Prof. Schilbach: Beim Asperger-Syndrom handelt es sich um eine Form von Autismus. Heutzutage sprechen wir aber von der Autismus-Spektrum-Störung, die als Überbegriff für alle Formen von Autismus genutzt wird.
Prof. Schilbach: Ein Unterschied zu anderen Formen des Autismus ist, dass die Sprachentwicklung und die kognitiven Funktionen in der Kindheit bei den betroffenen Personen nicht beeinträchtigt sind. Früher dachte man, dass Personen mit dem Asperger-Syndrom weniger Schwierigkeiten im Verlauf des Lebens haben werden. Es hat sich aber herausgestellt, dass dies nicht stimmt! Zukünftig wird diese Unterscheidung also nicht mehr aufrecht erhalten, sondern es wird nur noch von der Autismus-Spektrum-Störung als Überbegriff für alle Formen des Autismus gesprochen.
Prof. Schilbach: Autismus gehört zu den sogenannten neurogenetischen Entwicklungsstörungen, die sich bereits in der Kindheit zeigen. Es ist bekannt, dass genetische Faktoren eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Autismus spielen.
Autismus gehört zu den sogenannten neurogenetischen Entwicklungsstörungen...
Prof. Schilbach: Autismus wird meistens bereits in der Kindheit diagnostiziert. Bei Fällen von Autismus ohne kognitive Beeinträchtigungen kann es aber vorkommen, dass Autismus erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wird.
Prof. Schilbach: Autismus ist charakterisiert durch qualitative Beeinträchtigungen der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie sogenannte stereotype, repetitive
Verhaltensweisen. D.h. Autisten können sich nicht so gut intuitiv in andere Personen hineinversetzen, es kommt häufig zu Missverständnissen in den sozialen Kontakten. Autisten haben außerdem einen ausgeprägten Ordnungssinn, benötigen Routinen und möglichst vorhersagbare Abläufe und können sich sehr intensiv mit ihren Interessen beschäftigen.
Autisten können sich nicht so gut intuitiv in andere Personen hineinversetzen...
Prof. Schilbach: Personen mit Autismus können häufig gut logisch denken, haben
eine feine Wahrnehmung und können regelbasierte Zusammenhänge gut erkennen. Schwierigkeiten bestehen eher im sozialen Bereich, bei dem es häufig darauf ankommt, spontan und ohne hinreichende Gewissheit über Zusammenhänge Entscheidungen zu treffen und sich zu verhalten.
Prof. Schilbach: Bei Erwachsenen mit Autismus bestehen Unterstützungsmöglichkeiten im Bereich der Psychotherapie, insbesondere der Verhaltenstherapie. Hier
können auch Gruppenangebote, wie z.B. die Düsseldorfer Autismus Therapiegruppe für Erwachsene, hilfreich sein, um soziale Kompetenzen zu erwerben.
Prof. Schilbach: In den letzten Jahren stieg die Anzahl an Therapiemanualen sowie das Bewusstsein für das Thema Autismus, was hoffentlich hilfreich ist für die Betroffenen. Weiterhin existieren lange Wartezeiten im Bereich der Diagnostik und viele Autisten sind trotz beruflicher Qualifikation nicht erwerbstätig. Hier gibt es also weiteren Änderungsbedarf.
Weiterhin existieren lange Wartezeiten im Bereich der Diagnostik...
Prof. Schilbach: Hilfreich kann sein, sich die eigenen Erwartungen als Person ohne Autismus bewusst zu machen und zu verstehen, dass diese von Autisten nicht in
jeder Hinsicht erfüllt werden können. Ein Beispiel hierfür ist die nonverbale Kommunikation, auf die sich Menschen ohne Autismus häufig verlassen, wenn sie unbequeme Themen nicht aussprechen wollen. Dies funktioniert aber bei Personen mit Autismus nicht, da diese auf explizite und klare Formulierungen angewiesen sind. In meiner Erfahrung sind aber Letztgenannte häufig für alle Personen hilfreich und können zu größerer Transparenz in der Kommunikation beitragen.
Prof. Schilbach: Im Bereich der Autismus-Forschung gibt es zahlreiche Fragestellungen, die verfolgt werden. Eine wichtige Frage besteht darin zu verstehen, wie sich die Informationsverarbeitung des Gehirns bei Personen mit und ohne Autismus unterscheidet und wie das erklären helfen kann, warum Kommunikation gelingt oder auch nicht.
Vielen Dank für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 03.01.2024.