Unter einer Beckenringfraktur verstehen die Ärzte einen Knochenbruch an den Beckenknochen, die ansonsten einen stabilen Ring bilden. Durch den Bruch wird die strukturelle Unversehrtheit des Beckenrings unterbrochen. Der Beckenring setzt sich aus mehreren Beckenknochen zusammen, die ringförmig angeordnet sind.
Zum Beckenring gehören die beiden Hüftbeine, die aus dem Darmbein, dem Sitzbein und dem Schambein bestehen, weiterhin das Kreuzbein sowie die Schambeinfuge. Bei Letzterer handelt es sich um eine Knorpelverbindung, welche die Hüftknochen vorne in der Mitte verbindet und zusammenhält. Stellt sich an einem (oder mehreren) dieser Knochen ein Bruch ein, sprechen die Mediziner von einer Beckenringfraktur.
Das Becken des Menschen hat unterschiedliche Aufgaben. Zum einen dient es als Verbindung zwischen der Wirbelsäule und den Beinen. Zum zweiten dient das Becken der Stabilität beim Gehen und Stehen. Dies ist die Hauptaufgabe des Beckenrings. Des Weiteren bietet das Becken zahlreichen Organen einen wichtigen Schutz. Ein intakter Beckenring ist die Voraussetzung für den aufrechten Gang des Menschen. Kommt es zu einer Beckenringfraktur, die die Struktur des Beckenrings unterbricht, ist der Patient nicht mehr in der Lage, aufrecht zu stehen oder zu gehen.
Eine Beckenringfraktur resultiert generell aus äußeren Krafteinwirkungen auf den Körper. Die häufigsten Ursachen für die Beckenringfraktur sind Verkehrsunfälle und Stürze aus großer Höhe. Patienten in einem fortgeschrittenen Alter erleiden Beckenringfrakturen teils schon durch leichtere Krafteinwirkungen. Dieser Umstand resultiert aus der geringeren Knochendichte (Osteoporose) im Alter. In diesem Fall kann ein leichter Sturz zu einem Beckenbruch führen.
Beckenringfrakturen werden in unterschiedliche Typen eingeteilt.
Die Fraktur am Becken ist stabil. Dies bedeutet, der Beckenring wurde durch den Bruch nicht unterbrochen. Beispielsweise kann sich eine Beckenringfraktur dieses Typs am Rand an den Beckenschaufeln befinden. Da sich die Beckenknochen bei dieser Art Fraktur normalerweise nicht allzu sehr verschieben, kommt es bei diesem Beckenbruch selten zu Begleitverletzungen.
Bei dieser Art des Bruches am Becken stellt sich eine teilweise Instabilität des Beckenrings ein. Der Beckenring ist durch den Knochenbruch nicht mehr in der Lage, den Rotationsbelastungen standzuhalten. Ein Beispiel für diese Art der Beckenringfraktur ist ein Bruch an den vorderen Verbindungen zwischen den Beckenschaufeln. Da das Becken bei einer derartigen Beckenringfraktur aufgeklappt werden kann wie ein Buch, sprechen die Mediziner bei dieser Unterart (Typ B1) von einer „Open-Book-Fraktur“.
Durch diese Art der Beckenringfraktur stellt sich eine vollständige Instabilität vom Beckenring ein. Hiedurch kann das Becken sowohl den Rotationsbelastungen als auch den vertikalen Belastungen nicht mehr standhalten. Das Becken ist bei diesem Bruch bezüglich jeder Art von Belastung instabil. Zumeist handelt es sich hierbei um komplizierte Beckenringfrakturen. Ein Beispiel hierfür ist ein kombinierter Bruch am vorderen Beckenring und am Kreuzbein. Hierdurch ist der Beckenring vorne und hinten unterbrochen.
Die Anzeichen bei einer Beckenringfraktur hängen davon ab, welche Art des Bruches vorliegt. Patienten mit einer Beckenringfraktur leiden typischerweise unter starken Schmerzen im Bereich des Beckens. Aufgrund dieser Schmerzen und der Instabilität des Beckens ist ein Stehen und Gehen oft nicht mehr möglich. Können die Patienten noch stehen und gehen, nehmen sie aufgrund der Schmerzen zumeist eine unnatürliche Schonhaltung ein. Zudem zeigt sich bei manchen Betroffenen eine abnorme Beweglichkeit der Beckenknochen. Diese resultiert aus der Unterbrechung des Beckenrings.
