Als Achalasie bezeichnen die Ärzte eine Funktionsstörung an der Speiseröhre. Diese Störung zeigt sich als Fehlfunktion des unteren Schließmuskels der Speiseröhre. Beim Schluckvorgang erschlafft dieser Schließmuskel normalerweise, damit der Speisebrei in den Magen gelangen kann. Bei Patienten mit einer Achalasie bleibt das Erschlaffen des Schließmuskels beim Schluckvorgang aus. Danach richtet sich auch die Namensgebung der Erkrankung, denn Achalasie bedeutet in etwa „Nicht-Nachlassen“. Der Schließmuskel weist einen konstant erhöhten Spannungszustand auf. Zeitgleich ist die Bewegung der restlichen Speiseröhre oft erheblich herabgesetzt. Das Zusammenwirken zwischen unterem Schließmuskel und den weiter oben liegenden Anteilen der Speiseröhre weist somit gravierende Defizite auf. Das Schlucken wird zum Problem, da sich der Speisebrei in der Speiseröhre aufstaut. Die Nahrung gelangt beim Schlucken nicht mehr in den Magen. Hierdurch kommt es zu einem hohen Druck in der Speiseröhre. Eine Ausweitung des Hohlorgans kann sich mit der Zeit einstellen.
Die Ärzte unterscheiden grundsätzlich zwischen einer primären und einer sekundären Achalasie. Eine seltene sekundäre Achalasie ist die Folge einer vorausgegangenen Erkrankung. Die primäre Achalasie geht hingegen nicht auf eine Grunderkrankung zurück, sondern ist eine eigenständige Störung. Die Achalasie tritt in den meisten Fällen bei Patienten im mittleren Alter auf und ist selten (circa eine Neuerkrankung pro Jahr auf 100.000 Menschen). Zumeist sind die Probleme beim Schlucken zu Beginn der Störung noch nicht ausgeprägt. Im Laufe der Zeit können sich die Schluckbeschwerden jedoch immer mehr verschlimmern. Dies zieht nicht selten eine Störung beim Essen und eine hiermit verbundene Gewichtsabnahme nach sich. Mitunter kann es durch eine Achalasie zu einer Lungenentzündung kommen, sofern Nahrungsbestandteile aufgrund der Schluckbeschwerden eingeatmet werden.
In Bezug auf die Ursachen muss zwischen der primären und sekundären Achalasie unterschieden werden. Eine primäre Achalasie entsteht ohne jegliche Grunderkrankung. Sie resultiert aus einer sogenannten Neurodegeneration im Bereich der unteren Speiseröhre. Hierbei sterben bestimmte Nervenzellen ab, welche ein Nervengeflecht bilden (sogenannter Auerbach-Plexus). Die Nerven sind für die optimale Funktionsweise des unteren Schließmuskels der Speiseröhre verantwortlich. Dieser Schließmuskel, der Ösophagussphinkter, hat die Aufgabe, den Magen von der Speiseröhre räumlich abzutrennen. Diese Abtrennung sorgt dafür, dass keine aggressive Magensäure in die empfindliche Speiseröhre gelangt. Beim Schluckvorgang muss sich der Schließmuskel jedoch öffnen, damit der Speisebrei in den Magen gelangen kann. Durch das Absterben der Nervenzellen in diesem Bereich ist diese Öffnungsfunktion beim Schlucken gestört. Der Schließmuskel bleibt beim Schlucken unter Spannung und der Mageneingang ist weiterhin verschlossen.
Die genauen Auslöser für die Nervendegeneration im Bereich des Schließmuskels sind bis heute nicht geklärt. Die Ärzte nehmen an, dass die primäre Achalasie eine Autoimmunerkrankung ist – eine Erkrankung, bei der das Immunsystem ein bestimmtes Gewebe des eigenen Körpers angreift. Bei dieser Autoimmunkrankheit spielen erbliche Faktoren eine Rolle. Die Achalasie kann mit verschiedenen weiteren Störungen im Zusammenhang auftreten. Dazu gehören unter anderem:
In vielen Fällen tritt die primäre Achalasie jedoch nicht als Bestandteil eines der genannten Syndrome, sondern eigenständig auf.
