Bandscheibenvorfälle entstehen meist durch jahrelange Über- und Fehlbelastungen im Alltag, durch Übergewicht sowie durch Bewegungsmangel. Das können Fehlhaltungen am Arbeitsplatz sein, aber auch Überbelastungen beim Sport oder bei anderen Freizeitaktivitäten. Durch degenerative (verschleißbedingte) Veränderungen wird der straffe Faserring der Bandscheiben nach und nach brüchig. Bandscheibenmaterial kann austreten, Nerven komprimieren und somit Schmerzen und andere Symptome verursachen.
Die meisten Bandscheibenvorfälle werden konservativ (ohne Operation) behandelt. Hierbei nimmt die Physiotherapie einen wesentlichen Teil der Therapiemaßnahmen ein.
Der Physiotherapeut handelt auf ärztliche Anordnung, macht sich aber immer auch selbst ein Bild von der momentanen Situation. Zu seiner Befundaufnahme zählt ein ausführliches Anfangsgespräch, um Auskünfte über die momentane Symptomatik, Vorerkrankungen und weitere wesentliche Aspekte zu erhalten. Darauf folgen ein Sichtbefund und eine körperliche Untersuchung. Im Rahmen der körperlichen Untersuchung werden die Beweglichkeit der Gelenke, der Spannungszustand der Muskulatur und anderer Gewebe und die Kraft der Muskulatur getestet. Aus allen Befundergebnissen leitet der Therapeut schließlich seinen Behandlungsplan ab.
Die physiotherapeutischen Maßnahmen stützen sich auf drei Säulen:
Das primäre Ziel in der Physiotherapie bei einem Bandscheibenvorfall ist die Schmerzlinderung. Nur im möglichst schmerzfreien Zustand kann die wirbelsäulenstabilisierende Muskulatur adäquat gekräftigt werden.
Folgende passive (ohne Mitwirken des Patienten erfolgende) physiotherapeutische Anwendungen können zu einer Schmerzlinderung beitragen:
Im Rahmen eines Bandscheibenvorfalls kann die Beweglichkeit reduziert sein durch die Schmerzsymptomatik, aber auch durch verspannte und verkürzte Muskulatur sowie durch eine eingeschränkte Beweglichkeit der Gelenke im Bereich der Wirbelsäule, Arme und Beine. Folgende Maßnahmen können zur Verbesserung der Beweglichkeit beitragen:
Die Hauptziele jeglicher Therapiemaßnahmen sind die möglichst dauerhafte Genesung nach einem Bandscheibenvorfall sowie die Vermeidung erneuter Bandscheibenvorfälle in der Zukunft. Erreicht werden können diese Ziele durch:
Wer Hilfe bei der Reduzierung von Übergewicht benötigt, sollte dies mit seinem Hausarzt besprechen. Menschen, die in ihrem Arbeitsalltag nicht viel Bewegung haben, sollten diesen Mangel in ihrer Freizeit ausgleichen. Auch ein Spaziergang nach Feierabend hilft, die Bandscheiben besser zu ernähren und somit gesünder zu halten.
Viele Physiotherapeuten bieten Rückenschulkurse in ihren Praxen an. Im Rahmen dieser Kurse wird hilfreiches Wissen zum rückengerechten und bandscheibenschonenden Verhalten im Alltag vermittelt:
Diese und andere Fragen werden in einem solchen Kurs von fachkundigen Therapeuten beantwortet. Außerdem können rückenschonende Bewegungsabläufe unter Anleitung geübt werden. Kräftigungsübungen, die zu Hause als Eigenübungsprogramm durchgeführt werden können, werden normalerweise ebenfalls in einem solchen Kurs vermittelt. Zudem besteht die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen.
Eine gut ausgebildete und ausdauernde Muskulatur ist auf lange Sicht die wichtigste Voraussetzung, um nach einem Bandscheibenvorfall wieder möglichst fit zu werden und um erneuten Bandscheibenvorfällen in der Zukunft vorzubeugen. Zu Beginn des Trainings ist es entscheidend, dass alle Übungen unter Anleitung eines qualifizierten Therapeuten durchgeführt werden. Nur dadurch ist sichergestellt, dass Bewegungsabläufe korrekt ausgeführt, Gewichte optimal gewählt und bei Problemen wie Schmerzen oder Ähnlichem adäquat reagiert werden kann.
Im Rahmen einer Einzel-Physiotherapie können ganz gezielt und individuell Übungen zur Kräftigung der wirbelsäulennahen, kleinen Muskeln (autochthone Rückenmuskulatur) vermittelt werden. Hierbei handelt es sich eher um Koordinationsübungen, da diese Muskulatur beim Training an Geräten nicht erreicht wird. Sie ist aber entscheidend mitverantwortlich für die muskuläre Stabilisation der Wirbelsäule und somit für die Entlastung der Bandscheiben.
Viele Physiotherapeuten bieten in ihren Räumlichkeiten sogenannte gerätegestützte Krankengymnastik an. Diese kann vom Arzt verordnet werden und wird größtenteils von den Krankenkassen finanziert. Hierbei wird unter therapeutischer Anleitung ein individuelles Übungsprogramm zur Kräftigung der großen Muskulatur von Rumpf und Gliedmaßen erarbeitet. Dieses Training findet an Geräten, wie sie auch aus dem Fitnessstudio bekannt sind, statt.
Auch Kurse wie Pilates oder Yoga oder Gruppenangebote mit ausgewählten Stabilisations- und Kräftigungsübungen für Menschen mit Wirbelsäulenproblemen werden häufig von Physiotherapiepraxen angeboten. Entspannungstechniken wie Progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder Autogenes Training gehören ebenfalls häufig zum Angebot. Ob die Kosten für solche Kurse von der jeweiligen Kasse übernommen werden, sollte vor Kursbeginn abgeklärt werden.
Schonend für den Rücken und die Bandscheiben sind Sportarten, bei denen die Bewegungsabläufe gleichmäßig sind und bei denen die Rumpfmuskulatur möglichst ausgeglichen beansprucht wird. Hierzu zählen:
Sportarten, die eher ruckartige und wirbelsäulenstauchende Bewegungen sowie Drehbewegungen enthalten, sollten eher gemieden werden. Zu diesen Sportarten gehören beispielsweise:
In der Regel unterscheiden sich die physiotherapeutischen Maßnahmen nach einer Operation nicht von denen einer konservativen Therapie. Wichtig ist es, die Maßgaben des Operateurs zu beachten, die im Entlassungsbericht des Krankenhauses vermerkt sind. Der Operateur legt fest, ab wann bestimmte Bewegungen und Belastungen sowie ein Training zur Kräftigung der Muskulatur wieder erlaubt sind.
Rückenschmerzen, Katrin Sommer; Sarah Baumann; Dagmar Schüller – Bandscheibenvorfall: geeignete Übungen und Gymnastik: https://www.special-rueckenschmerz.de/erkrankung/bandscheibenvorfall/behandlung-id63582/ (online, letzter Abruf: 09.11.2020)
aktualisiert am 09.11.2020