In vielen Fällen finden sich im Bereich der Beckenringfraktur Blutergüsse und Schwellungen ein, die durch Gewebeverletzungen entstehen. Durch eine instabile Fraktur des Beckens kann es zu Verletzungen der Organe im Unterbauchbereich kommen, zum Beispiel zu einer Verletzung der Harnwege. Wurden durch den Beckenbruch wichtige Nerven verletzt, dann kann die Beweglichkeit der Beine beeinträchtigt sein. Einige Patienten verspüren durch diese Nervenverletzungen Taubheitsgefühle im Hüft- und Beinbereich.
Verletzungen der Blutgefäße durch die Beckenringfraktur können zu starken Blutungen und zu Durchblutungsstörungen führen. Ist hiervon die Beinschlagader des Patienten betroffen, besteht Lebensgefahr. In manchen Fällen können sich durch diese Blutungen größere Mengen Blut im Beckenraum sammeln. Diese häufig vorerst unentdeckten Blutansammlungen sind in der Lage, das gebrochene Becken noch weiter auseinanderzudrücken. Beim Patienten kann sich durch den hohen Blutverlust ein Schockzustand einstellen. Der Patient droht zu verbluten.
Die Diagnose bei einer Beckenringfraktur wird durch drei kombinierte Diagnoseverfahren erstellt. In erster Linie führt der Arzt eine Anamnese durch. Im Rahmen dieses Gesprächs erfragt der Mediziner die Symptome und lässt sich den genauen Unfallhergang schildern. Ferner lässt er sich vom Patienten über eventuell vorliegende Bewegungseinschränkungen informieren. Liegen diese Informationen vor, informiert sich der Arzt noch über eventuelle Vorerkrankungen, die mit dem Beckenringbruch zusammenhängen können oder bei der Behandlung eine Rolle spielen. Beispiele hierfür sind die Osteoporose oder Tumorerkrankungen der Knochen.
Im nächsten Schritt der Diagnose wird der Patient körperlich untersucht. Der Arzt achtet bei dieser Untersuchung zuerst auf optisch erkennbare Merkmale einer Beckenringfraktur. Das besondere Augenmerk gilt hierbei eventuellen Fehlstellungen des Beckens, Blutergüssen und Schwellungen im Beckenbereich. Im weiteren Verlauf der körperlichen Untersuchung tastet der Arzt das Becken des Patienten ab. Hierbei achtet der Arzt auf folgende Punkte:
Im Anschluss an diese körperliche Untersuchung führt der Arzt eine Röntgenuntersuchung des Beckens durch. Hiedurch können die Art und die Schwere der Beckenringfraktur ermittelt werden. Falls eine genauere Beurteilung notwendig ist, wird der Patient zudem mit einer Computertomografie untersucht. Eine Ultraschalluntersuchung des unteren Bauchraums dient bei einer Beckenringfraktur der Ermittlung eventuell vorliegender Organverletzungen durch den Unfall.
Im Rahmen der sogenannten Differenzialdiagnose ist es wichtig, bestimmte Erkrankungen und Verletzungen auszugrenzen, deren Symptome denen einer Beckenringfraktur gleichen können. Diese sind:
Ausstrahlungsschmerzen von Knieverletzungen auf das Becken treten besonders bei Kindern auf. Bevor die endgültige Diagnose einer Beckenringfraktur gestellt wird, müssen bei jungen Patienten deshalb noch die Kniegelenke untersucht werden.
Die Therapie einer Beckenringfraktur beginnt bereits am Ort des Unfalls. Die Sanitäter und Notärzte führen dort eine erste Stabilisierung und Ruhigstellung des Beckens durch. Diese Maßnahme verhindert eine weitere Verschiebung der Beckenknochen beim Transport des Patienten. Der Beckenraum wird dabei so klein wie möglich gehalten, um große Blutansammlungen zu verhindern.
Die Behandlungen im Krankenhaus hängen vom Typ der Beckenringfraktur ab. Eine Fraktur vom Typ A wird nicht durch eine OP behandelt. Der Beckenring ist hierbei noch stabil und muss nicht operativ korrigiert werden. Der Patient erhält Schmerzmittel und Bettruhe. Bereits recht früh wird eine Physiotherapie angesetzt, um den Erhalt und die Wiederherstellung der Mobilität des Patienten zu fördern.
