Prof. Petersen: Die Kniearthrose ist eine Verschleißerkrankung des gesamten Kniegelenks. Sie beginnt oft mit einem Knorpelschaden. Der Knorpelabrieb führt zu entzündlichen Reaktionen der Gelenkschleimhaut. Folgen sind Schmerzen und Schwellungen. In weiterer Folge können sich durch Verkürzungen der Gelenkkapsel und der das Knie umspannenden Muskeln und Sehnen Bewegungseinschränkungen manifestieren. Spätfolgen können schwere Deformitäten sein. Risikofaktoren für eine Kniearthrose sind das Übergewicht, knöcherne Fehlstellungen wie O- und X-Bein, aber auch verschiedene Sportverletzungen des Kniegelenks.
Prof. Petersen: Kniearthrose ist immer ein schleichender Prozess. Im Anfangsstadium kann sie leicht mit anderen Erkrankungen wie z.B. einem Meniskusschaden verwechselt werden. Der Schmerz ist meist auf den Gelenkspalt beschränkt und zunächst lokalisiert. Tatsächlich können Meniskusläsionen ähnliche Symptome verursachen, sodass in den frühen Stadien keine klare Unterscheidung möglich ist. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Kniearthrose kein akutes Unfallgeschehen ist. Es handelt sich vielmehr um einen schleichenden Prozess, bei dem die Symptome langsam auftreten, im Gegensatz zu vielen anderen Erkrankungen oder Verletzungen, die mit einem plötzlichen Unfallereignis einhergehen und bei denen die Symptome ebenfalls plötzlich auftreten können.
Prof. Petersen: Das Hauptsymptom der Kniearthrose ist der Schmerz. Dieser Schmerz entsteht in der Regel zunächst durch eine Reizung der Gelenkkapsel, die durch Abbauprodukte des Knorpels verursacht wird. Wenn die Gelenkkapsel dann entzündlich reagiert, produziert sie vermehrt Flüssigkeit, was zu Schwellungen führen kann. Die Schwellung kann auch durch eine verdickte und entzündete Kapsel verursacht werden. Schmerzen und Schwellungen sind also die ersten Symptome der Kniearthrose. Später können weitere Symptome wie Bewegungseinschränkungen hinzukommen. Diese entstehen, weil das Kniegelenk durch den Schmerz geschont wird und sich dadurch die Muskeln verkürzen können. Muskelverkürzungen können ebenfalls sehr schmerzhaft sein. In späteren Stadien der Erkrankung können Schmerzen verschiedene Ursachen haben. Schließlich kann es sogar zu Deformitäten kommen, bei denen das Kniegelenk stark in Richtung eines O- oder X-Beines verformt ist, insbesondere dann, wenn der Knochen bereits durch Abnutzung geschädigt ist.
Das Hauptsymptom der Kniearthrose ist der Schmerz.
Prof. Petersen: Grundsätzlich können zwei Hauptkategorien von Behandlungsmethoden unterschieden werden: nicht-operative und operative Verfahren. In jeder dieser Kategorien gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Beginnen wir mit den nicht-operativen Methoden, die oft als erste Wahl angesehen werden, es sei denn, es besteht die Möglichkeit, die Ursachen operativ zu behandeln. Dies kann zum Beispiel bei angeborenen Fehlstellungen der Beinachsen wie ausgeprägten O- oder X-Beinen der Fall sein. In solchen Fällen kann die Korrektur der Achsen frühzeitig erfolgen, um präventiv zu wirken. Ähnlich verhält es sich bei der Kreuzbandplastik, da unverletzte vordere und hintere Kreuzbänder im Laufe der Zeit zu Arthrose neigen können. Bei jungen, aktiven Patienten empfiehlt es sich daher, das Gelenk frühzeitig zu stabilisieren, um einer Arthrose vorzubeugen. In solchen Fällen ist es sinnvoll, nicht zu warten, bis die Arthrose stark symptomatisch wird.
Die nicht-operativeTherapie beginnt daher immer mit Basismaßnahmen wie Gewichtsreduktion, Bewegungstherapie und Krankheitsverständnis. Die Gewichtsreduktion ist eine wirksame Maßnahme, denn jedes verlorene Kilo entlastet das Knie erheblich, da das Körpergewicht durch Muskelzug kompensiert werden muss. Wichtig ist auch, auf die Ernährung zu achten, um Entzündungen im Körper zu minimieren. Eine mediterrane Ernährung, die reich an ungesättigten Fettsäuren ist, kann dazu beitragen, Entzündungen zu reduzieren. Dazu gehört der Verzehr von Fisch, Nüssen, Avocados und Gemüse.
Eine Bewegungstherapie, je nach Lokalisation der Kniearthrose auch Wassergymnastik oder Radfahren, ist wichtig, um die Beweglichkeit zu erhalten und die Belastung des Kniegelenks zu verringern. Die Aufklärung der Patienten über die Erkrankung, ihre Entstehung und Symptome ist ebenfalls wichtig, da gut informierte Patienten besser mit den Symptomen umgehen können.
Auch im Bereich der nicht-operativen Maßnahmen gibt es spezifische Ansätze. Dazu gehören biomechanische Interventionen wie Einlagenversorgung, äußere Randerhöhung, Orthesen, Bandagen und Physiotherapie zur Erhaltung von Muskelkraft, Beweglichkeit und Koordination.
Bei der medikamentösen Therapie werden entzündungshemmende Medikamente wie Diclofenac und Ibuprofen eingesetzt, allerdings mit Vorsicht wegen möglicher Nebenwirkungen auf den Magen, das Herz und andere Organe. Es gibt auch Medikamente, die direkt in das Gelenk injiziert werden, wie Kortison bei akuten Problemen und Hyaluronsäure oder autologes plättchenreiches Plasma bei chronischen Problemen. In einigen Fällen kann auch der vorübergehende Einsatz von Opiaten erwogen werden.
