Abnehmspritzen mit sogenannten GLP-1-Rezeptor-Agonisten verstärken Sättigungssignale und verzögern die Magenentleerung, sodass adipöse Menschen weniger essen und Gewicht verlieren. Während die Wirksamkeit bei vielen Patienten nachgewiesen ist, gibt es auch Nebenwirkungen wie Übelkeit, Unterzuckerung oder eine mögliche Resistenz gegen die Injektion mit der Zeit. Die Kosten sind hoch, und ohne begleitende Ernährungsumstellung führt das Absetzen der Spritze oft zu einem Jo-Jo-Effekt, sodass ein nachhaltiger Erfolg fraglich bleibt. Ein natürlicherer Weg zur dauerhaften Gewichtsregulation wäre eine bewusste Ernährungs- und Lebensstiländerung, um Hunger- und Sättigungsmechanismen langfristig zu trainieren.
Prof. Adam: Das ist der Traum von allen, die verzweifelt mit der Waage kämpfen: jeden Monat einen kleinen Pick und die Pfunde purzeln von selbst. Man muss auf nichts
verzichten. Zu schön um wahr zu sein? Nein! Im Internet poppen tausende von Angeboten auf, gibt man Schlagworte wie "Abnehmen mit Spritze" ein. Die Forschung läuft auf Hochtouren! Allein 2023 sind zu diesem Thema 2450 wissenschaftliche Veröffentlichungen erschienen. Fast schon vergessen: Noch vor wenigen Jahren waren "Abnehmpillen" wegen Unwirksamkeit oder gefährlicher Nebenwirkungen selbst bei den Ärzten verpönt.
Heimtückisch war, dass die zum Teil tödlichen Herzerkrankungen oder Psycho-Attacken erst nach Jahren oder sogar Jahrzehnten entdeckt wurden und manchmal, wie bei Rimonabant und Dexfenfluramin von den Pharmafirmen jahrelang verharmlost wurden. Nun hat sich das Blatt gewendet. Dazu beigetragen hat die Erkenntnis, dass die Adipositas eine Krankheit ist und mit dem Wirkstoff GLP-1-Rezeptor-Agonist (GLP-1RA) behandelt werden kann. Aber was kann dieser Wirkstoff, was die anderen nicht konnten?
GLP-1RA kann mehr, weil es in den Energiestoffwechsel eingreift. Das Hormon GLP-1 wird vom Darm als Reaktion auf die Nahrungsaufnahme freigesetzt und steigert die Wirkung des Insulins, das den Blutzuckerspiegel senkt. GLP-1RA sind Medikamente, die eine vermehrte Ausschüttung von GLP-1 bewirken und so den Blutzuckerspiegel stärker senken. Chemisch sind diese Wirkstoffe Inkretine der Glucagon-Superfamilie. Zusammen orchestrieren sie die Speicherung oder Verbrennung von Zucker (Glucagon) und Fett und regulieren damit den Energiestoffwechsel. Für die Adipositas wurden Inkretine interessant, als man zwei weitere Wirkungen der Inkretine entdeckte, die zur Entwicklung der "Abnehmspritze" geführt haben.
Inkretine verzögern die Magenentleerung und steigern das Sättigungsgefühl, das zudem länger anhält. Automatisch isst man weniger und die Pfunde purzeln. Hauptakteure sind die beiden wichtigsten Inkretinhormone: GIP (gastrisches inhibitorisches Peptid), das die Magenentleerung hemmt und GLP-1 (glucagonähnliches Peptid-1), das den Zucker in die Zellen bringt. GIP und GLP-1 greifen also direkt an der Ursache der Adipositas an: Sie ermöglichen den Adipositas-Kranken wieder satt zu werden, keinen Hunger mehr zu spüren - wieder "normal" zu sein. Nur wer jahrelang gehungert hat, kann nachfühlen, was das bedeutet. Die Nachkriegsjahre und die folgende Fresswelle in Deutschland sind davon Zeugen.
Inkretine verzögern die Magenentleerung und steigern das Sättigungsgefühl, das zudem länger anhält.
