Die Achillessehnenruptur ist in den meisten Fällen ein akutes und schmerzhaftes Ereignis, das durch degenerative Veränderungender Sehne begünstigt wird und häufig bei Sportarten mit schnellen Richtungswechseln auftritt. Die Behandlung kann konservativ oder operativ erfolgen. Die Operation senkt das Risiko eines erneuten Risses. Heutzutage wird meist eine funktionelle Nachbehandlung bevorzugt, um die Heilung zu fördern und Komplikationen zu minimieren.
Prof. Polzer: Ein Riss der Achillessehne ist in den allermeisten Fällen ein drastisches Ereignis. Viele Patienten hören ein lautes Geräusch wie ein Schnalzen oder einen Peitschenschlag. Darüber hinaus beschreiben viele das Gefühl, als hätte Ihnen jemand hinten in die Ferse getreten. Es kommt unmittelbar zu starken, einschießenden Schmerzen und der Fuß kann sofort nicht mehr - oder nur noch sehr eingeschränkt - bodenwärts gebeugt werden.
Prof. Polzer: Der Riss der Achillessehne ist in den allermeisten Fällen ein akutes Ereignis. Im Rahmen eines Fehltrittes, einer Sprungbewegung, eines plötzlichen Antritts oder eines Richtungswechsels kommt es unmittelbar zum Riss, einschießenden Schmerzen und plötzlichem Funktionsverlust der Achillessehne. Bei älteren Patienten kann auch ein „ins Leere treten oder Verfehlen einer Treppenstufe“ zum Riss der Achillessehne führen. Durch den Riss der Achillessehne ist deren Kontinuität vollständig unterbrochen und somit auch die Funktion der Sehne unmittelbar aufgehoben.
Andere Erkrankungen der Achillessehne, wie beispielsweise die Achillodynie oder chronische Entzündungen, sind ein chronischer Prozess. Das heißt, es kommt über Tage bzw. Wochen zu ansteigenden Schmerzen und schmerzbedingten Funktionseinschränkungen. Bei diesen Erkrankungen ist die Kontinuität der Achillessehne nicht unterbrochen und somit grundsätzlich die Funktion der Sehne noch vorhanden. Die Funktionseinschränkung besteht vor allem aufgrund der Schmerzen.
Im Rahmen eines Fehltrittes, einer Sprungbewegung, eines plötzlichen Antritts oder eines Richtungswechsels kommt es unmittelbar zum Riss, einschießenden Schmerzen und plötzlichem Funktionsverlust der Achillessehne.
Prof. Polzer: Dem Riss der Achillessehne liegt in den allermeisten Fällen eine degenerative Veränderung der Sehne zugrunde. Üblicher Weise reißt die Achillessehne bei Belastungen, die Patienten schon sehr oft in der Vergangenheit durchgeführt haben, ohne, dass es zu einem Reißen der Sehne kam. Bedingt durch eine chronische Degeneration verliert die Achillessehne an Elastizität. Dies führt dazu, dass es dann am Ende zum Riss der Achillessehne kommt.
Vor allem Sportarten mit schnellen Geschwindigkeits- und Richtungswechseln, mit entsprechender Fußarbeit wie beispielsweise Fußball, Basketball, Tennis und Squash sind Risikosportarten. Es kann aber auch bei Gymnastik oder Tanzen passieren. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr.
Prof. Polzer: In der Akutsituation gilt es, die Schmerzen und Schwellung zu kontrollieren. Dies gelingt am besten mit Hochlagerung und Kühlung. Ein normales Gehen ist aufgrund des Funktionsverlustes der Achillessehne nicht mehr möglich, entsprechend ist man auf Gehhilfen angewiesen. Bei Verdacht auf einen Riss der Achillessehne sollte zum nächstmöglichen Zeitpunkt ein Spezialist für Fuß- und Sprunggelenkschirurgie aufgesucht werden, um die Diagnose zu sichern.