Die operativen Verfahren lassen sich grundsätzlich in gelenkerhaltende und gelenkersetzende Verfahren unterteilen. Zu den gelenkerhaltenden Maßnahmen gehört die Korrekturosteotomie, bei der die Beinachsen verändert werden, um die Belastung im betroffenen Bereich zu reduzieren. Dies kann das Fortschreiten der Arthrose verlangsamen und die Notwendigkeit eines Gelenkersatzes hinauszögern. Beim Gelenkersatz werden die betroffenen oder zerstörten Gelenkflächen entfernt und durch künstliche Implantate aus verschiedenen Materialien ersetzt. Es handelt sich dabei um eine Endoprothese (Knie-TEP), die je nach Bedarf und Zustand des Gelenks als vollständiger Ersatz oder als Teilersatz eingesetzt werden kann. Der Vorteil des Teilersatzes liegt im geringeren Operationsaufwand, der kürzeren Genesungszeit und dem kleineren Schnitt.
Grundsätzlich können zwei Hauptkategorien von Behandlungsmethoden unterschieden werden: nicht-operative und operative Verfahren.
Prof. Petersen: Kriterien für eine gelenkerhaltende Therapie sind immer das Lebensalter, lokale Knorpelschäden, die durch eine regenerative Knorpeltherapie zur Heilung gebracht werden können, beginnende oder lokale Knorpelschäden und Fehlstellungen der Beine, die noch korrigiert werden können. Bei älteren Patienten mit fortgeschrittenen Arthrosestadien und erfolgloser konservativer Therapie kommt dann die Implantation einer Knieendoprothese in Frage. Wir legen als Arzt Wert darauf, nur Implantate zu verwenden, von denen es Langzeitergebnisse gibt. Dabei legen wir großen Wert auf Registerdaten und wir beteiligen uns auch am Deutschen Endoprothesenregister.
Prof. Petersen: Die Operationsmethoden entwickeln sich immer weiter in Richtung minimale Invasivität, das bedeutet muskelschonendes Operieren. Die wesentlichen Entwicklungen haben sich aber im Bereich der Abläufe um die Operation herum abgespielt. Dabei konnte gezeigt werden, dass durch verschiedene dem Patienten verabreichte Medikamente verschiedene Operationsrisiken deutlich gesenkt werden können. So kann durch den Gebrauch der Tranexamsäure das Blutungsrisiko so gesenkt werden, dass nahezu keine Bluttransfusionen beim Gelenkersatz mehr notwendig sind. Durch die Applikation eines hochwirksamen Antibiotikums konnte die Infektionsrate in den letzten Jahren auf 0% gesenkt werden. Durch die Frühmobilisation am OP-Tag sind Thrombosen eine Seltenheit geworden.
Prof. Petersen: Nach der Operation sollte sich der Patient darauf einstellen, bis zu 4 Wochen Unterarmgehstützen zu benutzen. Die Operationsschmerzen können wirkungsvoll medikamentös beeinflusst werden. Der präoperativ vorhandene Schmerz lässt in den Monaten nach der OP nach. Es können aber im Laufe des ersten Jahres nach der OP immer noch leichte Beschwerden auftreten. Das darf den Patienten nicht beunruhigen.
Prof. Petersen: Die Lebensdauer eines künstlichen Kniegelenks kann heute bis zu 20 Jahre betragen. Unter der Überlebensrate verstehen wir den Zeitraum, in dem ein Gelenk nicht ersetzt werden muss. Das heißt, etwa 80 bis 85 Prozent der Kniegelenke werden nach der ersten Operation nicht mehr operiert. Diese Entwicklung hat sich nach meiner Einschätzung in den letzten 25 Jahren deutlich verbessert. Ich bin zuversichtlich, dass wir in Zukunft weitere Fortschritte sehen werden.
Die Lebensdauer eines künstlichen Kniegelenks kann heute bis zu 20 Jahre betragen.
Trotzdem ist es ratsam, die Implantation eines künstlichen Gelenks so lange wie möglich hinauszuzögern. Ein künstliches Gelenk kann nie die volle Funktionalität eines natürlichen Gelenks erreichen. Es sollte nicht in Betracht gezogen werden, um Patienten zu ermöglichen, schneller zu laufen oder Marathon zu laufen. Sport ist möglich und sollte betrieben werden, aber ein künstliches Gelenk wird nie die Funktion eines natürlichen Kniegelenks erreichen.
Es ist daher sinnvoll, eine Implantation erst dann in Erwägung zu ziehen, wenn der Patient unter starken Schmerzen leidet, konservative Therapien nicht mehr helfen und zusätzlich radiologische Veränderungen im Röntgenbild oder eine fortgeschrittene Kniearthrose vorliegen. Die Indikation für diesen Eingriff ist also immer dann gegeben, wenn konservative Therapien die Schmerzen und Symptome nicht mehr ausreichend behandeln können und die Lebensqualität des Patienten erheblich beeinträchtigt ist.
Prof. Petersen: Die Forschung beschäftigt sich im nicht-operativen Bereich derzeit intensiv mit den Möglichkeiten der Stammzelltherapie. Da werden wir in den nächsten Jahren viel hören. Erste Ansätze haben schon den Weg in die Klinik gefunden. Ansonsten wird viel Innovation von der Digitalisierung und den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz zu erwarten sein. Ich bin mir sicher, dass in Zukunft Stammzellen und digitale Applikationen einen festen Stellenwert in der Arthrosetherapie haben werden.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 22.12.2023.