Prof. Adam: Es ist die Störung der Wahrnehmung: ICH BIN SATT. Ab einem BMI (Body Mass Index) über 30 werden die Sättigungssignale immer weniger vom Gehirn empfunden, krankhaft Adipöse kennen keine Sättigung mehr, haben aber immer denselben Hunger wie schlanke Personen. Die Sättigungssignale vom Darm, der Gallenblase und der Bauchspeicheldrüse gelangen bei schlanken Personen mit dem Blut zum Gehirn und vermitteln die Botschaft: ICH BIN SATT. Ab einem BMI über 30 kg/m2 schirmt sich das Gehirn immer mehr gegen das Gefühl der Sättigung ab, bis es ab einem BMI über 40 kg/m2 keine Sättigungssignale mehr empfindet. Es gibt mehr als 10 solche Sättigungssignale, die alle abgeschwächt werden. Dagegen gibt es nur ein Hungersignal, das aber nie abgeschwächt wird. Das Hungersignal heißt Ghrelin und zwingt Adipöse zur Nahrungsaufnahme, die aber wegen der gestörten Darm-Gehirn-Achse nicht satt macht. Deshalb müssen Adipöse zu viel essen.
Prof. Adam: Die Abnehmspritze steigert die Sättigungssignale und vermittelt somit wieder das Gefühl der Sättigung. Endlich wieder SATT! Endlich kein Hunger mehr! Nur wer das erlebt hat, kann begreifen wie großartig die "Heilung" der Adipositas empfunden wird. Das Problem ist, die natürliche Regelung von Hunger und Sättigung wurde nicht wieder hergestellt, sondern die Sättigungssignale wurden künstlich gesteigert. Je länger die künstliche Steigerung der Sättigungssignale aufrecht erhalten wird, also je länger die Abnehmspritze gegeben wird, umso mehr GLP-1RA und GIP sind notwendig, damit das Gehirn wieder empfindet "ICH BIN SATT". Die Forschung der nächsten Jahre wird zeigen, ob daraus ein Teufelskreis entsteht, in dem das Gehirn zunehmend unempfindlich auf die Wirkung der Spritze wird und immer höhere Dosierungen verlangt, wie dies bei der Insulinspritze der Fall ist, oder ob die Gewichtsabnahme durch die Spritze auch das Gehirn wieder empfindlicher für Sättigungssignale macht.
Ab einem BMI über 30 werden die Sättigungssignale immer weniger vom Gehirn empfunden, krankhaft Adipöse kennen keine Sättigung mehr, haben aber immer denselben Hunger wie schlanke Personen.
Prof. Adam: Die unglaublich rasche Verbreitung und der zunehmende Wunsch nach der Spritze beweisen deren gute Verträglichkeit und erstaunliche Wirksamkeit. Sie hilft aber nur bei 84% der Patienten, 16% investieren monatlich 380€ bis 1500 € umsonst, ohne den gewünschten Erfolg. Die Abnehmspritze kann nur wirken, wenn noch genügend β-Zellmasse für die Produktion von Insulin vorhanden ist. Die GLP-1RA bieten zur Unterstützung der Gewichtsabnahme und besseren Blutzuckerkontrolle noch weitere Vorteile. Sie senken den Blutdruck und das Cholesterin, zudem fördern sie die Funktion der Bauchspeicheldrüse.
Pharmafirmen haben GLP-1RA Medikamente mit immer längerer Wirkdauer entwickelt. Man kann also bei Versagern auf noch wirksamere Variationen der GLP-1RA ausweichen. Damit ist die Forschung aber längest nicht am Ende. Noch wirksamere Mittel werden gesucht, die noch mehr Inkretine im Darm steigern und deren Wirkung verlängern. Ob dieser Weg zur "Heilung" der Adipositas führt, muss abgewartet werden.
Prof. Adam: Es sind mehrere Variationen der GLP-1RA auf dem Markt. Am bekanntesten dürften derzeit Ozempic und Wegovy sein, die auch zu den ersten GLP-1RA Spritzen auf dem Markt gehören. Albiglutid war eine Abwandlung des GLP-1, das eine sehr lange Wirkdauer von 5 bis 8 Tagen hatte, da es dem natürlichen Abbau des GLP-1 widersteht und zudem durch die stärkere Eiweißbindung verzögert durch die Niere ausgeschieden wird. Da es sich schlecht verkaufte, wurde es 2018 vom Markt genommen. Dulaglutid ist ebenfalls ein langwirksamer GLP-1RA, der mit einer geringeren Glukosefreisetzung aus der Leber punktet und damit die Insulinsensitivität steigern soll. Seit 2022 wird das Präparat aber nicht mehr beworben, da es sich gegen die Konkurrenz nicht durchsetzen konnte.
