Prof. Lohrer: Der Begriff Achillessehnenentzündung ist irreführend, da es sich in den meisten Fällen nicht um eine Entzündung der Achillessehne handelt. Vielmehr handelt es sich um einen Verschleiß der Sehne, ähnlich einer Arthrose in einem Gelenk, die auch ein Verschleiß und keine Entzündung ist. In der Fachsprache spricht man heute von einer Tendinopathie der Achillessehne. Das bedeutet, dass die Sehne schmerzt oder erkrankt ist, aber die genauen Ursachen müssen dann im Einzelfall noch geklärt werden. Eine Entzündungsreaktion im klassischen Sinne finden wir höchstens bei 2 bis 3% der Achillessehnenprobleme. Deshalb ist der Begriff Achillessehnenentzündung oft irreführend. In Deutschland spricht man häufig von einer Achillodynie, was für mich der gebräuchlichere Begriff ist. Diese Achillodynie entspricht der umgangssprachlichen Achillessehnenentzündung oder wissenschaftlich und im internationalen Sprachgebrauch ausgedrückt der Tendinopathie der Achillessehne.
Prof. Lohrer: Die Symptome einer Achillodynie sind unterschiedlich und hängen vom Schweregrad ab. Typischerweise beginnen sie mit leichten Schmerzen. Bei leichter körperlicher Belastung, z.B. beim Joggen, spüren die Patienten oft zunächst nichts. Nach dem Laufen, wenn die Sehne abkühlt, treten jedoch Beschwerden auf. In diesem frühen Stadium der Beschwerden bemerken die Patienten oft erst am nächsten Morgen eine Steifheit und Schmerzen in der Achillessehne.
In einem fortgeschrittenen Stadium können die Schmerzen bereits zu Beginn der sportlichen Aktivität auftreten und während der Belastung nachlassen. Die Patienten berichten, dass sie "in den Schmerz hinein trainieren" können. Am Ende der Belastung sind sie schmerzfrei, aber nach dem Abkühlen treten verstärkt sogenannte Nachbelastungsschmerzen auf, und am nächsten Morgen haben sie wieder starke Anlaufschmerzen.
Häufig berichten Patienten, dass sie nach dem Aufstehen kaum Treppen steigen oder hinuntergehen können und etwa fünf bis zehn Minuten brauchen, um „warm zu werden“ bzw. sich "einzuspielen". Im Alltag geht es dann besser, aber über Tage, Wochen und Monate werden die Beschwerden immer schlimmer. Schließlich treten die Schmerzen auch im Alltag, bei leichter Belastung oder beim Wandern auf. Erst in diesem fortgeschrittenen Stadium suchen viele Patienten einen Arzt auf.
Typischerweise beginnen sie mit leichten Schmerzen. Bei leichter körperlicher Belastung, z.B. beim Joggen, spüren die Patienten oft zunächst nichts.
Prof. Lohrer: Typische Sportarten sind Laufen, insbesondere Joggen, Mittel- und Langstreckenlauf und auch Triathlon. Besonders gefährdet sind Ausdauersportler. Ältere Patienten können schon bei normaler Belastung eine Achillodynie entwickeln. Typischerweise sind diese Patienten beim Radfahren und Schwimmen beschwerdefrei. Im Anfangsstadium sind sie beim Gehen schmerzfrei, in späteren Stadien treten auch beim Gehen Schmerzen auf. Spätestens dann ist eine ärztliche Diagnostik und Behandlung notwendig.
Prof. Lohrer: Der wichtigste Risikofaktor für eine Achillodynie ist sportliche Belastung, insbesondere das Laufen (Training und Wettkampf). Am häufigsten sind also Läufer betroffen, aber auch Fußballer, Handballer, Basketballer und Volleyballer, also Sportler, die viel laufen und springen. Es gibt zwei Hauptgruppen, bei denen diese Beschwerden auftreten. Die erste Gruppe besteht aus jungen Leistungssportlern, die sehr früh und intensiv trainieren. Diese Sportler, oft im Alter von 20 bis 30 Jahren, zeigen bereits erste Symptome von Achillessehnenbeschwerden. Sportler im Jugendalter klagen grundsätzlich noch nicht über Achillodynie-Beschwerden.
