oder Grundspannung der Muskulatur. Dabei wird der Bewegungsapparat selbst nicht belastet. Bestimmte Muskeln werden an- und wieder entspannt, ohne die betreffenen Gliedmaßen oder Körperteile zu bewegen.
Diese Art von Übungen werden durchgeführt, bis die vollständige Beweglichkeit und Belastbarkeit wiederhergestellt sind. Sie werden schrittweise durch andere Bewegungsübungen ergänzt.
Zur Thrombose-Vorbeugung gehören selbstverständlich auch blutverdünnende Medikamente und Stützstrümpfe. Alle Maßnahmen zusammen verhindern, dass gefährliche Thromben (Blutpfropfe) Venen verstopfen und die Durchblutung unterbinden.
Nach besonders schweren Beschädigungen leidet oft die Nerven-Funktion: Die vertrauten Bewegungen sind nicht mehr selbstverständlich ausführbar. Die Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (kurz PNF genannt) ist eine spezielle Form der Physiotherapie. Das zentrale Nervensystem „kennt“ alle Bewegungsmuster. Der Physiotherapeut ruft sie ab, indem er durch Berührungen wie Zug, Druck und dem Aufbauen von Widerstand die Muskeln und Reflexe stimuliert. Die Medizinische Trainingstherapie (MTT) stellt für diese Phase der Mobilisierung spezielle Geräte zur Verfügung.
In der Anfangsphase ist der Patient bei dieser Art der Stimulation passiv und führt die Bewegungen geführt und gestützt aus. Wenn sich die Belastbarkeit nach acht bis zwölf Wochen wieder einstellt, können Becken und Beine nach und nach mehr und aktiv belastet werden.
Vor allem Reha-Kliniken bieten oft zusätzliche Maßnahmen zur Wiederherstellung an: Dazu zählen die manuelle Lymphdrainage, Wassertherapien oder Akupunktur. Diese Zusatzbehandlungen ebenso wie die MTT (Medizinische Trainings-Therapie) müssen Patienten überwiegend aus eigener Tasche finanzieren. Die meisten Krankenkassen bezahlen nur die notwendigsten Schritte zur Wiederherstellung.
aktualisiert am 16.03.2020