Die Diagnose lässt sich meist schon in der klinischen Untersuchung stellen. Der vollständige Riss der Achillessehne führt zu einem Verlust der Vorspannung der Achillessehne im Seitenvergleich. Ein kraftvolles Abdrücken mit dem Vorderfuß vom Boden bzw. gegen die Hand des Untersuchers ist nicht mehr möglich. Darüber hinaus lässt sich im Bereich der Rupturzone eine Delle tasten. Die Kompression der Wadenmuskulatur führt nicht mehr zu einer Plantarflexion (d.h. Beugung des Fußes fußsohlenwärts) des Fußes im Unterschied zur unverletzten Seite (Thompson-Test positiv). Die Diagnose lässt sich sonografisch sichern. Eine Kernspintomografie ist nur in Ausnahmefällen notwendig, um die Diagnose zu sichern.
Ein kraftvolles Abdrücken mit dem Vorderfuß vom Boden bzw. gegen die Hand des Untersuchers ist nicht mehr möglich.
Prof. Polzer: Grundsätzlich ist die konservative Therapie beim Achillessehnenriss dann möglich, wenn die Rupturenden in 20° Plantarflexion Kontakt haben. Dies wird sonografisch kontrolliert. Ist dies der Fall, muss mit dem Patienten das Für und Wider der konservativen und operativen Therapie besprochen werden.
Die Vorteile der konservativen Therapie bestehen in der niedrigen Komplikationsrate. Das größte Risiko der konservativen Therapie ist das erneute Auftreten eines Risses der Achillessehne (Reruptur). Dies ist im Vergleich zur operativen Therapie deutlich höher. Dafür kommt es aber sehr selten zu Wundkomplikationen, wenn überhaupt durch Druck des Stiefels. Das Thromboserisiko ist mit der operativen Therapie vergleichbar. Mit der operativen Therapie lässt sich das Reruptur-Risiko deutlich senken. Allerdings besteht bei operativer Therapie ein erhöhtes Risiko für Wundkomplikationen.
Wenn eine konservative Therapie durchgeführt wird, sollte diese heutzutage funktionell erfolgen und nicht restriktiv mittels Immobilisation und Entlastung. Das heißt, dass eine frühzeitige Belastung (circa 2 Wochen nach der Verletzung) erlaubt ist. Darüber hinaus wird eine geschützte Bewegung in einem definierten Bewegungsumfang (circa 2 Wochen nach der Verletzung) zugelassen. Um dies sicherzustellen wird ein Unterschenkel-Walker verwendet. Im Verlauf der konservativen Therapie sollte sonografisch sichergestellt werden, dass die Rupturenden weiterhin Kontakt bei 20° Plantarflexion aufweisen. Sollte dies nicht der Fall sein, muss im Verlauf gegebenenfalls von der konservativen auf eine operative Therapie gewechselt werden.
Prof. Polzer: Eine operative Therapie sollte dann angeraten werden, wenn die Rupturenden bei 20° Plantarflexion keinen Kontakt aufweisen. Auch wenn die Rupturenden Kontakt bei 20° Plantarflexion aufweisen, muss mit dem Patienten über eine operative Therapie diskutiert werden. Die operative Therapie hat den Vorteil, dass dadurch die Rerupturrate deutlich gesenkt werden kann, hat aber den Nachteil, dass sie eine erhöhte Komplikationsrate aufweist. Die Entscheidung sollte gemeinsam mit dem Patienten erfolgen.
Lange Zeit erfolgte die Naht der Achillessehne mittels sogenannter offener Naht. Das heißt, es wurde ein ca. 8 cm Hautschnitt neben der Achillessehne durchgeführt, die Sehnenscheide eröffnet und beide Sehnenenden miteinander vernäht. Je nach Studie führt die offene Naht der Achillessehne allerdings zu Wundkomplikationen zwischen 11% und 20%. Entsprechend wurden im Laufe der Zeit verschiedene minimalinvasive Nahttechniken etabliert. Dadurch ließen sich die Wundkomplikationen auf 1%-9% senken.