Eine Untersuchung der deutschen Olympiamannschaft ergab, dass bereits 30% der Athleten, die an den Olympischen Spielen teilnahmen, unter diesen Beschwerden litten. Dies ist eine erstaunlich hohe Zahl und oft der Hauptgrund, warum viele dieser Sportler ihre Karriere vorzeitig beenden müssen.
Die zweite Gruppe sind die älteren Sportler zwischen 40 und 60 Jahren. Häufig handelt es sich dabei um Triathleten und Marathonläufer, die erst später mit einem intensiven Training beginnen. Diese Sportler steigern ihr Trainingspensum im Laufe der Jahre erheblich, was zu einem zunehmenden Verschleiß der Achillessehne führt, der sich schließlich in Form von Schmerzen bemerkbar macht.
Grundsätzlich ist es also wie mit dem berühmten Fass, was sich langsam füllt und schließlich überläuft. Entscheidend dafür ist die Reizsumme aus Trainingsumfang und Trainingsintensität unter Berücksichtigung des altersabhängigen Qualitätsverlustes der Achillessehne.
Prof. Lohrer: Das ist eine sehr gute Frage, bei der die meisten Patienten zunächst unsicher sind, wie es weitergehen soll. Sport kann in geringer Intensität weiter betrieben werden. Die Patienten haben oft Angst, dass die Sehne reißen könnte, wenn sie schmerzt. Es gibt jedoch keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Patienten mit Achillodynie ein erhöhtes Risiko für einen Achillessehnenriss haben. Dies liegt in der Regel daran, dass die Sehne schmerzt und deshalb nicht so stark belastet werden kann. Sport ist erlaubt, solange die Belastung moderat bleibt. Auf einer Skala von 0 bis 10 kann man sich bis zu einer Schmerzintensität von etwa 5 belasten. Das ist etwa die Hälfte dessen, was der Patient als maximalen Schmerz empfindet. Bis zu diesem Punkt wird die Achillessehne durch die Belastung nicht zusätzlich geschädigt, insbesondere wenn eine zusätzliche Therapie durchgeführt wird.
Prof. Lohrer: Sie muss nicht immer behandelt werden, aber es gibt viele Therapiemöglichkeiten. Nicht immer behandeln heißt, wenn man zum Beispiel in der Frühphase an der Belastungsschraube dreht, kann es gelingen, die Achillodynie ohne weitere Interventionen, wie zum Beispiel ärztliche Hilfe, in den Griff zu bekommen. Das bedeutet, die Belastung zu reduzieren, also weniger Umfang und weniger Intensität zu trainieren. Wenn Sie beispielsweise Triathlet sind, können Sie weiterhin so viel Rad fahren und schwimmen, wie Sie möchten, aber Sie müssen die Laufbelastung und vor allem die Intensität, wie z.B. Tempoläufe oder Sprünge, reduzieren. Wenn dies gelingt, kann die Sehne von selbst heilen und wieder voll belastbar werden. Gelingt dies nicht, muss entweder die Belastung weiter reduziert oder eine Therapie gesucht werden.
Zunächst ist eine ärztliche Diagnose notwendig, denn nicht alles, was in diesem Bereich schmerzt, ist eine Achillessehnenentzündung. Es gibt andere Möglichkeiten, die man ausschließen muss, bevor man von einer Achillodynie spricht. Zum Beispiel gibt es Teilrisse der Achillessehne, die je nach Größe behandelt werden müssen, manchmal mit Ruhigstellung. Zu unterscheiden ist auch, ob eine Schädigung im unteren Bereich vorliegt, wo die Sehne am Knochen ansetzt. Hier befindet sich ein Schleimbeutel, der entzündet sein kann, was andere therapeutische Maßnahmen zur Folge haben kann. Diese Entzündung wird Bursitis subachillea genannt und wird mit dem Begriff Haglund-Exostose in Verbindung gebracht, obwohl der Schmerz vom Schleimbeutel ausgeht.
