Eine Autoimmunerkrankung entsteht, wenn das Immunsystem sich gegen Gewebe des eigenen Körpers richtet. Normalerweise dient die Aktivität des Immunsystems dazu, Krankheitserreger (wie Bakterien und Viren), Fremdstoffe oder geschädigte Zellen anzugreifen und unschädlich zu machen. Bei vielen Menschen kommt es jedoch zu einer Fehlreaktion gegen eigene Gewebestrukturen, die Beschwerden und Organschäden auslösen kann. Welche Folgen die Autoimmunreaktion hat, hängt vom Gewebe ab, welches angegriffen wird. Hunderte verschiedene Erkrankungen gehören zu den Autoimmunkrankheiten, darunter häufige Leiden wie
Die meisten Autoimmunerkrankungen bleiben auf Dauer bestehen. Häufig lassen sich die Symptome und Folgen durch eine Behandlung mit Medikamenten eindämmen.
Das Abwehrsystem mit seinen Zellen muss die anspruchsvolle Aufgabe erfüllen, Krankheitserreger effektiv zu bekämpfen und gleichzeitig den eigenen Körper in Ruhe zu lassen. Die Immunzellen haben dazu Rezeptoren (winzige „Erkennungs-Aufbauten“ auf der Oberfläche). Die Rezeptoren können sich an bestimmte Strukturen (Antigene) binden, zum Beispiel an solche auf fremden Zellen wie Mikroorganismen. Diese Bindung löst in der Immunzelle ein Signal aus und Abwehrprozesse werden in Gang gesetzt.
Eine wichtige Rolle spielen als Zellen bei der Abwehr die B-Lymphozyten und T-Lymphozyten. Die B-Lymphozyten bilden passende Antikörper (Immunglobuline) gegenüber fremden Antigenen und die T-Lymphozyten können schädliche oder veränderte Zellen und Eindringlinge unmittelbar erkennen und Immunreaktionen auslösen. Jeweils ein B- beziehungsweise T-Lymphozyt bildet durch zufällige Prozesse eine Art von Rezeptor.
Auf den körpereigenen Zellen befinden sich andere Oberflächenstrukturen als auf den eingedrungenen Fremdzellen und -stoffen. Es gibt eine Reihe von Mechanismen, die dafür sorgen, dass eigene Strukturen vom Immunsystem geschont werden und nur fremde Stoffe beziehungsweise Erreger angegriffen werden. Werden die Mechanismen, die die eigenen Gewebe vor dem Abwehrsystem schützen, durch ungünstige Zufälle überwunden, kommt es zu einer Autoimmunreaktion.
Immunzellen, die ganz früh in ihrer Entwicklung reagieren, tun dies meist auf eine körpereigene Substanz. Diese Zellen werden beispielsweise gleich ausgesondert und es entsteht eine Toleranz des Immunsystems gegenüber eigenen Strukturen. Trotzdem kommt es vor, dass die Abwehrzellen eigenes Gewebe als fremd einstufen. Bei einer Autoimmunerkrankung besteht damit eine Störung der Toleranz für Gewebestrukturen des eigenen Organismus. Das bedeutet, dass ein Reagieren des Abwehrsystems auf diese Strukturen nicht wie normalerweise verhindert wird. Beispielsweise kommt das vor, wenn Krankheitserreger sehr ähnliche Oberflächenstrukturen aufweisen wie eigene Zellen.
Die Bindung der Rezeptoren zu Antigenen kann stärker oder schwächer sein. Rezeptoren, die Krankheitserreger als fremd erkennen, können mitunter schwächer auch eigenes Material des Körpers binden. Das Abwehrsystem muss einen Kompromiss schaffen zwischen der Krankheits- und Fremdstoffabwehr und der nicht vollständigen Toleranz körpereigener Materialien.
Besteht eine Autoimmunkrankheit, werden die eigenen Zellen bei den Abwehrreaktionen mit angegriffen. Unter anderem werden Antikörper gegen körpereigenes Gewebe gebildet (Autoantikörper). Darüber hinaus können Erkrankungen zu den Autoimmunerkrankungen gezählt werden, bei denen sich das Immunsystem gegen nützliche, zur gesunden Flora des Menschen gehörende Mikroorganismen richtet.
Bei der Entstehung der Autoimmunerkrankungen spielen mehrere Faktoren eine Rolle, wobei nicht genau bekannt ist, weshalb sie bei den jeweiligen Patienten ausgelöst werden. Daran beteiligt sind zum einen genetische Merkmale und zum anderen Auslöser aus der Umwelt. Hier erhöhen Einflüsse wie Stress, Infektionskrankheiten, verschiedene Medikamente oder eine Schwangerschaft die Wahrscheinlichkeit von Autoimmunkrankheiten. Dadurch können bestehende Erkrankungen zudem verstärkt werden. Die genetischen Voraussetzungen führen dazu, dass in einigen Familien Autoimmunerkrankungen unter Verwandten vermehrt vorkommen.
Da sich die Autoimmunreaktion gegen verschiedenste Gewebe des menschlichen Körpers richten kann, ist die Liste der möglichen Autoimmunkrankheiten lang. Sie können ein bestimmtes Organ betreffen (organspezifische Autoimmunerkrankung) oder unabhängig von Organen an den unterschiedlichen Stellen im Körper ausgebreitet bestehen (systemische Autoimmunerkrankung). Viele Erkrankungen gehören zu den Rheuma-Erkrankungen (sogenannte Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises). Zu den wichtigsten und häufigsten Störungen, die durch autoimmune Prozesse ausgelöst werden, gehören:
Vielfach geben die Symptome schon einen deutlichen Hinweis, um welche Erkrankung es sich handeln könnte. Ein wichtiges Mittel zur Feststellung der Erkrankungen ist es, eine Blutprobe auf die entsprechenden Autoantikörper (Antikörper gegen eigene Zellen) zu untersuchen. Bei einigen speziellen Krankheiten ist dies nicht notwendig, zum Beispiel bei einem Typ-1-Diabetes.
Die Therapie einer Autoimmunerkrankung gestaltet sich je nach der genauen Ausprägung und nach den Organen, die betroffen sind. Allgemein lässt sich sagen, dass keine ursächliche Behandlung möglich ist. Doch lassen sich bei vielen Erkrankungen die Symptome gut unter Kontrolle halten, wenn eine Therapie mit Medikamenten erfolgt. Vor allem kommen Mittel zur Immun-Unterdrückung zum Einsatz (Immunsuppressiva). Ein häufig genutztes Mittel ist beispielsweise Cortison, welches jedoch bei langfristiger Anwendung Probleme wie das Cushing-Syndrom mit sich bringen kann. Daneben können weitere Immunsuppressiva oder andere Medikamente zum Einsatz kommen, die die Entzündungsreaktion reduzieren.
Zusätzlich finden Aspekte der Lebensführung eine Berücksichtigung, die die Autoimmunkrankheit beeinflussen können. Zur Behandlung kann daher ebenso eine gesunde Ernährung, Stressvermeidung und ähnliches gehören. In einigen Fällen kann passend zum betroffenen Organ eine spezielle Behandlung notwendig oder sinnvoll sein, um die Symptomatik zu lindern oder die Funktion des Organs zu ersetzen.
aktualisiert am 11.10.2022