Tirzepatid aktiviert die Rezeptoren der beiden wichtigsten Darmhormone GLP-1 und GIP. Im Vergleich zu einem reinen GLP-1RA ermöglicht es eine wirksamere Regulierung des Blutzuckers und eine stärkere Gewichtsreduktion bei ähnlichem Verträglichkeitsprofil. Menschen mit Adipositas erreichten unter Tirzepatid nach 72 Wochen eine signifikante Gewichtsreduktion von durchschnittlich 22,5% gegenüber dem Ausgangswert. Neue klinische Daten zeigen, dass Tirzepatid auch über einen langen Zeitraum von mehr als 3 Jahren nichts von seinem Potenzial einbüßt. Gleichzeitig sinkt auch das Risiko für Begleit- und Folgeerkrankungen.
Prof. Adam: Fragt man in der Apotheke oder in den Online-Shops nach, so bekommt man fast immer die Antwort, das die Abnehmspritze geeignet ist. Sinnvoller Weise sollte man für sich selbst den Nutzen und den möglichen Schaden durch die Behandlung abwägen. Wenn eine krankhafte Adipositas bereits Folgeschäden, wie Diabetes,
Hypertonie oder eine Fettstoffwechselstörung verursacht hat, so kann der Einsatz einer Abnehmspritze das Gewicht deutlich vermindern und zudem alle Folgeschäden bessern. Obwohl die Adipositas als Krankheit anerkannt ist, zahlen die Krankenkassen meist die Behandlung mit der Spritze nicht. In jedem Fall benötigen sie eine Verschreibung durch den Arzt. Selbst wenn der Arzt die Notwendigkeit bescheinigt, ist es nicht sicher, ob die Kasse dann auch erstattet. In jedem Fall empfiehlt sich eine Nachfrage bei der Krankenkasse.
Obwohl die Adipositas als Krankheit anerkannt ist, zahlen die Krankenkassen meist die Behandlung mit der Spritze nicht.
Prof. Adam: Als Vorteil wird von den Firmen behauptet, dass man seine Ernährung nicht umstellen muss. Das stimmt, denn das Sättigungsgefühl wird "gespritzt". Wenn die Spritze abgesetzt wird, dann ist das alte Problem der fehlenden Sättigung wieder da. Da die Abnehmspritze das Sättigungsgefühl durch die Steigerung der Sättigungshormone verbessert, sind die die unerwünschten Folgen der früheren Appetitzügler weniger wahrscheinlich.
Prof. Adam: Ozempic und Wegovy werden einmal wöchentlich gespritzt und kosten pro Monat zwischen 1.000€ und 1.500€. Etwas preiswerter geht es mit Tabletten. Lilly
hat den Einstiegspreis für die Startdosierung à 2,5 mg Mounjaro sogar gesenkt, um damit Patienten "den Zugang zur Behandlung" zu erleichtern. Die Kosten wurden um 20% auf 206€ pro Monat gesenkt. Dagegen wurden die Preise für die höheren Dosierungen um 40% angehoben.
Prof. Adam: Die Abnehmspritze ist so leicht wie eine Insulinspritze zu verabreichen, ein Fachmann ist nicht erforderlich. Zudem wird sie, genau wie eine Insulinspritze, mit einem Pen verabreicht, der es noch mehr vereinfacht.