Eine Fraktur vom Typ B muss in einigen Fällen operativ behandelt werden. Ob eine OP notwendig ist, hängt von der Schwere der Fraktur und von eventuell vorhandenen Begleitverletzungen ab. Bei einer Beckenringfraktur vom Typ C ist grundsätzlich eine OP notwendig. Bei diesem Typ liegt eine komplette Instabilität des Beckens vor. Häufig kommt zur Notfallbehandlung eine sogenannte Beckenzwinge oder ein äußeres Gestell (Fixateur externe), mit dem die Knochen zusammengehalten werden, zum Einsatz.
Im Rahmen der OP wird das Becken stabilisiert und die Lage und Ausrichtung der Beckenknochen werden korrigiert. Die Ärzte setzen hierfür spezielle Schrauben und Platten ein, mit deren Hilfe sie die einzelnen Knochenfragmente miteinander verbinden. Voraussetzung hierfür ist, dass keine allzu schwerwiegenden Gewebe- oder Organverletzungen durch die Fraktur vorliegen. Diese haben Vorrang vor etwaigen Behandlungen von Knochenbrüchen. Hat der Patient solche gefährlichen Verletzungen der Organe erlitten, müssen diese zuerst operativ behandelt werden. Die eigentliche Beckenfraktur-OP wird in diesem Fall erst angesetzt, wenn die Verletzungen verheilt sind.
Nach der Becken-OP muss der Patient strenge Bettruhe einhalten und erhält Schmerzmittel. Schreitet die Heilung gut voran, werden nach einiger Zeit physiotherapeutische Maßnahmen angesetzt.
Die Heilung von einer Beckenringfraktur hängt von zwei wesentlichen Faktoren ab: von der Zeit und von der verordneten Bettruhe. Der Patient muss zum einen Geduld aufbringen und sollte zudem den Anweisungen seines Arztes folgen.
Die Mikronährstoffe Calcium, Kalium, Magnesium, Phosphor und Vitamin D benötigt der Körper für die Bildung von Knochenzellen. Daher können diese Nährstoffe die Heilung von einer Fraktur unterstützen. Um das Wohlbefinden und die Heilung der Fraktur zu fördern, kann der Patient auch alternativmedizinische Maßnahmen in Anspruch nehmen. Dazu kann er beispielsweise homöopathische Mittel einnehmen. Hierfür werden häufig die Präparate Calcium fluoratum, Arnika, Calcium phosphoricum und Symphytum empfohlen.
Die Heilungsaussichten bei einer Beckenringfraktur hängen generell von der Art und Schwere des Bruchs ab. Ferner sind auch eventuelle Begleitverletzungen durch die Beckenfraktur von Bedeutung. Wird eine Beckenringfraktur rechtzeitig und umfangreich behandelt, ist die Prognose positiv. Eine Fraktur vom Typ A heilt in den meisten Fällen innerhalb von vier bis acht Wochen vollständig aus. Selbst bei Frakturen vom Typ B und C besteht eine gute Heilungschance, sofern eine umfangreiche Behandlung erfolgt. Allerdings kann sich die Heilung dieser Frakturen über mehrere Monate hinziehen.
Lesen Sie auch: Wie lange dauert die Heilung einer Beckenringfraktur?
Die Vorbeugung von einer Beckenringfraktur bezieht sich in erster Linie auf die Unfallverhütung. Von einer Beckenringfraktur sind in vielen Fällen ältere Menschen betroffen. Es ist wichtig, im fortgeschrittenen Alter die Sturzgefahr herabzusetzen. Hierfür können Gehstöcke oder auch ein Rollator gute Dienste leisten.
Menschen, die nicht mehr sicher gehen können, sollten auf eine behindertengerechte Umgebung achten. Unter Umständen können Stürze durch eine umfassende Betreuung verhindert werden. Es gilt generell alle erdenklichen Gefahrenquellen für einen Sturz aus dem Weg zu räumen. Rutschige Treppen, Stolperfallen an Teppichen und schlechte Schuhe sind einige Beispiele hierfür.
Bestimmte Medikamente können außerdem die Sturzneigung erhöhen und eine Änderung der Medikamentengabe kann in Absprache mit dem Arzt in Erwägung gezogen werden. Da viele Stürze im Alter aus Gleichgewichtsproblemen resultieren, sollten die potenziell gefährdeten Personen regelmäßig geeignete Gleichgewichtsübungen durchführen. Ferner ist es wichtig, aktiv der Osteoporose entgegenzuwirken. Durch entsprechende Maßnahmen lässt sich der Rückgang der Knochenstabilität eventuell verlangsamen.
aktualisiert am 27.01.2023