Bei den meisten minimalinvasiven Nahttechniken wird die Achillessehne durch die Haut angestochen und die Fäden unter der Haut entlang zur anderen Seite der Ruptur geleitet und dort nochmals durch die Sehne gestochen. Dadurch lässt sich die Größe des Hautschnittes und damit die Rate an Wundheilungsstörungen deutlich senken, ohne die Rate an Rerupturen zu erhöhen.
Die operative Therapie hat den Vorteil, dass dadurch die Rerupturrate deutlich gesenkt werden kann, hat aber den Nachteil, dass sie eine erhöhte Komplikationsrate aufweist.
Prof. Polzer: Grundsätzlich lässt sich die Naht beim Achillessehnenriss ambulant durchführen, vor allem, wenn diese minimalinvasiv durchgeführt wird. Maximal ist eine Nacht im Krankenhaus notwendig. Wir haben uns sehr intensiv mit der Nachbehandlung nach einem operativ versorgten Riss der Achillessehne beschäftigt und haben ein evidenzbasiertes progressives Nachbehandlungsschema entwickelt. Dieses sieht vor, dass unmittelbar nach der Naht im Stiefel voll belastet werden kann. Dieser ist zunächst für 2 Wochen in 30° Plantarflexion fixiert eingestellt.
Nachdem die Fäden gezogen sind, wird der Stiefel so umgestellt, dass eine Beweglichkeit zwischen 30° Plantarflexion und 0°, also Neutralstellung des Sprunggelenkes, möglich ist. Durch das progressive Nachbehandlungsschema ist eine frühere Rückkehr zu Alltagstätigkeiten und zur Arbeit möglich, ohne das Komplikationsrisiko zu steigern. Nach 6 Wochen erfolgt die Entfernung des Stiefels. Im Anschluss empfehlen wir für weitere 2 Monate das Tragen von Fersenkeilen, die in normale Konfektionsschuhe gelegt werden. Danach sind keine weiteren Hilfsmittel mehr notwendig.
Prof. Polzer: Wenn ein Achillessehnenriss nicht behandelt wird, kann dies zu einer nicht Verheilung des Risses führen, was zu einem dauerhaften Funktionsausfall des Wadenmuskels führt. Dies hat erhebliche Einschränkungen für die Funktion des Fußes zur Folge. Insbesondere ist die Plantarflexion des Fußes, das zum Bodenbewegen im Sprunggelenk gegen Widerstand dann nicht mehr möglich. Dies führt zu einer erheblichen Veränderung des Gangbildes und Einschränkung der Funktion, weil die Abstoßfunktion stark eingeschränkt ist.
Prof. Polzer: Der Riss der Achillessehne ist eine schwere Verletzung. Sowohl mit konservativer als auch mit operativer Therapie kommt es nicht selten zu einer langfristigen Kraftminderung des Wadenmuskels. Dann können die Patienten sich nicht mehr mit so kraftvoll vom Boden abdrücken. Vor allem für den Spritzensport liegen uns einige Studien vor, die das Ausmaß der Funktionseinschränkung im Verlauf untersucht haben. Für 30% der Profisportler bedeutet der Riss der Achillessehne das Karriere-Ende.
Viele der Sportler, die zum Sport zurückkehren, erreichen nicht mehr das Leistungsniveau wie vor dem Riss. Je nach Anspruch, Arbeitstätigkeit und Sportniveau können die Einschränkungen unterschiedlich stark ausfallen. Zusammengefasst kommt es, auch bei bestmöglicher Versorgung, immer wieder zu langfristigen Einschränkungen.
Für 30% der Profisportler bedeutet der Riss der Achillessehne das Karriere-Ende.
Prof. Polzer: Die Dauer der Krankschreibung hängt ganz erheblich von der Tätigkeit ab. Jemand mit sitzender Tätigkeit oder Homeoffice ist nach wenigen Tagen wieder arbeitsfähig. Jemand, der schwer körperlich arbeitet, ist unter Umständen mehrere Monate arbeitsunfähig. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ist sehr individuell, abhängig vom Arbeitsweg, der Tätigkeit und vielen weiteren Faktoren und deshalb individuell verschieden.