Prof. Adam: GLP-1RA bewirken eine längere Verweildauer der Speisen im Magen und dadurch kann es zu Übelkeit und Erbrechen kommen. Insbesondere bei Diabetikern ist das eine nicht seltenes Problem, da sie krankheitsbedingt bereits oft eine verzögerte Magenentleerung haben. Es kann auch zu einer gefährlichen Unterzuckerung (Hypoglykämie) kommen, insbesondere wenn zusätzlich andere Blutzucker senkende Medikamente wie Sulfonylharnstoff und/oder Basalinsulin verwendet werden. Bei einer Studie zu unerwünschten Magen-Darm Problemen bei Nichtdiabetikern, die GLP-1RA (Semaglutid oder Liraglutid) zur Gewichtsabnahme einsetzten, wurde ein signifikant erhöhtes Risiko für Pankreatitis (9,1-fach), Ileus (4,2-fach) und Gastroparese (3,7-fach) festgestellt. Ein kleiner Prozentsatz der Patienten (0,4%) berichtete über allergische Reaktionen. Bei Nierenkranken ist besondere Vorsicht geboten.
Prof. Adam: Wird die Spritze abgesetzt, so ist die gestörte Sättigung erneut da und ein Jo-Jo-Effekt ist die Folge. Die Spritze hat die Verweilzeit der Nahrung im Darm verlängert und infolge der langen Verweilzeit wurde die gegessene Essensportion als "größer" empfunden. Wird die Spritze nicht mehr verabreicht, so ist alles wieder beim alten und das Gewicht steigt. Der Jo-Jo-Effekt schadet dem Körper mehr als ein konstantes Übergewicht. Denn für den Körper bedeutet Abnehmen Stress und die erneute Gewichtszunahme belastet ihn mit dem großen Anfall von Sauerstoffradikalen. Wie gesagt, löst die Spritze nicht das Sättigungsproblem, das alle Adipositaskranken quält. Auch nach konventionellen Abnehmkuren beobachtet man oft einen Jo-Jo-Effekt, der das Gewicht sogar zu einem neuen Höchstwert treiben kann. Es ist also wichtig und sogar unbedingt erforderlich, dass das Sättigungsgefühl trainiert wird. Ob dies unter der Spritze möglich ist, konnte bisher nicht gezeigt werden.
Der Jo-Jo-Effekt schadet dem Körper mehr als ein konstantes Übergewicht.
Prof. Adam: Ich weiß, man kann. Denn spätestens wenn das Geld für die teure Spritze ausgegangen ist, steht man wieder vor dem ungelösten Problem: Ich habe Hunger und werde nicht satt... Es ist klüger, gesünder und billiger, das Problem selbst in die Hand zu nehmen und ein wirksames Programm zu wählen, um wieder auf natürliche Weise satt, schlank und zufrieden zu werden. Das ist Tausenden schon gelungen und Ihnen gelingt es auch. Denn Sie setzen dabei auf Ihre Fähigkeit, Ihr Leben selbst zu gestalten. Diese von der Natur uns geschenkte Fähigkeit lautet "Epigenetik". Wenn Sie lange genug trainieren, dann programmiert die Epigenetik die Regulation von Hunger und Sättigung neu, also genau so wie dies bei schlanken Menschen der Fall ist.
Wir haben das für die KFZ-Diät durch eine Studie über 18 Jahre bewiesen (DOI 10.1055/s-0041-1735680 ). Hier halten Sie eine Anleitung zur KFZ-Diät. Um langfristig Ihr Zielgewicht zu erreichen, sollten Sie sich für eine gesunde Ernährung entscheiden. Die ist weder mit Low Carb noch mit Low Fat gewährleistet. Auch Ihren Lebensstil sollten Sie überdenken. Stress behindert Ihren Wunsch, das Gewicht in den Griff zu bekommen. Körperliche Bewegung trägt zwar nicht besonders zur Gewichtsabnahme bei, jedoch hilft es Stress abzubauen und auf seinen Körper zu achten. Wie man das alles zu einem persönlichen Programm für das individuelle Gewichtsmanagement zusammenstellt, ist in dem Buch KFZ-Diät beschrieben. Die einzelnen Maßnahmen sind ausführlich und allgemeinverständlich in dem Leitfaden beschrieben. Die Fettspeicherung reduzieren, die Fettverbrennung steigern, Hunger und Sättigung wieder richtig erleben, dickmachende Umweltfaktoren erkennen und vermeiden, die Rolle der Hormone und der Psyche werden besprochen, um Ihnen den Weg zum "leichter leben" zu ebnen.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 07.03.2025.