Eine weitere Möglichkeit ist die sogenannte Insertionstendinopathie, eine Reizung des Sehnenansatzes, die häufig bei Patienten mit erhöhtem Harnsäurespiegel im Blut oder genetisch bedingten Erkrankungen auftritt, die häufig einen hinteren Fersensporn entwickeln. Die Therapieansätze dabei unterscheiden sich von denen der klassischen Achillodynie und zielen mehr auf die zugrunde liegende Ursache. Die Therapie der Achillodynie besteht in erster Linie darin, die Belastung zu reduzieren.
Eine weitere Methode ist die Dehnungstherapie, insbesondere die exzentrische Dehnung, die einen moderaten Schmerz povozieren muss um erfolgreich zu sein und die zweimal täglich über 8 bis 12 Wochendurchgehalten werden sollte . Ergänzend dazu gibt es das Krafttraining, bei dem mit hohen Gewichten trainiert wird (Heavy load exercises), um die Achillessehne zu stärken. Hierfür ist in der Regel ein Kraftraum bzw. Fitnessstudio erforderlich.
Physiotherapie kann ebenfalls helfen, indem Physiotherapeuten Übungen zur Kräftigung der Muskulatur um die Achillessehne herum sowie Querfriktion, eine spezielle Massage, anbieten. Zu den nicht-invasiven Methoden gehören die Stoßwellentherapie, bei der wir fokussierte und radiale Stoßwellen kombiniert werden, und die Einlagenversorgung als Basistherapie.
Zu den invasiven Methoden gehören Injektionen, wobei Kortisoninjektionen wegen ihrer degenerativen Wirkung auf die Sehne vermieden werden sollten. Stattdessen können die schmerzhafte PRP-Therapie, eine Eigenblutbehandlung, eingesetzt werden. Wissenschaftlich ist die Evidenz dafür nicht hoch. Eine weitere Methode ist die hochvolumige (High-volume) Injektionsbehandlung, bei der eine sterile Kochsalzlösung in bestimmte Zonen am vorderen Achillessehnenrand gespritzt wird.
Vor einer Operation kann eine entzündungshemmende Röntgenbestrahlung erwogen werden. Ist eine Operation notwendig, wird die Achillessehne freigelegt, Narbengewebe entfernt und degeneratives Gewebe herausgeschnitten. Die Nachbehandlung dauert jedoch mindestens 12 bis 24 Wochen, wobei der Patient Geduld aufbringen muss, um den Operationserfolg nicht zu gefährden. Das kann sehr langwierig sein.
Sie muss nicht immer behandelt werden, aber es gibt viele Therapiemöglichkeiten.
Prof. Lohrer: Selbstverständlich entscheidet der Patient in Absprache mit dem Arzt über die Notwendigkeit einer Operation. Die Achillodynie ist zwar nicht lebensbedrohlich, aber dennoch relevant, da ein Riss der Sehne vermieden werden muss. Es handelt sich um eine klassische sportmedizinische Indikation für eine Operation. Wenn der Patient sagt, dass er z.B. nach zweijährigem Leiden die ständigen Trainings- und Belastungspausen nicht mehr ertragen kann und die Schmerzen bei jedem Neustart wieder auftreten, ist der Zeitpunkt für eine Operation gekommen. In der Regel gilt aber: wenn Sie nicht mindestens ein halbes Jahr Beschwerden haben, würde ich persönlich von einer Operation absehen, da in dieser Zeit mit einer konservativen Therapie noch gute Erfolge erzielt werden können.
Prof. Lohrer: Nun, genau genommen dauert es etwa ein Jahr. Wir haben eine Studie mit allen Patienten durchgeführt, die wir operiert haben. Die Ergebnisse zeigen, dass die Patienten 12 Wochen nach der OP in etwa die gleichen Beschwerden angeben wie vor der Operation. Das heißt, wenn ich Patienten über eine Operation informiere, muss ich ihnen ehrlich sagen, dass sie davon ausgehen können, dass sie die Beschwerden, die sie jetzt haben, auch 12 Wochen nach der Operation haben werden. Wenn das der Fall ist, sind wir auf dem richtigen Weg.