Die weitaus seltenere sekundäre Achalasie ist die Folge einer Grunderkrankung. Diese Grunderkrankung führt zu einer Schädigung des Nervengeflechts. Die sekundäre Achalasie kann beispielsweise aus einer Tumorerkrankung des Magens und der Speiseröhre resultieren. Zudem ist die sekundäre Achalasie in manchen Fällen die Folge der Chagaskrankheit. Hierbei handelt es sich um eine Tropenkrankheit aus Mittel- und Südamerika. Diese Tropenkrankheit wird durch einen Parasit namens Trypanosoma cruzi ausgelöst. Die Achalasie kann in der akuten Phase dieser Erkrankung auftreten und ist die Folge des Parasitenbefalls.
Kommt es durch bestimmte weitere Umstände zu einer Verengung des Übergangs zwischen Speiseröhre und Magen, sprechen die Ärzte von einer Pseudoachalasie. Dieser Begriff greift, sofern die Engstelle nicht aus Nervenschäden am unteren Schließmuskel der Speiseröhre resultiert. In den meisten Fällen ist die Pseudoachalasie durch eine Tumorerkrankung in der Speiseröhre oder im Magen begründet.
Zu Beginn einer Achalasie verspüren die Betroffenen keine ausgeprägten Symptome. Die Beschwerden treten nur schwach und von Zeit zu Zeit auf. Im weiteren Verlauf werden die Beschwerden jedoch immer stärker. Ab einem gewissen Grad sind die Symptome der Achalasie überaus belastend und wirken sich erheblich auf die Lebensqualität der Patienten aus. Die grundlegenden Symptome der Achalasie sind:
Die Probleme beim Schlucken sind die ersten Anzeichen auf eine Achalasie. Die Patienten berichten hierbei von einem Gefühl, als würde ihnen die Nahrung im Halse stecken bleiben. Nur durch Trinken rutscht der Speisebrei die Speiseröhre hinunter. Zu Beginn der Störung beziehen sich diese Schluckbeschwerden ausschließlich auf feste Nahrung. Im weiteren Verlauf wird es jedoch auch zum Problem, flüssige Nahrung zu schlucken. Im fortgeschrittenen Stadium der Achalasie kommt es zudem zu häufigem Aufstoßen und zu Mundgeruch. Der Speisebrei gelangt durch das Aufstoßen oft zurück in den Mundraum. Dieses Aufstoßen von Nahrungsresten stellt sich zumeist nach dem Essen ein, wenn sich die Patienten hinlegen. Hierdurch besteht ein hohes Risiko, dass Speisereste versehentlich in die Atemwege gelangen. Dies kann eine Lungenentzündung hervorrufen.
Durch das Aufstauen der Nahrung in der Speiseröhre entsteht ein hoher Druck auf die Speiseröhrenwände. Dies kann zu einer Ausweitung der Speiseröhre in den Bereichen oberhalb der Engstelle führen. Durch diese Ausweitung verspüren viele Patienten einen Schmerz in der Brust. Diese Brustschmerzen werden nicht selten als Herzprobleme fehlgedeutet.
Durch die konstanten Schluckbeschwerden kann es zu erheblichen Essproblemen und zu einem Gewichtsverlust kommen. Nicht selten verlieren die Betroffenen durch eine primäre Achalasie bis zu zehn Prozent ihres Ausgangsgewichts. Im Rahmen einer sekundären Achalasie kann der Gewichtsverlust oft ein noch größeres Ausmaß annehmen. Durch den Rückstau der Nahrung in der Speiseröhre kann es zudem zu einer Entzündung des Hohlorgans kommen. Hieraus resultieren erhebliche Schmerzen beim Schlucken.
Die Diagnose einer Achalasie gestaltet sich nicht immer einfach. In nicht wenigen Fällen wird die Achalasie erst Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome diagnostiziert. Dieser Umstand resultiert aus den zu Beginn der Störung nur sehr leichten Beschwerden.