Sehnengewebe heilt sehr langsam. Die meisten Rerupturen treten innerhalb der ersten 6 Monate auf. Nach 6 Monaten weist das Sehnengewebe eine gewisse Stabilität auf, sodass die Wahrscheinlichkeit für einen erneuten Riss nach diesem Zeitraum sinkt. Bis die vollständige Kraft der Wadenmuskulatur wiederhergestellt ist dauert es circa 1 Jahr.
Prof. Polzer: In der Akutphase (circa 2 Wochen nach der Operation) steht die Wundheilung im Vordergrund. Hier sollten nicht so viele Übungen und nicht so viel Mobilisation durchgeführt werden. Nach der 2. bis zur 6. Woche steht die Gangschule im Stiefel im Vordergrund. Nachdem der Stiefel nach 6 Wochen abgenommen wurde, kann langsam und vorsichtig mit dem Aufbau der Wadenmuskulatur begonnen werden. Dies sollte aber unter strenger physiotherapeutischer Kontrolle erfolgen, um die sich in Heilung befindliche Sehne nicht zu überlasten und keinen erneuten Riss der Sehne zu provozieren. Das Training zum Wiederaufbau der Wadenmuskulatur wird dann im Verlauf intensiviert.
Prof. Polzer: In den letzten Jahren hat sich die Behandlung beim Achillessehnenriss grundsätzlich geändert. Wenn eine Operation durchgeführt wird, erfolgt diese heute in den allermeisten Fällen minimalinvasiv. Dies hat erhebliche Vorteile für die Patienten. Die offene Operation führt zwar zu einer geringeren Rate an Rerupturen verglichen mit der konservativen Therapie, hat aber ein hohes Risiko an Wundkomplikationen (Infektionen, Wundheilungsstörungen, etc.).
Die minimalinvasiven Techniken führen ebenfalls zu einer deutlichen Reduktion der Rerupturraten, vergleichbar mit der offenen Operation. Bedingt durch das geringere Weichteiltrauma durch die minimalinvasive Operationstechnik kann so aber die Rate an Wundkomplikationen drastisch gesenkt werden. Ein weiterer Aspekt, der sich erheblich geändert hat, ist die Nachbehandlung. Früher wurde nach operativer Therapie beim Achillessehnenriss eine sehr restriktive Nachbehandlung angewendet. Die Patienten wurden für 6 - 8 Wochen immobilisiert, d. h. in einem Stiefel ruhiggestellt, der graduell von der Plantarflexion in die Neutralposition verstellt wurde. Heute führen viele Zentren eine funktionelle Nachbehandlung durch.
Bei uns z. B. dürfen die Patienten unmittelbar nach der Operation im Stiefel schmerzabhängig voll belasten. Ab der 3. postoperativen Woche ist bereits eine Bewegung im Stiefel zwischen 30° Plantarflexion und 0° erlaubt. Dies ermöglicht einen deutlich schnelleren Wiedereintritt in das tägliche Leben. Außerdem erhoffen wir uns dadurch, langfristig eine bessere Funktion erreichen zu können. Die funktionelle Nachbehandlung führt nicht zu einer erhöhten Rerupturrate.
Die minimalinvasiven Techniken führen ebenfalls zu einer deutlichen Reduktion der Rerupturraten, vergleichbar mit der offenen Operation.
Prof. Polzer: Das spannendste Thema in der Forschung rund um die Achillessehne ist derzeit, zu verstehen, welche Prozesse auf molekularbiologischer Ebene im Rahmen der Sehnendegeneration ablaufen. Dieses Verständnis ist die Grundvoraussetzung, um in Zukunft Medikamente und Techniken zu entwickeln, mit denen degenerativ veränderte Sehnen geheilt werden können, bevor es zu chronischen Schmerzen oder zu einem Riss kommt. Wir arbeiten mit mehreren Firmen zusammen, um die Prozesse der Sehnendegeneration und der Sehnenheilung besser zu verstehen und Ansätze zu entwickeln, mit denen wir die Degeneration bremsen oder sogar heilen können, bzw. die Sehnenheilung verbessern können.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 21.08.2024.