Zwischen der 12. und der 24. Woche kommen wir an einen Punkt, an dem die Patienten langsam wieder mehr machen können und weniger Beschwerden haben. Bis sie wieder voll belastbar sind, kann es aber noch dauern. Bei einem 55-jährigen Marathonläufer dauert es in den Fällen, die ich kenne, fast ein Jahr, bis er wieder einen Marathon laufen kann. Ich würde also sagen, dass es etwa ein dreiviertel Jahr bis ein Jahr dauert, bis die Heilung praktisch abgeschlossen ist. Es ist also eine relativ langwierige Sache, besonders wenn man sportlich aktiv ist. Wenn man nicht richtig behandelt wird, kann es noch länger dauern.
Ich würde also sagen, dass es etwa ein dreiviertel Jahr bis ein Jahr dauert, bis die Heilung praktisch abgeschlossen ist.
Prof. Lohrer: Die langfristigen Folgen sind oft, dass die Betroffenen ihre Sportart wechseln müssen. Das heißt, sie haben zunächst Beschwerden an der Achillessehne und legen eine kurze Pause ein. Beim erneuten Training treten die Beschwerden wieder auf. Dann machen sie eine längere Pause, aber die Beschwerden kommen wieder. Schließlich wird die Pause immer länger, bis die Achillessehne so stark in Mitleidenschaft gezogen ist, dass sie erkennen müssen, dass diese Sportart für sie nicht geeignet ist. Sie entscheiden sich dann entweder für eine andere Sportart oder wagen den letzten Schritt und nehmen die letzte Therapiemöglichkeit, die Operation, in Anspruch.
Prof. Lohrer: Bei der Vorbeugung gibt es zwei Aspekte: den langfristigen und den kurzfristigen. Der erste Aspekt ist der langfristige. Die Achillessehne ist ein biologisches Gewebe und kann trainiert werden. Wenn man sogenannte Trainingsfehler macht, hat man eine gute Chance, eine Achillodynie zu entwickeln. Ein langfristiger Trainingsfehler ist zum Beispiel, wenn man in den ersten 20 oder 15 Jahren seines Lebens nicht viel Sport treibt und dann mit 25, 30 oder 40 Jahren merkt, dass man ein Talent für Marathon, Langstreckenlauf oder Triathlon hätte. Man geht zu einem Trainer. Das Herz-Kreislauf-System reagiert relativ schnell und anfangs ergibt sich viel Spaß an der Leistungsentwicklung, weil die Leistungsfähigkeit schnell besser wird. Mittelfristig kann dann jedoch, insbesondere die Achillessehne die weitere Belastbarkeit bremsen, da diese viel länger braucht, um ihre Stabilität und Belastungsresistenz zu entwickeln. Deshalb ist es wichtig, Kinder frühzeitig adäquat zu belasten und bei einem Belastungsbeginn erst mit 30 oder 40 Jahren eine längere Eingewöhnungszeit einzuplanen. Die Belastungssteigerung sollte sehr langsam erfolgen und Pausentage sind wichtig, da die Achillessehne mehrere Tage braucht, um sich von der Trainingsbelastung zu erholen.
Kurzfristig gilt, was bereits über die Therapie gesagt wurde: Trainingstherapie wie z.B. Exzentrik, Dehnen auf der Treppenstufe oder auf der schiefen Ebene sowie Krafttraining mit Heavy-Load-Übungen stärken die Achillessehne. Dies ist wissenschaftlich belegt und daher die richtige Vorbereitungsmaßnahme. Wichtig ist auch das richtige Aufwärmen. Vor dem Training sollte man sich ein wenig aufwärmen, die Sehne leicht dehnen, aber nicht überdehnen, da sonst die Reflexe nachlassen und die Sehne überlastet wird. Unmittelbar nach dem Dehnen sollte man keine Tempoläufe oder Sprünge machen, sondern die Sehne durch kurze Belastungen reflektorisch trainieren. Dies ist die richtige Vorgehensweise innerhalb einer Trainingseinheit.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 10.10.2024.