Um eine Achalasie festzustellen, greifen die Ärzte auf verschiedene Untersuchungen der Speiseröhre zurück. Vor diese Untersuchungen führt der Arzt ein Gespräch mit dem Patienten. Im Rahmen dieser Anamnese berichtet der Patient über seine Beschwerden. Im Anschluss setzt der Arzt die entsprechenden Untersuchungen der Speiseröhre an:
Im Rahmen einer Endoskopie der Speiseröhre können die Ärzte eventuell verbliebene Speisereste in der Speiseröhre erkennen. Ebenso lassen sich mit der Endoskopie des Hohlorgans Verengungen und Entzündungen optisch ermitteln. Ferner gibt die Spiegelung der Speiseröhre und des Magens eventuell Auskunft über die Ursache der Achalasie. Tumorerkrankungen lassen sich auf diesem Weg diagnostizieren. Sofern der Verdacht auf eine Tumorerkrankung besteht, entnehmen die Ärzte im Rahmen der Endoskopie zumeist gleich eine Gewebeprobe.
Für die Röntgenuntersuchung der Speiseröhre muss der Patient ein Kontrastmittel schlucken. Dieser Brei macht den genauen Verlauf der Speiseröhre und dessen innere Form auf dem Röntgenbild sichtbar. Der Arzt ist somit in der Lage, eine spitz zulaufende Verengung der Speiseröhre am Übergang zum Magen zu erkennen. In einem fortgeschrittenen Stadium der Achalasie ist der Bereich der Speiseröhre oberhalb dieser Enge geweitet. Im Rahmen einer Manometrie misst der Arzt den Druck in der Speiseröhre. Sofern der untere Schließmuskel der Speiseröhre hierbei nicht erschlafft, ist dies ein klares Anzeichen für eine Achalasie. Ferner kann der Arzt mithilfe der Manometrie die Beweglichkeit der Speiseröhre ermitteln.
In erster Linie muss unterschieden werden, ob beim Patienten eine primäre oder eine sekundäre Achalasie vorliegt. Es gilt somit zu ermitteln, ob der Patient eventuell unter einer unentdeckten Tumorerkrankung im Bereich der Speiseröhre und des Magens leidet. Gleichermaßen ist es wichtig zu wissen, ob eventuell anderweitige Magen- oder Speiseröhrenerkrankungen hinter den Schluckbeschwerden und den Schmerzen des Patienten stecken. Sofern Zweifel an der Diagnose bestehen, setzen die Ärzte daher in diesen Fällen weitere Untersuchungen an. Mit diesen Untersuchungen lassen sich anderweitige Erkrankungen zielsicher abgrenzen (Differenzialdiagnose).
Eine Achalasie sollte grundsätzlich fachgerecht behandelt werden. Ziel dieser Behandlung ist, die Beschwerden des Patienten zu lindern und schwerwiegende Folgen zu vermeiden. Der modernen Medizin stehen hierfür verschiedene Behandlungsansätze zur Verfügung. Alle diese Therapien zielen darauf ab, den Druck des unteren Schließmuskels der Speiseröhre zu verringern, damit der Nahrungsbrei beim Schluckvorgang vollständig in den Magen gelangen kann.
Sofern der Patient unter einer primären Achalasie leidet, sind die Ärzte nicht in der Lage, die Krankheit ursächlich zu behandeln. Die Erkrankung gilt bis heute als unheilbar. Aus diesem Grund zielen die Behandlungen darauf ab, den Leidensdruck des Patienten zu mindern. Bei einer sekundären Achalasie ist die ursächliche Behandlung von höchster Wichtigkeit. Wird die sekundäre Achalasie beispielsweise durch einen Tumor ausgelöst, muss der Patient operiert und anschließend entsprechend weiterbehandelt werden.
Bei einer Achalasie bieten sich folgende Behandlungen an:
Der Patient erhält Präparate, die den Druck vom unteren Schließmuskel der Speiseröhre senken. Diese Medikamente verlieren langfristig jedoch an Wirkung.
Mit einem Ballon an einem Endoskop wird die Speiseröhre auf mechanischem Weg geweitet. Diese Behandlung ist die wirksamste Maßnahme bei einer Achalasie, die ohne eine Operation auskommt. Die Schluckbeschwerden werden über Monate oder sogar über Jahre gelindert. Nach dieser Zeit muss die Ballondilatation wiederholt werden, sobald die Beschwerden wieder stärker werden.
Auf endoskopischem Weg injizieren die Ärzte Botulinumtoxin (Botox®). Durch dieses Präparat, welches aus Bakterien gewonnen und direkt in den unteren Schließmuskel der Speiseröhre gespritzt wird, erschlafft der Schließmuskel. Die Nerven in diesem Bereich, die den Muskel zum Zusammenziehen bringen, werden durch das Toxin blockiert. Unverdünnt löst dieses Toxin beim Menschen eine gefährliche Lebensmittelvergiftung aus. Daher wird dieses Toxin nur stark verdünnt injiziert. Die Auswirkung dieser Behandlung ist ebenfalls nicht von Dauer. Zumeist muss die Injektion nach einem Jahr wiederholt werden.
Sofern die nicht-operativen Behandlungen nicht den gewünschten Erfolg bringen, muss der Patient operiert werden. Im Rahmen der OP spaltet der Arzt den Schließmuskel der Speiseröhre auf. Die OP kann je nach Situation über einen Bauchschnitt oder endoskopisch (minimal-invasiv) erfolgen.
Alle nicht-operativen Therapien der Achalasie können zur Folge haben, dass vermehrt Magensaft in die Speiseröhre des Patienten gelangt. Die Ärzte sprechen hierbei von einer Refluxkrankheit. Es kommt zu häufigem Sodbrennen und auf Dauer können sich schwerwiegende Folgen wie eine Speiseröhrenentzündung oder Speiseröhrenkrebs entwickeln. Nur durch die OP lässt sich der Reflux verhindern, indem bei dem Eingriff eine Manschette am oberen Magen gebildet wird. Die Operation bietet eine Langzeitwirkung von bis zu zehn Jahren. Somit ist die Operation an der Speiseröhre die effektivste Behandlungsmethode der Achalasie.
Die primäre Achalasie ist bisher unheilbar und verläuft chronisch. Spontanheilungen wurden bisher nicht beobachtet. Die Ärzte können dem Patienten durch die richtige Therapie den Leidensdruck nehmen. Nach einer gewissen Zeit muss sich der Patient jedoch immer wieder erneut behandeln lassen. Über die Jahre verschlimmern sich die Schluckbeschwerden des Patienten zusehends. Mithilfe der oben genannten Behandlungen lassen sich diese Beschwerden jedoch deutlich lindern. Sofern eine sekundäre Achalasie vorliegt, kann die Ursachenbehandlung zu einer Besserung der Beschwerden führen. Dies ist jedoch von Fall zu Fall verschieden.
Die genauen Ursachen für die Achalasie sind wie erwähnt nicht bekannt. Aus diesem Grund lässt sich der Störung nicht gezielt vorbeugen. Wichtig ist jedoch, dass sich die Betroffenen bei einem Verdacht in Behandlung begeben. Durch eine fachgerechte Behandlung lassen sich die Symptome lindern und eventuelle Komplikationen vermeiden. Durch eine rechtzeitige Behandlung wird beispielsweise die Weitung der Speiseröhre verhindert.
Betroffenen ist es anzuraten, weitgehendst auf den Konsum von Alkohol und Nikotin zu verzichten. Patienten mit einer Achalasie sollten ihre Speiseröhre zudem regelmäßig untersuchen lassen. Hierdurch lassen sich mögliche Spätfolgen der Achalasie frühzeitig erkennen und behandeln. Zu diesen möglichen Spätfolgen zählt beispielsweise eine Tumorerkrankung der Speiseröhre.
aktualisiert am 12.05.2020